Augen zu und durch – der italienische Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini will gegenüber der EU keinen Zentimeter zurückweichen. Foto: AP

Der Streit zwischen der italienischen Regierung und der EU-Kommission um den Haushalt des Landes für das kommende Jahr eskaliert. Worum es bei der aktuellen Auseinandersetzung geht.

Brüssel - Der Streit zwischen der italienischen Regierung und der EU-Kommission um den Haushalt des Landes für das kommende Jahr eskaliert. Worum es bei der aktuellen Auseinandersetzung geht, und wie die nächsten Schritte von Rom, Brüssel und an den Finanzmärkten aussehen könnten.

Warum hat Rom Ärger mit Brüssel?

Damit es in den Staatshaushalten der Mitgliedsstaaten keine gefährlichen Schieflagen gibt und es nicht zu einer Neuauflage der Staatsschuldenkrise kommt, hat die EU zwei Kriterien aufgestellt. Zum einen soll bei jedem Haushalt in jedem Mitgliedsstaat die Neuverschuldung den Wert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes nicht übersteigen. Dieses Kriterium wird Rom zwar einhalten. Nicht einhalten wird Rom dagegen das zweite Kriterium. Es sieht vor, dass die Staatsverschuldung insgesamt abgebaut und möglichst dem Wert von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung des jeweiligen Landes angenähert wird. Roms Problem ist die hohe Staatsverschuldung. Italien hat eine Staatsverschuldung, die 131 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Die Vorgängerregierung hatte gegenüber Brüssel versprochen, dass der 2019er Etat nur noch eine Neuverschuldung von 0,8 Prozent aufweist. Die Regierung aus rechts- und Linkspopulisten peilt nun aber ein Defizit von 2,4 Prozent an. Diese Entscheidung verteidigte Italiens Finanz- und Wirtschaftsminister Giovanni Tria nun gegenüber Brüssel. Aus Berlin kommt Kritik: „Aber das Spiel der Populisten, das möchte ich nicht mitspielen: So lange sich schlecht benehmen, bis wir dann die Rechnung bezahlen“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

Wofür braucht Italien das Geld?

Die Regierung aus rechter Lega, mit Parteichef und Innenminister Matteo Salvini, und linker Fünf-Sterne-Bewegung hat im Wahlkampf viel versprochen: Das Renteneintrittsalter soll sinken, es soll ein Mindesteinkommen kommen sowie Steuererleichterungen für Unternehmen. Rom argumentiert, mit dem Geld einen sich selbst nährenden Aufschwung schaffen zu wollen. Das Wirtschaftswachstum springe an, 2019 werde es durch die expansive Politik der Regierung 1,6 Prozent betragen und 2020 sogar noch etwas darüber. Dadurch komme so viel Steuergeld in die Staatskassen, dass Italien dann seine Verpflichtungen gegenüber Europa wieder einhalten werde. Die Daten deuten aber bereits jetzt darauf hin, dass das Versprechen der italienischen Regierung nicht aufgeht. Prognosen legen nahe, dass die Wirtschaft Italiens nächstes Jahr mit 0,9 Prozent nur gut etwa halb so stark wächst wie angenommen. Die Exporte sind rückläufig, die Kauflaune schwächelt, die Zinsen steigen. Wenn sich das nicht ändert, werden die Haushaltsprobleme Italiens nächstes Jahr noch größer, weil die Steuereinnahmen niedriger ausfallen als nun angenommen und das Land noch mehr Schulden machen muss.

Warum darf Brüssel überhaupt mitreden?

Auf die Kontrolle der nationalen Haushalte haben sich alle 28 Mitgliedsstaaten verständigt. Auch die italienische Regierung hat im Juni noch mit ihrer Stimme im Ministerrat die länderspezifischen Empfehlungen der EU an Italien mit beschlossen. Daraus geht hervor, dass Italien weniger Schulden machen soll und nicht mehr. Wenn die Regierung in Rom nun gegen die Empfehlung des Ministerrates handelt und das Defizit ausweitet, bricht sie vorsätzlich EU-Recht.

Was kann die EU tun?

Bisher hat es eine derartige Eskalation um einen nationalen Haushaltsplan nicht gegeben. Die Kommission wird in ihrer Sitzung am Dienstag voraussichtlich beschließen, dass sie den Haushalt Italiens zurück weist. Sie wird wohl die Regierung auffordern, binnen drei Wochen einen überarbeiteten Haushaltsentwurf vorzulegen. Danach kann die Kommission ein Verfahren gegen das Land wegen des Verstoßes gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt einleiten. Am Ende eines mehrstufigen Vorgehens könnte gegen Italien eine Geldbuße verhängt werden. Denkbar ist auch, dass das Land den Zugriff auf europäische Fördergelder verliert.

Wie werden die Finanzmärkte reagieren?

Die Akteure an den Finanzmärkten werden die gestiegenen Risiken um die italienischen Staatsfinanzen einpreisen. Das heißt: Sie werden von Italien bei der Vergabe von Staatsanleihen höhere Zinsen verlangen als etwa vom deutschen Staat. Im Fachjargon heißt dieser Renditeabstand „Spread“. Am Montag lag der „Spread“ bei zehnjährigen italienischen Staatsanleihen bei rund drei Prozentpunkten im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen. Die Kosten für Neuverschuldung und Zinsendienst Italiens steigen damit. Marktbeobachter glauben, dass es ab einem Spread von vier Prozentpunkten für den italienischen Haushalt kritisch wird und die Last auf Dauer nicht zu schultern ist. Der Spread dürfte noch einmal massiv steigen, sollte die Kreditfähigkeit des Landes von den Ratingagenturen weiter herabgesetzt werden. Moody’s hatte kürzlich die Kreditwürdigkeit des Landes auf nur eine Stufe oberhalb des Ramschniveaus gesetzt. Das Ramschniveau ist deswegen so bedeutsam für das Rating, weil sich dabei viele institutionelle Anleger von den Staatsanleihen trennen müssen, was regelmäßig einen weiteren Abwärtstrend verursacht. Für Ende der Woche hat die Ratingagentur S&P eine Neubewertung der italienischen Kreditwürdigkeit angekündigt.