EU-Gesundheitskommissar will Vanille-Zigaretten verbieten und Warnhinweise kräftig vergrößern.

Berlin - Die Tabakindustrie zittert schon vor dem nächsten Schlag aus Brüssel. Der dürfte im Herbst kommen. Dann nämlich will EU-Gesundheitskommissar John Dalli nach Informationen unserer Zeitung seinen Vorschlag für die Tabakproduktrichtlinie öffentlich machen. Seine konkreten Pläne gehen aus einem internen Papier zur Folgenabschätzung der Tabakproduktrichtlinie hervor, das unserer Zeitung vorliegt.

Demnach plant die EU-Kommission eine drastische Vergrößerung der Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Künftig sollen Warnhinweise 75 Prozent der Packung ausmachen. Wenn dies so kommt, wären die Warnhinweise doppelt so groß wie derzeit in Deutschland üblich. Damit ist klar, dass die Kommission wohl von ursprünglichen Plänen Abstand nimmt, der Industrie eine komplett einheitliche Verpackung vorzuschreiben. Zudem soll die Schachtel standardisiert werden. Varianten mit abgerundeten Ecken etwa könnten komplett verboten werden. Die Mindestpackungsgröße sollte künftig bei 20 Zigaretten liegen. Derzeit gilt in Deutschland eine Mindestpackungsgröße von 19 Zigaretten.

In Australien sind einheitliche Verpackungen Pflicht

Die Zigarettenindustrie ist hochgradig alarmiert. Sie befürchtet, dass ihre Möglichkeiten für eine individuelle Gestaltung der Packung durch die Richtlinie weitgehend zunichtegemacht würde. Allerdings zeigt das Beispiel Australien, dass es aus Sicht der Industrie noch schlimmer kommen könnte: Dort wird im Dezember die komplett einheitliche Zigarettenschachtel Pflicht. Damit entfällt dort für die Industrie die Möglichkeit, sich über die Packung von Mitbewerbern zu unterscheiden.

Die zweite Beschränkung betrifft den Handel mit Zigaretten: Künftig soll in Geschäften, die Zigaretten verkaufen, nur noch eine einzige Packung je Marke gezeigt werden dürfen. Außerdem muss künftig sichergestellt sein, dass die Gesundheitswarnung dabei deutlich für den Kunden erkennbar und nicht verdeckt ist. Dalli will den einzelnen EU-Mitgliedstaaten erlauben, noch strengere Regeln für den Verkauf zu erlassen. Denkbar ist etwa das Verbot, jegliche Tabakprodukte im Verkaufsraum zu zeigen.

Geschmacksstoffe sollen verboten werden

Marketingexperten gehen davon aus, dass die geplante Beschränkung beim Ausstellen von Tabakprodukten in den Verkaufsräumen sowohl die Hersteller als auch den Handel empfindlich treffen würde. Derzeit produziert die Industrie bei beliebten Marken etliche unterschiedliche Packungs- und Geschmacksvarianten und versucht so, ein möglichst großes Spektrum an Gewohnheiten der Raucher abzudecken: Es sind weiche Packungen am Markt ebenso wie Großpackungen mit mehr als 19 Zigaretten. Auch beim Geschmack versprechen die Hersteller Nuancen-Unterschiede. So sind derzeit rund acht unterschiedliche Packungen der Marke Gauloises am Markt, Lucky Strike ist in fünf Versionen in den Geschäften vertreten, von Marlboro gibt es sieben unterschiedliche Schachteln. Künftig dürfte davon nur noch je eine Packung in den Geschäften ausliegen. In der Zigarettenindustrie würden diese Pläne auf erbitterten Widerstand stoßen: Sie sähe sich massiv dabei behindert, neue Tabakprodukte auf den Markt zu bringen und entsprechend zu bewerben.

Die Kommission plant darüber hinaus, bestimmte Inhaltsstoffe in Zigaretten ganz zu verbieten. Es geht um Geschmacksstoffe, die den Tabakgeschmack komplett überlagern und von Herstellern seit einigen Jahren verstärkt auf den Markt gebracht werden.

Schoko oder Vanille: Aromen sollen verboten werden

Diese Zusätze zum Tabak sorgen etwa dafür, dass die Zigarette nach Vanille, Schokolade oder auch exotisch nach Caipirinha, Mango oder Guarana schmeckt. Diese Aromastoffe sollen künftig strikt verboten werden, ebenso wie Zusatzstoffe, die mit Energie oder Vitalität in Verbindung gebracht werden wie zum Beispiel Coffein oder Vitamine. Auch Menthol-Zigaretten, die hierzulande eher bei älteren Rauchern noch recht beliebt sind, könnten künftig unter ein derartiges Verbot fallen. Die Kommission geht davon aus, dass diese Geschmacksstoffe Jugendlichen den Zugang zu Zigaretten erleichtern und sie damit schneller süchtig werden lassen.

Derzeit werden diese Pläne des EU-Gesundheitskommissars für eine Tabakproduktrichtlinie von einem gesonderten vierköpfigen EU-Gremium geprüft. Danach bekommen die anderen EU-Kommissare Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Beobachter in Brüssel gehen davon aus, dass der EU-Gesundheitskommissar im Herbst dann offiziell seinen Vorschlag vorlegen wird. Die Industrie darf sich kaum Hoffnung machen, dass die Richtlinie vom Europaparlament noch entschärft wird. Im Gegenteil: Bei der letzten Tabakproduktrichtlinie hat das Parlament gegenüber den Vorschlägen der Kommission noch draufgesattelt.

Unterdessen steigt der Druck aus den EU-Mitgliedsländern, eine möglichst strenge Richtlinie zu verabschieden. Unserer Zeitung liegt ein Brief von acht nationalen Gesundheitsministern vor, die Dalli zu strengem Handeln auffordern. Zu den Unterzeichnern gehören die Gesundheitsminister von England, Irland und Frankreich, Deutschland ist nicht dabei.