Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen unterhalten sich in Berlin zu Beginn der CDU/CSU-Fraktionssitzung im Bundestag. Foto: dpa

Innenpolitisch und auf europäischem Parkett ist die Kanzlerin durch die Flüchtlingskrise angeschlagen. Nun setzt sie ganz auf die Türkei. Ob das funktioniert, wird sich beim Gipfel in Brüssel zeigen.

Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht den Erfolg des EU-Gipfels in Brüssel ganz davon abhängig, ob es gelingt, die Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise voranzubringen. Merkel sagte am Dienstag in Berlin, nur so könnten Fluchtursachen bekämpft und der Schutz der Außengrenze verbessert werden. Nicht entscheidend für den Gipfel sei es dagegen, über weitere Kontingente zur Verteilung der Flüchtlinge zu sprechen.

Vor dem Gipfel kommt am Donnerstag in Brüssel ein sogenannter „Club der Willigen“ einschließlich Merkel mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu zusammen. Dabei geht es um die Umsetzung des im Herbst beschlossenen EU-Türkei-Aktionsplans zur Reduzierung der Fluchtbewegungen, für den drei Milliarden Euro bereitstehen.

„Ich setze meine ganze Kraft am Donnerstag und Freitag darauf, dass sich der europäisch-türkische Ansatz als der Weg herausstellt, den es sich lohnt weiterzugehen“, sagte Merkel. Die Alternative wäre die Schließung der griechisch-mazedonisch-bulgarischen Grenze - „mit allen Folgen für Griechenland und die Europäische Union insgesamt und damit den Schengen-Raum“. Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei hatten angekündigt, „die illegale Wirtschaftsmigration an den Grenzen von Mazedonien und Bulgarien aufzuhalten“, falls Griechenland und die Türkei den Zustrom nicht stoppen könnten.

In Sachen Quote sieht es düster aus

Zur umstrittenen Quote für eine faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa zeigte sich Merkel angesichts bisheriger Erfolglosigkeit pessimistisch. „Wir würden uns im übrigen auch ziemlich lächerlich machen“, sagte Merkel und verwies darauf, dass von 160.000 Flüchtlingen, deren Verteilung 2015 beschlossen worden war, bisher nicht einmal 1000 untergebracht worden seien.

Die Unionsfraktion im Bundestag bemüht sich unterdessen, den Erfolgsdruck auf die angeschlagene Kanzlerin zu mindern. Sowohl Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) als auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt (CSU) legten sich am Dienstag in Berlin nicht auf konkrete Ergebnisse für den Gipfel fest. Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte aber mit Blick auf Syrien: „Gerade in dieser schwierigen Situation, die wir im Nahen Osten sehen, muss Europa sich als handlungsfähig beweisen.“

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte auf die Frage, ob die Kanzlerin beim Gipfeltreffen in Brüssel eine europäische Einigung zur Lösung der Flüchtlingskrise hinbekomme, er sehe keinen Grund zu „übergroßem Optimismus“. Dem Sender n-tv sagte er: „Ich habe immer gesagt: Es gibt nicht die eine Entscheidung, das eine Rezept.“ SPD- Fraktionschef Thomas Oppermann meinte, für die Kanzlerin werde es schwierig. „Sie muss kämpfen, aber dafür hat sie unsere volle Unterstützung“

Kretschmann will Bleiberecht für 20.000

Die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten um Marokko, Tunesien und Algerien stellt die schwarz-rote Regierung unterdessen vor neue Probleme. CDU und CSU warfen dem Koalitionspartner vor, den Gesetzentwurf nicht schon in dieser Woche behandeln zu wollen. Grund sei Rücksicht auf die Grünen sowie auf SPD-Ministerpräsidenten mit grünen Koalitionspartnern. Mindestens zwei grün-mitregierte Länder müssten dem im Bundesrat zustimmen.

Der baden-württembergische Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann setzt sich in diesem Zusammenhang für ein Bleiberecht für bis zu 20.000 Ausländer ein, die seit langem in Deutschland geduldet werden. Es sei nicht vernünftig, Ausländer in ihre Heimatländer zurückzuschicken, die in Deutschland Wurzeln geschlagen hätten.

Auf eine Vorhersage, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr nach Deutschland kommen werden, will sich die Bundesregierung nicht festlegen. „Zum derzeitigen Zeitpunkt ist es nicht möglich und hilfreich, eine seriöse Prognose für das Jahr 2016 zu erstellen“, erklärte das Bundesinnenministerium. Die „Rheinische Post“ hatte berichtet, die Bundesregierung rechne 2016 mit etwa 500.000 Flüchtlingen.