Italiens Premierministerin Giorgia Meloni bekommt in Brüssel die Grenzen ihrer Macht aufgezeigt. Foto: AFP/LUDOVIC MARIN

Italien darf nicht den demokratisch zweifelhaften Weg von Ungarn gehen. Die EU kann das verhindern, macht gerade aber das Gegenteil, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Giorgia Meloni schäumt vor Wut. Über Monate wird die italienische Premierministerin von einflussreichen EU-Größen hofiert, um dann wie ein kleines Mädchen abgekanzelt zu werden, wenn in Brüssel hinter verschlossenen Türen die wichtigen Entscheidungen fallen. Tatsächlich hat die Italienerin beim Treffen der Staats- und Regierungschefs einen für sie ernüchternden Crashkurs in EU-Machtpolitik erhalten. Sie selbst bezeichnet es als das Treiben von „Oligarchen“. Bundeskanzler Olaf Scholz kontert zurecht, dass die demokratische Mehrheit über die Vergabe der Spitzenpositionen entschieden habe.

Giorgia Meloni überschätzt ihren Einfluss

Zweifellos hat Meloni ihren eigenen Einfluss in Europa überschätzt. Allerdings ist es fraglich, ob der auf dem Gipfel praktizierte, rücksichtslose Umgang mit ihr wirklich weitsichtig ist. Denn Meloni hat seit ihrer Wahl Ende 2022 gezeigt, dass sie auf europäischer Ebene bemüht ist, Kompromisse zu finden. Gegen sie spricht allerdings, dass die postfaschistische Regierungschefin gleichzeitig dran arbeitet, den Staat nach ihrem Gutdünken umzubauen.

Aus Brüssel nur dröhnendes Schweigen

Aus Brüssel war dazu bisher vor allem ein dröhnendes Schweigen zu vernehmen. Meloni muss in aller Klarheit deutlich gemacht werden, dass ihr Einfluss im Reigen der maßgeblichen Staaten größer ist und sie die Vorteile der Union nur genießen kann, wenn sie sich zuhause an die Regeln von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pressefreiheit hält. Im Fall des inzwischen autokratisch regierten Ungarn hat die Union einst kläglich versagt. Die EU kann nun beweisen, dass sie daraus die Lehren gezogen hat und mit Italien einen freundlichen, offenen, aber auch harten Dialog führt.