Kanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras. Foto: dpa

Bundeskanzlerin Merkel dringt beim Gipfel in Brüssel darauf, die EU-Außengrenzen besser zu schützen. Bis Mitte 2016 wollen die EU-Staaten Frontex ausbauen. Die Türkei führt unterdessen eine Visumpflicht für Syrer ein.

Brüssel - In der Flüchtlingskrise geben die EU-Staats- und Regierungschefs ein deutliches Signal zum verstärkten Schutz der gemeinsamen Außengrenzen. Die Mitgliedsländer wollen sich bis Mitte 2016 auf den Ausbau der EU-Grenzschutzbehörde Frontex verständigen, beschloss der EU-Gipfel am Donnerstagabend in Brüssel.

Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte sich dafür ein, dass dies zügig bis zum Abschluss der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft Ende Juni vorankommen soll. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass EU-Grenzschützer notfalls auch gegen den Willen eines Landes eingesetzt werden können, um die Außengrenzen zu schützen. Vor dem Gipfel hatten Länder wie Polen und Ungarn Widerstand signalisiert. Es wird noch mit harten Debatten gerechnet.

Visumpflicht für Syrer in der Türkei

Die EU-Chefs wollen laut Abschlusserklärung auch dafür sorgen, dass die Registrierungszentren für Flüchtlinge in Griechenland und Italien besser arbeiten. Sie fordern auch die ständigen EU-Botschafter auf, sich endlich auf Einzelheiten der Finanzierung von drei Milliarden Euro zu einigen, die an die Türkei zur Unterstützung syrischer Flüchtlinge fließen sollen. Am Abend debattierte die Gipfelrunde über die Reformforderungen des britischen Premiers David Cameron. Er biss mit einem zentralen Anliegen auf Granit.

Die Türkei will den Zustrom von Flüchtlingen aus Syrien mit einer Visumspflicht bremsen. Diese soll vom 8. Januar an gelten, wie Ministerpräsident Ahmet Davutoglu in Brüssel ankündigte. Zugleich werde die Tür für Menschen offenbleiben, die klar als Flüchtlinge erkennbar seien, sagte ein ranghoher türkischer Regierungsvertreter der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. Mit dem Vorstoß reagiere die Türkei darauf, dass über Ägypten und den Libanon immer mehr Leute mit gefälschten syrischen Pässen ins Land kämen.

In der Türkei sind bereits rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien untergekommen. Am Rande des EU-Gipfels versammelte sich der „Club der Willigen“ aus elf europäischen Ländern, die Ankara Flüchtlingskontingente abnehmen wollen. Zahlen wurden nicht genannt. Davutoglu forderte, die Umsiedlung von Syrern aus der Türkei in EU-Staaten zu beginnen und insgesamt großzügiger vorzugehen.

Bei dem freiwilligen Programm können alle 28 Mitgliedstaaten mitmachen, aber vor allem Osteuropäer sperren sich. Die niederländische EU-Ratspräsidentschaft, die vom 1. Januar an die Amtsgeschäfte der Union führt, wird eine Arbeitsgruppe einsetzen.

Cameron befürchtet Referendum gegen EU

Zum „Club der Willigen“ kamen außer Merkel und Davutoglu auch Spitzenvertreter aus Österreich, Luxemburg, Griechenland, Schweden, Belgien, Finnland, Slowenien, Portugal, Frankreich und den Niederlanden.

Cameron stieß bei einer abendlichen Gipfel-Debatte vor allem mit dem Plan auf Widerstand, dass zugewanderte EU-Bürger mindestens vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben müssen, bevor sie einen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen bekommen. „Wir können nicht hinnehmen, dass unsere Bevölkerung diskriminiert wird“, warnte Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite.

Der konservative Herr von Downing Street 10 sprach laut Diplomaten rund 40 Minuten lang in der Gipfelrunde. Er habe davor gewarnt, dass die starke Einwanderung die Briten dazu bewegen könnte, bei dem bis Ende 2017 geplanten Referendum gegen den Verbleib in der EU zu stimmen.

Viele EU-Zuwanderer auf der Insel kommen aus Osteuropa, aber auch aus dem Süden des Kontinents. Die EU lässt sich auf Reformverhandlungen ein, um Großbritannien in der Union zu halten. Eine Lösung wird für den Februar-Gipfel angestrebt. Cameron sagte: „Wir machen keinen Druck für einen Deal heute, aber wir machen Druck für echte Bewegung.“

Kernpunkt Umsiedlung der Flüchtlinge

Der Gipfel sollte auch Impulse geben, damit die vor rund drei Monaten vereinbarte Umsiedlung von Flüchtlingen innerhalb der EU beschleunigt wird: Von der vereinbarten Zahl von 160.000 Migranten fanden nach jüngsten Angaben gerade einmal 232 einen neuen Wohnsitz.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hält nicht viel von der Idee, Mitgliedsländer mit finanziellem Druck zur schnelleren Umsetzung der vereinbarten Verteilung von Flüchtlingen zu zwingen. „Ich mag diese Drohegebärde nicht so“, sagte der Luxemburger. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hatte zuvor angedeutet, dass finanzielle Konsequenzen für Länder denkbar seien, die keinen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise leisten wollten.