Feuerwehr im Einsatz – hier beim Brand auf dem Gelände einer Elektronikfirma im Industriegebiet von Niedernhall Foto: dpa

Die Feuerwehren sind verunsichert, weil die neue EU-Abgasnorm für ihre Fahrzeuge im Normalbetrieb nicht einzuhalten ist. Stuttgarter Berufsfeuerwehr warnt vor „realem Problem“.

Stuttgart/Berlin - Die Feuerwehren im Land stehen vor einem handfesten Problem. Kein hausgemachtes – es kommt aus Brüssel und heißt „Euro-Abgasnorm 6“ für Lastkraftwagen. Die ist seit September 2014 in Kraft und eigentlich eine gute Sache. Die höheren Anforderungen machen die Ausstattung mit Rußfilteranlagen notwendig, die den Schadstoffausstoß weiter reduzieren. Das genau ist das Ziel.

Fahrzeuge im Langstreckenbetrieb, etwa Speditions-Lkw, haben keine Schwierigkeiten. Der Rußpartikel-Filter wird während der Fahrt regeneriert, wenn der Motor eine entsprechende Temperatur erreicht. Die Sache hat aber einen Haken: Bei Fahrzeugen, deren Motor diese Temperatur nicht schafft, weil sie nur kurze Strecken fahren, kann der Rußfilter eben nicht regenerieren. Was hat das mit der Feuerwehr zu tun? Viel, denn ihr Standort-Netz ist – zum Glück – so dicht geknüpft, dass der Weg zum Einsatzort stets kurz ist, wenige Kilometer.

Einsatzfahrzeuge kommen nur selten auf notwendige Temperatur

Das ist der Punkt, der den Feuerwehren Sorgen bereitet. Da ihre Einsatzfahrzeuge nur sehr selten auf die notwendige Temperatur kommen, stehen sie vor allesamt schwer akzeptablen Alternativen: Entweder die Fahrzeuge müssten nach jedem Einsatz noch warmgefahren werden, damit die Auspuffanlage die notwendige Temperatur schafft. Das ist ökologisch unsinnig, zudem müssen die Feuerwehrfahrzeuge in der Gemeinde bleiben, für dessen Schutz sie beschafft wurden. Kann aber während der Fahrt nicht regeneriert werden, besteht die Gefahr, dass sich die automatische Regeneration selbstständig einschaltet – schlimmstenfalls mitten im Einsatz: Dann steht die Feuerlöschkreiselpumpe still und die Drehleiter auch.

Bei den Verantwortlichen der Wehren hat das zu erheblicher Beunruhigung geführt. Wer heute neue Fahrzeuge beschaffen will, muss von der Ausschreibung bis zur Lieferung mit einem Vorlauf von 18 Monaten rechnen. Noch gilt in Baden-Württemberg eine Ausnahmeregelung. Bis Ende 2016 werden neue Feuerwehrfahrzeuge noch mit der Euro-5-Norm zugelassen. Wer jetzt über die Anschaffung eines neuen Löschfahrzeugs nachdenkt, muss das alles berücksichtigen.

Roman Weiß tut das gerade. Er ist der Bürgermeister der Gemeinde Erkenbrechtsweiler. Er will wissen, worauf er sich einstellen muss und ob bis Ende 2016 die technischen Probleme gelöst sind. Auch beim Landesfeuerwehrverband Baden-Württemberg hat er schriftlich angefragt. „Es handelt sich um ein großes Problem, und ich kann nicht sagen, dass die Fragen geklärt sind“, sagt Willi Dongus, der Geschäftsführer, unserer Zeitung. Man merkt ihm seine Verärgerung durchaus an. „Da wurden Euro-Normen beschlossen, aber an die Situation der Feuerwehr hat keiner gedacht.“

In der neuen Norm "ökologisch keinen Nutzen"

Auch Christian Schwarze, Leiter der technischen Abteilung bei der Stuttgarter Feuerwehr, spricht von einem „realen Problem“. Er sieht in der neuen Norm auch ökologisch keinen Nutzen. „Euro 6 erreicht bei Fahrzeugen, die eine normale Betriebstemperatur erreichen, bessere Werte. Aber unsere Fahrzeuge kommen für kurze Strecken aus der kalten Halle. Für diese Strecken sind die tatsächlichen Abgaswerte bei Euro 6 nach allen vorliegenden Informationen deutlich schlechter als bei dem bisherigen Standard.“ Er empfiehlt, bei der Bestellung neuer Fahrzeuge den Hersteller ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass keine unangemeldete automatische Regenerierung vorgenommen wird.

Die Alternative: Die Fahrzeuge müssten eben mehrmals Jahr im Stand auf hohe Umdrehungen gebracht werden – über einen Zeitraum von rund 45 Minuten. Schwarze: „Wie sinnvoll auch das aus ökologischer Sicht ist, ist dann wieder eine ganz andere Frage. Im Vergleich zur Euro 5 ist das für uns definitiv ein Rückschritt.“ Schwarze weist darauf hin, dass die Feuerwehren derzeit in den Ländern unter ganz unterschiedlichen Voraussetzungen planen müssten. In manchen Ländern gelten Ausnahmeregelungen unbefristet, in anderen – wie im Südwesten – nur bis Ende 2016. „Eine einheitliche Regelung wäre wünschenswert.“

Flickenteppich an Ausnahmeregelungen

Das Landesverkehrsministerium sagt den Stuttgarter Nachrichten: „Die Probleme mit der Regeneration sind hier bekannt.“ Das Ministerium setze darauf, „dass sich Änderungen beim Regenerationsverfahren ergeben, so dass künftig gefahrlos regeneriert werden kann“. Das Prinzip Hoffnung. Vielleicht ein bisschen wenig, wenn das die Basis für die Investitionsentscheidung einer Kommune sein soll. Jedoch teilt das Ministerium auch mit: „Sollte sich bis Ende 2016 keine Änderung ergeben, wird dann neu über eine Ausnahmeregelung zu entscheiden sein.“

Und der Flickenteppich an Ausnahmeregelungen? Das Stuttgarter Verkehrsministerium verweist darauf, dass der Bund erwäge, „verschiedene Ausnahmefälle“ in eine bundesweite Verordnung zur Umsetzung von Euro 6 in nationales Recht aufzunehmen. Seltsam.

Das Bundesverkehrsministerium teilt den Stuttgarter Nachrichten schriftlich mit: Die Notwendigkeit einer allgemeinen Ausnahmeverordnung“ durch den Bund für Fahrzeuge der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes sei „hinsichtlich Euro 6 nicht gegeben“. Das macht Erkenbrechtsweilers Bürgermeister Weiß nicht schlauer: Nach wie vor kann mir niemand sagen, wie die Probleme zu lösen sind.“ Auch Willi Dongus vom Feuerwehr-Verband kann ihm da nicht helfen. „Ich kann dem Bürgermeister keine Antworten geben, die müssen die Herren Dobrindt und Hermann geben.“