Ethan Hawke und Julie Delpy in „Before Midnight“ Foto: Sony Pictures Classice

Im Neun-Jahres-Rhythmus schreiben Kino-Regisseur Richard Linklater sowie die Schauspieler Ethan Hawke und Julie Delpy die Fortsetzung einer Liebesgeschichte. Nach „Before Sunrise“ und „Before Sunset“ sind sie nun in „Before Midnight“ an einem kritischen Punkt der Beziehung angelangt.

Berlin - Im Neun-Jahres-Rhythmus schreiben Kino-Regisseur Richard Linklater sowie die Schauspieler Ethan Hawke und Julie Delpy die Fortsetzung einer Liebesgeschichte. Nach „Before Sunrise“ und „Before Sunset“ sind sie nun in „Before Midnight“ an einem kritischen Punkt der Beziehung angelangt.


Frau Delpy, Herr Hawke, wessen Idee waren die Nacktszenen?
Hawke: Das war natürlich meine Idee. Ich sagte: Julie, wenn wir deine Brüste nicht in einem dieser drei Filme nackt sehen, dann höre ich auf. Für mich gehört diese Szene zur schönsten im ganzen Film. Eine barbusige Frau, die am Telefon mit ihrem Stiefkind über dessen Wissenschaftsprojekt plaudert und ihr Leben organisiert, hat absolut nichts Voyeuristisches an sich. Delpy: Zudem entspricht das doch völlig der Wirklichkeit. Wer würde sich im realen Leben etwas anziehen, nur weil das Telefon klingelt? Wenn das in den meisten anderen Filmen so gezeigt wird, wirkt das doch ebenso lächerlich wie Sexszenen, bei denen die Frau stets züchtig ihren BH anbehält.

Wie sieht die Rollenverteilung beim Schreiben aus?
Hawke: Wir helfen uns alle drei gegenseitig. Wenn Richard Linklater für Jesse einen Dialog schreibt, kann es passieren, dass ihn Julie ziemlich dumm findet. Dann suchen wir nach Möglichkeiten, dass Jesse sich smarter ausdrückt. Oder wir sagen ihr umgekehrt: Das würde ein Mann niemals so sagen. Delpy: Einen Wettbewerb zwischen uns gibt es nicht, entscheidend ist nur, dass wir gemeinsam die richtige Balance für die Figuren finden. Schließlich soll unser Film Frauen und Männer gleichermaßen ansprechen.

Der Dialog im Auto dauert schier endlos, wie haben Sie das gedreht?
Delpy: Ich bin Schauspielerin, seit ich 14 Jahre bin, und habe einige Erfahrung. Eine Szene wie diese gehört zum Schwierigsten überhaupt und bedeutet mehr Arbeit als alles andere. Hier läuft eine Achterbahn der Gefühle, aber man kann diese Emotionen nicht ausdrücken, indem man heult oder schreit. Wir reden nur, diese Unterhaltung ist jedoch so intensiv, dass diese Szene zum echten Albtraum für die Schauspieler wird.

Wie oft kann man so eine Szene proben, ohne dass sie ihre Frische verliert?
Hawke: Die Lösung besteht darin, dass man mit verschiedenen Leuten die Texte durchspielt und die gemeinsamen Proben auf ein Mindestmaß beschränkt. Nur so lässt sich erreichen, dass die Szenen natürlich wirken.

Wie sehr spiegeln Celine und Jesse echte Paarbeziehungen?
Delpy: Wenn man eine Geschichte aufrichtig erzählt und die Zuschauer nicht mit Tricks zu Emotionen manipuliert, kann das Publikum mit den Figuren etwas anfangen und sich darin wiederfinden. Die Probleme müssen gar nicht unmittelbar etwas mit dem eigenen Leben zu tun haben, entscheidend ist die Ehrlichkeit der Darstellung. Letztlich haben alle Menschen die gleichen Wünsche und Ängste: 99 Prozent von uns möchten geliebt werden – abgesehen von Ethan Hawke, der sich selbst so sehr liebt, dass er dafür niemand anderen braucht! (Lacht.)

Ist Streit nützlich für eine gute Ehe?
Hawke: Julie hat doch überhaupt keine Ahnung, was eine gute Ehe ist (lacht). Im Ernst, wir sind keine idealen Ratgeber für Beziehungsfragen, wir haben beide genügend damit zu tun, unsere eigenen Beziehungen am Laufen zu halten. Delpy: Für mich arbeiten daran vier Therapeuten – und zwar rund um die Uhr! (Lacht.)

Nimmt mit dem Alter die Weisheit zu?
Hawke: Das ist ganz unterschiedlich. Manche werden weiser, andere neurotischer. Ich würde sagen, dass die Herausforderungen sich mit Sicherheit verändern. Über Gesundheit und Gebrechlichkeit macht sich mit 18 Jahren niemand Sorgen. Dennoch finde ich mein Leben heute viel interessanter als mein Leben früher. Als Jugendlicher war ich sehr unsicher und oft unglücklich. Diese Probleme plagen mich heute nicht mehr.

Ist Celine die ideale Mutter?
Delpy: Mir gefällt an Celine, dass sie ihre Karriere nicht aufgibt, nur weil sie Kinder hat. Man erlebt ja oft genug, dass Frauen deswegen ihre Träume aufgeben und sich mit dem Leben am Herd begnügen. Ich habe absolut nichts gegen Frauen, die sich auf die Erziehung ihrer Kinder konzentrieren. Aber wenn diese Mutterrolle allein aus Sachzwängen heraus übernommen wird, finde ich es deprimierend.

Wie handhaben Sie das selbst?
Delpy: Meine Mutter war eine erklärte Feministin und hat ihr Leben lang gearbeitet. Dennoch hat es mir an Liebe nie gefehlt, ich hatte ein wunderbares Elternhaus. Seit ich selbst einen Sohn habe, merke ich erst, wie schwierig es ist, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Klar gibt es Kindermädchen. Aber es gibt auch ständig das Gefühl von Schuld oder des Vernachlässigens. Das ist völlig verrückt – welcher Mann würde sich schuldig fühlen, wenn er zwei Wochen verreist? Hawke: Ich! (Lacht.) Ich habe vier Kinder aus zwei Ehen und weiß, dass diese Probleme sehr real sind. Feminismus klingt gut, bis das erste Kind kommt. Erst dann erkennen viele Frauen, wie die Welt orientiert ist. Und plötzlich beginnt er Streit darüber, wer mehr von seiner Karriere aufgibt, wer öfters zum Einkaufen geht . . . Solche Probleme wollten wir darstellen, denn meist werden sie in romantischen Komödien ausgeblendet.

Wird die Lovestory weitergehen?
Hawke: Ich bin nicht sicher, wir drei müssten gemeinsam gute Gründe dafür finden. Allerdings fände ich es eine faszinierende Vorstellung, wenn alle paar Jahre ein weiterer Teil hinzukommt und sich die Geschichte wie eine Novelle weiterentwickelt.