Caritas und Diakonie haben die geplanten Streichungen im Sozialhaushalt des Landkreises einhellig kritisiert und vor den Folgen gewarnt.
Die Lage ist ernst. Sollten die geplanten Einsparungen im Haushalt des Landkreises eine Mehrheit im Kreistag finden, müssten die Katholische und Evangelische Kirche die meisten ihrer Sozialdienste bei der Caritas und bei der Diakonie einstellen. Dazu würden etwa die Suchtberatung und die Ehe-, Familien- und Lebensberatung gehören. Viele niederschwellige Angebote für Menschen in Not würden wegfallen, sowie professionelle Unterstützungsmaßnahmen, die auch spätere Folgekosten vermeiden.
Caritas und Diakonie sollen 1,7 Millionen sparen
Nach der ersten Einbringung des Haushaltsplans 2026 des Landkreises sollen insgesamt etwa 16 Millionen Euro eingespart werden, davon 1,7 Millionen bei Caritas und Diakonie. Das ist insofern bemerkenswert, als der Landkreis beispielsweise über die „Familientreffarbeit“ in den Jahren 2008, 2014 und 2020 selbst Evaluationsstudien in Auftrag gegeben hat. Diese zeigten, dass durch die Prävention schwer erreichbare Zielgruppen „frühzeitig an ein Hilfesystem angebunden werden können, was Folgekosten verhindert“. In einer weiteren Studie aus Bayern wurden sowohl die Wirksamkeit der Suchtberatung als auch die deutliche Reduzierung der Folgekosten belegt.
Bei einem Pressegespräch erläuterten die Vertreter der beiden Kirchen, Dekan Martin Ehrler und Dekan Hartmut Zweigle, zusammen mit den Vertretern ihrer beiden Dienste, Caritas-Regionalleiter Fils-Neckar-Alb Franz-Xaver Baur und Diakonie-Geschäftsführer Sascha Lutz der Bezirksstelle Geislingen-Göppingen, die Folgen der geplanten Streichungen. Ehrler sagte: „Wir stehen als Kirche für die, die nicht selbst für sich sorgen können.“ Hinter den Zahlen stehe die Unterstützung einzelner Menschen in einer Notlage durch die Beratungsstellen, bei denen man eigentlich noch viel mehr Stellen bräuchte. Zweigle betonte, dass soziales Engagement „nichts Nachgeordnetes, sondern etwas Fundamentales“ für die Kirchen sei. Sie könnten allerdings nicht mehr als die ohnehin schon gegebenen 1,6 Millionen Eigenmittel aufbringen. Das Geld, das durch den Landkreis wegfiele, könne nicht kompensiert werden.
Tausende sind auf Hilfe angewiesen
Baur und Lutz erläuterten die Folgen im Detail. 2024 gab es in der Psychologischen Beratung der Caritas in Geislingen 612 Fälle mit 986 Menschen. Darin enthalten ist die Erziehungsberatung, was eine weisungsfreie Pflichtaufgabe des Landkreises ist, sowie die Ehe-, Familien- und Lebensberatung. In der Diakonie gab es 200 Fälle und in der Suchtberatung und Prävention etwa 1000 Menschen pro Jahr. Der Landkreis unterhält selbst eine psychologische Beratungsstelle. Die Suchtberatung im Landkreis gibt es seit 60 Jahren, ebenfalls eine weisungsfreie Pflichtaufgabe des Landkreises. Bei der Caritas müssten 8,4 Stellen gestrichen werden und bei der Diakonie 11,7 Stellen. „Die Wartezeiten bei allen Beratungsstellen sind lang“, sagte Lutz. Jetzt schon reichten die Angebote kaum aus. Die komplexeren Fälle hätten zugenommen und die Beratungsstellen fingen Menschen auf, sodass es gar nicht erst zu Notfällen komme. Sie stabilisierten Menschen während der Wartezeit etwa für einen Klinikaufenthalt, sodass das System entlastet werde. Davon profitieren die Menschen im Landkreis. „Ich verstehe nicht, dass man ein bewährtes System zerschlagen will“, so Lutz. Es habe im vergangenen Jahr schon eine Deckelung gegeben.
Auch Tafelläden und Vesperkirche betroffen
Caritas und Diakonie seien unabhängige Beratungsstellen, unterstrich Baur. Sie kümmern sich um Hilfesuchende, unabhängig von Weltanschauung, Religion und Herkunft. Die beiden Kirchen geben ihre Mittel auch in andere Dienste für Menschen in Not, wie etwa in Tafelläden, Diakonieläden, Vesperkirche, Schwangerenberatung, Kurberatung, Zebra und allgemeine Sozialberatung. Zusätzlich sind etwa 320 Ehrenamtliche bei der Caritas und der Diakonie in die Arbeit eingebunden. In der genannten Studie ist nachgewiesen, dass durch die Dienste mit gut ausgebildetem Fachpersonal, das man nicht einfach umschichten könne, Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit, Chronifizierung und Kriminalität verhindert werden. Die Verantwortlichen der beiden Kirchen hoffen, dass die Dienste nicht sterben und Mitarbeiter nicht entlassen werden müssen.
Haushaltsberatung im Kreistag
Etatlesung
An diesem Freitag, 7. November, findet im Kreistag die zweite Lesung des Kreishaushalts statt. Dabei handelt es sich um die Erwiderungen (Haushaltsreden) der Fraktionen auf den Etatentwurf von Landrat Markus Möller. Die öffentliche Sitzung im Hohenstaufen-Saal des Landratsamts beginnt um 14 Uhr.
Online-Petition
Der Kreisjugendring hat aus Protest gegen die Sparpläne eine Online Petition gestartet. Unter dem Titel „#LöwenherzStattSparpolitik – Starke Jugend. Starker Landkreis“ fordert der Verband, der Kreistag solle die geplanten Kürzungen und Einsparungen im Bereich der Jugendhilfe, der Jugendarbeit und Prävention für den Haushalt 2026 zurücknehmen. Die bisherigen Fördermittel müssten mindestens auf dem aktuellen Niveau fortgeführt werden.„Prävention, Beratung und Jugendarbeit sind keine Sparposten – sie sind das Rückgrat einer funktionierenden Gesellschaft“, heißt es weiter.