Ursula Hofmann pflegt ihre behinderte Tochter Anne zu Hause. Foto: Nora Hofmann

Die Esslingerin Ursula Hofmann wird für ihre langjährige Unterstützung von Familien mit behinderten Kindern mit dem Preis der Freimaurer geehrt. Die 57-Jährige hat vor rund zwölf Jahren den Verein Rückenwind gegründet.

Esslingen - Ursula Hofmann hat kein Problem damit, immer wieder anzuecken. Wenn die Esslingerin um die Rechte und Entlastung für pflegende Eltern behinderter Kinder kämpft, geht sie keiner Konfrontation mit Behörden und Institutionen aus dem Weg. Neben ihrer Unermüdlichkeit bringt sie viel Erfahrung mit, denn die 57-Jährige ist selbst Mutter einer mehrfach schwerbehinderten, 16 Jahre alten Tochter. Bereits 2006 gründete sie einen Elterntreff für Familien mit behinderten Kindern, der sich schließlich vor drei Jahren zum Verein „Rückenwind Esslingen“ entwickelte. Für ihr langjähriges Engagement wird Ursula Hofmann am 14. Oktober von der Esslinger Freimaurerloge „Zur Katharinenlinde“ mit dem „Dr.-Gotthilf-Schenkel-Preis für Mitmenschlichkeit“ ausgezeichnet.

Eine Behinderung war nicht zu erkennen

„Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner“, ist einer von Ursula Hofmanns Leitsätzen. Sie weiß, wovon sie spricht. Als im November 2001 ihre Tochter Anne als jüngstes ihrer vier Kinder geboren wurde, war die Welt zunächst noch in Ordnung. Eine Behinderung sei nicht zu erkennen gewesen, „aber sie entwickelte sich nicht wie ein normales Kind“. Ein sehr seltener Gendefekt ist wohl die Ursache für die schwere komplexe Behinderung, durch die Anne lebenslang auf Betreuung und Pflege angewiesen sein wird. Nachdem sie und ihre Familie den Schock über die niederschmetternde, das Leben komplett verändernde Tatsache überwunden hatte, musste Ursula Hofmann schmerzlich erfahren, dass man „durch alle Netze fällt, wenn man ein behindertes Kind ohne genaue Diagnose hat“. Sie fühlte sich mit ihrem Schicksal allein gelassen, wusste nicht, wo sie Unterstützung für die häusliche Betreuung von Anne bekommt. Und sie erfuhr durch den Austausch mit anderen Eltern behinderter Kinder, dass es ihnen ähnlich ergeht.

Damit sei die Idee geboren gewesen, vor rund zwölf Jahren innerhalb des Esslinger Vereins für Körperbehinderte eine Elterngruppe zu gründen – unter dem Namen Rückenwind – „das klingt nicht gleich nach Behinderung“, sagt Ursula Hofmann. Was als kleiner Treff für betroffene Mütter begann, wuchs schließlich zu einem eigenständigen Verein.

Wichtige Anlaufstelle für betroffene Familien

Inzwischen ist „Rückenwind“ eine wichtige Anlaufstelle für betroffene Familien. Sie erfahren Unterstützung bei alltäglichen Fragen wie jene nach der saugfähigsten Windel, wie man an ein Pflegebett oder einen Toilettenaufsatz kommt, wie man einen Kurzzeitpflegeplatz beantragt, wie und wo Zuschüsse zu erwarten sind oder welche Möglichkeiten des Widerspruchs bleiben, wenn die Krankenkasse ein beantragtes Hilfsmittel ablehnt. Zudem vernetzt der Verein, er verschafft Kontakte, informiert und bietet einen Austausch – unabhängig von der Art der Behinderung und dem Alter des Kindes. Er hat inzwischen rund 50 Mitglieder aus den Landkreisen Esslingen, Rems-Murr und Göppingen sowie in der Stadt Stuttgart.

Die Arbeit der Initiatorin Ursula Hofmann geht aber weit darüber hinaus. Denn sie ist auch politisch engagiert. Sie gehört unter anderem seit Anfang August dem Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen an, wo sie in den Fachausschuss Sorgearbeit berufen wurde. Dort setzt sie sich für bessere Bedingungen für die ihrer Ansicht nach „noch immer wenig wertgeschätzten“ Pflege durch Mütter ein. Vor allem diesen drohe die Altersarmut, weil ihnen der Wiedereinstieg in den Beruf „durch völlig unzureichende Entlastung und fehlende verlässliche Betreuungsangebote unmöglich gemacht wird“. Den Preis der Esslinger Freimaurer kann Ursula Hofmann am Sonntag, 14. Oktober, zu ihrem Bedauern nicht persönlich entgegen nehmen. Sie habe einen USA-Urlaub mit ihrem Mann gebucht, lange bevor sie von der Auszeichnung erfahren habe. Entsprechend habe sie mit Vorlauf einen Kurzzeitpflegeplatz für Anne organisiert.

Ursula Hofmann kann den Preis nicht persönlich entgegen nehmen

Stellvertretend für sie nehme Gaby Schlecht, die Schatzmeisterin von Rückenwind, an der Verleihung teil. Die Rede habe sie aber bereits geschrieben, sagt Ursula Hofmann, „ich war ohnehin überrascht, dass der Preis direkt an mich und nicht an den Verein gerichtet ist“. Doch ohne sie hätten Familien mit behinderten Kindern viel zu wenig Rückenwind.