Vor dem Landgericht muss sich ein Autofahrer verantworten, der nach einem Unfall flüchtete und seine beiden schwer verletzten Mitfahrer zurück ließ. Foto: dpa/Franziska Kraufmann

Einem 24-Jährigen wird am Landgericht Stuttgart unter anderem versuchter Mord durch Unterlassen vorgeworfen. Er soll nach einem Unfall in Esslingen seine beiden schwer verletzten Mitfahrer zurückgelassen und sich aus dem Staub gemacht haben.

Esslingen - An dem Unfallort in der Esslinger Alleenstraße haben sich am 3. Juni vergangenen Jahres dramatische Szenen abgespielt. Als Anwohner, aufgeschreckt durch einen lauten Schlag, bei dem mit Wucht gegen einen Baum geprallten Audi ankamen, fanden sie zwei schwer verletzte junge Männer vor, wie sie am Mittwoch, dem zweiten Verhandlungstag vor der 9. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart, aussagten. Dass sich der derjenige, der den Unfall verursacht hatte, da bereits aus dem Staub gemacht hatte, sei ihnen erst später bewusst geworden. Der 24-Jährige sitzt seit Montag auf der Anklagebank. Ihm wird versuchter Mord durch Unterlassen, fahrlässige Körperverletzung, Straßenverkehrsgefährdung und Fahrerflucht vorgeworfen.

Fahrer entfernt sich „wie ein Morgenspaziergänger“

Bei der Fortsetzung des außergewöhnlichen Prozesses kamen einige neue Details zutage. So berichtete ein Polizist, der den Beifahrer wenige Stunden nach dem Unfall im Krankenhaus befragte, dieser sei nicht so schwer verletzt gewesen wie zunächst befürchtet. Er habe in einem „regelrechten Redeschwall“ vom Unfall erzählt. Der Fahrer – sein Freund aus Kindertagen – sei „abgehauen, weil er besoffen war und Angst um seinen Führerschein hatte“. In seiner Aussage vor Gericht war der 23-Jährige am Montag weit zurückhaltender und behauptete, er habe nicht gesehen, dass der Fahrer Alkohol getrunken habe. Davon, dass dieser ihn und den lebensgefährlich verletzten Mitfahrer zurückgelassen und damit laut Anklage deren Tod „billigend in Kauf genommen“ hatte, habe er „nichts mitbekommen“.

Wohl aber einige Anwohner, die sahen, wie sich ein Mann kurz nach dem Aufprall vom Unfallort entfernte. Dieser sah offenbar nicht wie ein soeben schwer Verunglückter aus, sondern „wie ein Morgenspaziergänger“, erinnerte sich eine Anwohnerin. Ein Nachbar von ihr konnte sogar beschreiben, wie der „gemütlich“ Richtung Neckar schlendernde Mann bekleidet war.

Zeugen bestätigen Angabe des Angeklagten

Zudem wollte sich der offenbar vom Angeklagten informierte Bruder noch am Unfallort als Verursacher ausgeben. „Das habe ich ihm nicht geglaubt, denn er war völlig unverletzt und wusste gar nicht, was geschehen war“, sagt der Polizist im Zeugenstand. Ein Kollege von der Verkehrspolizei geht zudem davon aus, dass der 24-Jährige deutlich zu schnell in die Kurve gefahren und deshalb von der Fahrbahn abgekommen war. Ein Bordstein sei aus dem Boden gerissen worden, der Baum sei im unteren Drittel nahezu geschält und das Fahrzeug in sich zusammengebrochen: „Da war beim Aufprall schon was dahinter“, so der Polizist. Die Angabe des Angeklagten, ein Smartfahrer sei als Erster zur Unfallstelle gekommen und habe einen Notruf abgesetzt, wurde von Zeugen bestätigt. Der Prozess wird fortgesetzt.