Die Zahl der zu besetzenden Ausbildungsplätze und Stellen für Duale Studenten hat sich gegenüber 2019 bei Festo in Deutschland mehr als halbiert. Foto: Festo

Der Automatisierungsspezialist hat an den Standorten in Esslingen und im Saarland die Zahl der Auszubildenden und der Dualen Studenten deutlich reduziert. Die IG Metall und der Betriebsrat sind alarmiert.

Esslingen - Die Unruhe bei den Betriebsräten und bei der IG Metall ist groß: Die Steuerungs- und Automatisierungstechnik-Firma Festo hat sowohl am Stammsitz Esslingen als auch im Saarland – dort gibt es zwei Werke – die Zahl der Auszubildenden deutlich reduziert. Demnach sei geplant, in diesem Jahr für beide Standorte nur insgesamt 53 Azubis und Duale Studenten einzustellen, 2019 seien es noch 112 gewesen. In den vergangenen Jahren sei die Zahl stetig heruntergeschraubt worden. „Wie ist das zu bewerten im Kontext, dass Arbeitgeber nach Fachkräften rufen?“, fragte Max Czipf, der Gewerkschaftssekretär der IG Metall Esslingen, am Mittwoch bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz.

 

Sind die deutschen Standorte die Verlierer?

Was Betriebsräte und Gewerkschaft hellhörig macht: Weltweit, also im Gesamtunternehmen, bleibt die Zahl der Ausbildungsplätze bei Festo konstant. Eine Firmensprecherin bestätigt das. Sprich: Es gibt eine Verschiebung in Richtung Ausland. „In China oder Bulgarien wird aufgestockt“, erklärt Kaja Helbig, die Betriebsratsvorsitzende in Esslingen, die Verlierer seien indes die deutschen Standorte. Für sie und ihre Kollegen wirft das die Frage auf, in welche Richtung das Unternehmen steuert – und was dies perspektivisch für die hiesigen Niederlassungen bedeutet.

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Marcel Diaw, der Konzernbetriebsratsvorsitzende, wird deutlich: „Wir haben das Gefühl, Festo steht nicht mehr zu 100 Prozent zu den deutschen Standorten.“ Dass in anderen Ländern die Zahl der Ausbildungsplätze steige, während sie hierzulande sinke, „das stinkt gewaltig“. Das Unternehmen habe nach seinen Informationen „ein sehr erfolgreiches Jahr 2021“ gehabt, dass in dieser Phase beim Nachwuchs gespart werde, sei „nicht nachvollziehbar“. Es stehe gar die Frage im Raum, ob „still und heimlich“ ein Personalabbau drohe.

Unternehmen verweist auf Fachkräftebedarf in ausländischen Werken

Eine gewisse Jobangst verbindet daher auch Sören Sossong, der Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Saarbrücken, mit dem Azubi-Rückgang. Man könne sich an zwei Fingern abzählen, dass das Beschäftigungsniveau langfristig so nicht zu halten sei. Für Kaja Helbig ist das alles ein „sehr erschreckendes Signal“. Bei Festo hört sich das anders an. „Wir haben auch in unseren internationalen Werken Bedarf an gut ausgebildetem Fachpersonal“, betont eine Sprecherin. Man strebe weltweit einen einheitlichen Ausbildungsstandard an, daher habe man in den vergangenen Jahren „mit viel Engagement in einigen Ländern zukunftsweisende Ausbildungsinitiativen gestartet und Ausbilder beziehungsweise Auszubildende eingestellt“, teilt sie schriftlich mit. Gleichzeitig habe man nach wie vor einen sehr starken Fokus auf dem Ausbildungsstandort Deutschland, zuletzt sei dort viel in die Qualität investiert worden, auch entstünden neue Ausbildungsberufe. Sie spricht von verlässlichen Zukunftsperspektiven für junge Menschen. „So haben wir seit vielen Jahren eine unbefristete Übernahmegarantie für alle Auszubildenden.“ Zudem habe man bei Festo im vergangenen Jahr zwei Bundesleistungszentren für Mechatronik (Esslingen) und Industrie 4.0 (Rohrbach) eröffnet.

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In den Betriebsräten will man indes erreichen, dass auch die Quantität bei den Azubis wieder steigt. In beiden betroffenen Bundesländern wird getrommelt. Ziel: Druck auf das Unternehmen aufbauen. Während der IG-Metaller Max Czipf auf die Politik zugehen will, hat es unter den Beschäftigten schon Unterschriftensammlungen, Plakataktionen und Umfragen gegeben, heißt es. Auch habe man in den Chefetagen das Gespräch gesucht. „Wir haben es versucht, es bewegt sich sehr wenig“, sagt Arzu Günes, Betriebsrätin in Esslingen und Sprecherin des Ausbildungsausschusses. Sie sagt, die Einschnitte träfen dort vor allem die Ausbildungsangebote im kaufmännischen sowie im technischen Bereich. Dabei seien die Impulse junger Menschen für ein Unternehmen besonders wichtig.

Kostenfaktor oder Investition in die Zukunft?

Ins selbe Horn stößt Chantal Salwa, Jugend- und Auszubildendenvertreterin in Esslingen. „Ich bin der Meinung, dass die Ausbildung nicht als Kostenfaktor gesehen werden soll“, stattdessen spricht sie von einer „Investition in die Zukunft“. Im Hinblick auf den demografischen Wandel brauche man junge Fachkräfte, fügt Martin Roth, Betriebsratschef in Rohrbach, hinzu. Er appelliert an die Verantwortung der Firma.

Das Unternehmen in Zahlen

Ausbildungsstandorte
In Esslingen und auch im Saarland – genauer gesagt in Rohrbach und in Wiebelskirchen – befinden sich Festo-Ausbildungsstandorte. Laut Kaja Helbig, der Betriebsratsvorsitzenden in Esslingen, ist die Zahl der Azubis und Dualen Studenten allerdings in der Vergangenheit deutlich gesunken. Demnach hätten im Spitzenjahr 2019 an beiden Standorten 112 junge Menschen gelernt (davon 78 in Esslingen), im Jahr drauf 90 (63 in Esslingen), im Jahr 2021 nur noch 70 (50 in Esslingen). In diesem Jahr seien nur 53 (36 in Esslingen) angedacht.

Firmenjubiläum
Festo feiert 2025 seinen 100. Geburtstag. Der Konzern beschäftigt weltweit rund 20 000 Mitarbeiter, davon knapp 5000 am Stammsitz Esslingen und rund 2600 im Saarland. Der Umsatz im Konzern wird auf der Festo-Homepage mit 2,84 Milliarden Euro angegeben. Zu den Geschäftszahlen 2021 werden noch keine Angaben gemacht.