Die Grünen-Stadträtin Brigitte Häfele will Nachfolgerin von Markus Raab werden. Foto: oh

Die Grünen-Stadträtin Brigitte Häfele will Nachfolgerin von Markus Raab als Chef der Schul-, Sozial- und Kulturverwaltung werden. Das ist überaus pikant.

Esslingen - Die E-Mail landete am Montag um 18.15 Uhr im Posteingang der Redaktion – und sie birgt gewaltigen Sprengstoff für die Esslinger Grünen: „Ich bewerbe mich als beigeordnete Bürgermeisterin für das Ordnungs-, Sozial-, Kultur- und Schulwesen in Esslingen“, heißt da der erste Satz. In der Mail macht Brigitte Häfele, selber kein Parteimitglied, aber seit zehn Jahren Stadträtin der Grünen und deren Fraktionsmitglied, ihre Ansprüche auf den Posten geltend. In ihrer Bewerbung schreibt sie unter anderem, dass sie seit rund 20 Jahren ehrenamtlich in den Bereichen Bildung, Schule, Kultur und Sport in Esslingen tätig ist.

Besonders pikant: Die 55-jährige Daimler-Ingenieurin ist erklärtermaßen nicht die Wunschkandidatin der Grünen. Die Partei hat nach dem Gewinn der Kommunalwahl im Mai das Vorschlagsrecht für den Posten, der seit dem Rückzug des Amtsinhabers Markus Raab (CDU) vakant ist. Vielmehr haben sich die Grünen in einem am kommenden Wochenende zu Ende gehenden Bewerbungsverfahren für einen anderen Kandidaten entschieden. Dessen Identität war bisher vor allen Parteien und in der Öffentlichkeit geheim gehalten worden und sollte – so die ursprünglichen Planungen der Grünen – erst nach Ablauf der Frist am kommenden Montag bekannt gegeben werden. Ob sich an diesem Zeitplan etwas ändert, war am Montagabend noch vollkommen offen.

Brigitte Häfele: „Ich stelle mich dem Wettbewerb“

In der Begründung ihrer Bewerbung schreibt Brigitte Häfele: „Nach über 10 Jahren im Schulausschuss des Gemeinderats und zuvor vielen Jahren in der Elternvertretung der Kindertageseinrichtungen und Schulen von Esslingen habe ich beschlossen, mich dem Wettbewerb um dieses Amt zu stellen.“ Häfele räumt ein, dass die Grünen einem anderen Kandidaten den Vorzug geben wollen.

Das Urteil der Parteikollegen, dass es ihr sowohl an der für dieses Amt notwendigen Führungs- als auch an Verwaltungserfahrung fehle, lässt sie nicht gelten: In ihren beruflichen Anfangsjahren habe sie durchaus Führungsqualitäten beweisen müssen. Und nach zehn Jahren im Gemeinderat sei ihr das Verwaltungswesen gewiss nicht mehr fremd. Zudem sei sie dank ihrer Tätigkeit in der Wirtschaft verwaltungstechnisch nicht betriebsblind. Davon könne auch Esslingen profitieren. Sie könne sich deshalb gut vorstellen, der Aufgabe gerecht zu werden.

Carmen Tittel: „Sie ist nicht unsere Kandidatin“

Carmen Tittel, die Fraktionschefin der Grünen im Esslinger Gemeinderat, will die Bewerbung von Brigitte Häfele am liebsten überhaupt nicht kommentieren: „Nur so viel: Sie ist nicht unsere Kandidatin. Das ist einzig und allein die persönliche Entscheidung von Brigitte Häfele.“

Für ihre Fraktion stellt sie aber klar: „Wir haben in einer Findungskommission ein absolut offenes und transparentes Bewerbungsverfahren durchgeführt.“ Dabei habe man viele Bewerbungen, auch die von Kandidatinnen und Kandidaten ohne grünes Parteibuch, gesichtet und zahlreiche Gespräche geführt. Am Ende habe sich die Findungskommission „absolut einstimmig“ für eine Person ausgesprochen. Diese verfüge „über eine hohe fachliche Kompetenz, hat darüber hinaus umfangreiche Führungs- und Verwaltungserfahrungen und passt hervorragend in die Stadt“. Carmen Tittel: „Wir sind uns sicher, dass wir den anderen Parteien mit unserem Kandidaten ein hervorragendes Angebot machen werden, dem diese dann auch zustimmen werden.“

Andreas Koch: „Ich bin sprachlos“

Das sieht Brigitte Häfele offenbar anders: „Die Grünen in Esslingen haben eine Favoritin/einen Favoriten bestimmt. Ich denke, es muss immer gelten: Eigentlich sollte die Stelle ausgeschrieben werden und der beste Bewerber gewinnen – und nicht derjenige, den eine Partei vorgeschlagen hat.“

Mit ihrer Bewerbung hat Brigitte Häfele die anderen Parteien im Esslinger Gemeinderat überrascht. Andreas Koch, der Fraktionschef der SPD, erklärt: „Ich bin sprachlos und gleichzeitig gespannt darauf, wie die Grünen dieses hausgemachte Problem lösen. Dass auch sie Gefahr laufen, die Nachfolge von Markus Raab in den Sand zu setzen, hätte ich nicht erwartet. Schaun mer mal, wen sie uns offiziell vorschlagen.“

Annette Silberhorn-Hemminger: „Warum auch nicht?“

Annette Silberhorn-Hemminger, die Fraktionschefin der Freien Wähler, findet es „eher ungewöhnlich, dass sich jemand aus der vorschlagsberechtigten Partei selber aufstellt“. Andererseits, so Silberhorn-Hemminger: „Warum auch nicht?“ Sie habe Brigitte Häfele als eine engagierte und versierte Stadtratskollegin kennengelernt. Andererseits bestehe nach wie vor das Vorschlagsrecht der Grünen. Umso gespannter sei sie, welch qualifizierten Bewerber die Fraktion nun selber vorschlagen werde. Der CDU-Chef Jörn Lingnau kommentiert die Kandidatur mit einem Wort: „Pikant.“ Die Sprecher aller Parteien betonen aber, dass sie grundsätzlich das Vorschlagsrecht der Grünen für den Posten des Ordnungs-, Schul-, Sozial- und Kulturbürgermeisters akzeptieren wollen.