Bummeln, Flanieren und Es-sich-Gutgehen-Lassen: Das Schwörfest ist nicht nur in den Abendstunden ein gern genommenes „Ausflugsziel“. Foto: Roberto Bulgrin

Seit drei Jahren heißt das Esslinger Bürgerfest Esslinger Schwörfest. Doch der Name ist den Besucherinnen und Besuchern reichlich egal. Sie kommen in Scharen – und feiern.

Wenn Esslingen feiert, feiern die Esslingerinnen und Esslinger mit: Das ist so, und das Schwörfest bildet da keine Ausnahme. Schon gar nicht, wenn die äußeren Bedingungen geradezu optimal sind – genau so, wie an diesem Wochenende.

 

In der Stadt herrscht Hochbetrieb, vom frühen Vormittag bis in den späten Abend hinein. Schon am Freitagabend sind die Plätze und Straßen gut gefüllt. Bei angenehmen Temperaturen lässt man es sich gut gehen. Kulinarisch bleiben eh keine Wünsche offen. Es gibt so gut wie nichts, was es nicht gibt. Und fast alles wird frisch gemacht oder frisch gebracht. Speisen und Getränke aus aller Herren Länder kommen auf Tische oder Hände. Ein internationales Probier- und Gourmet-Paradies, friedlich vereint nebeneinander.

Erste Hotspots am Samstag und Sonntag sind – mal abgesehen vom EZ-Lauf am Sonntagfrüh – die Flohmarkt-Meile rund um Blarerplatz und WLB sowie der Kinder-Flohmarkt beim alten Rathaus. Die Straßen sind voll. Die Geschäfte laufen gut, sagen die Händler. Kilian ist zum zweiten Mal mit dabei. Der Zwölfjährige muss ständig „beraten“. Es bleibt kaum Zeit für etwas anderes. „Ein kurzes „nächstes Jahr komm’ ich wieder“ und schon hat der nächste Schnäppchenjäger eine wichtige Frage.

Dieses Mal keine Schallplatten

Auf dem „Flohmarkt der Großen“ ist Hartmut Klay inzwischen Stammgast, zum zehnten Mal hat er seinen Stand aufgebaut. „Ich mach’ das einmal im Jahr und zwar hier – nur hier“, erklärt der Oberesslinger. Hin und wieder probiert er dabei etwas aus. Vergangenes Jahr hatte er Schallplatten im Angebot, die super gegangen seien. „Dieses Mal nicht, der Temperaturen wegen, sonst kannst du danach nur noch Frisbee damit spielen.“ Spricht’s, dreht sich um – und kassiert drei Euro für ein schickes Weinglas.

Gut gebucht sind auch die Führungen rund ums Schwörfest. Ob im Klosterhof, im Alten Rathaus, im Hof des Amtsgerichts, in Klein-Venedig oder irgendwo sonst in der Stadt, überall gibt es Wissenswertes und Spannendes zu erfahren. Etliche Leute steuern am Samstag auch das Rathaus an. Für ein Fotoshooting auf dem Balkon oder „Auf ein Gespräch“, wie es heißt. Die gesamte Bürgermeisterriege ist vor Ort, hat sich Themen vorgenommen, redet mit den Besucherinnen und Besuchern aber über jedes andere ihrer Anliegen. Bei Sozialbürgermeister Yalcin Bayraktar steht das „Älterwerden“ im Fokus. Finanzchef Ingo Rust ist speziell auf Fragen zur „ Sanierung der Bäder“ vorbereitet.

„In 2027 heißen wir übrigens Feierlingen“

Baubürgermeister Hans-Georg Sigl hat alles rund um die Marktplatzsanierung zusammengestellt. „Wir haben den Tag der offenen Tür vor drei Jahren eingeführt – und es läuft gut.“ Man komme problemlos und unverbindlich ins Gespräch mit den Leuten, weil die Hemmschwellen niedriger seien, betont er. Doch: „Wir sind auch außerhalb dieses Tages erreichbar“, fügt Sigl hinzu. Beim OB dreht sich derweil alles ums Stadtjubiläum. Unübersehbar. Die Beschäftigten, die da sind, tragen T-Shirts mit der Aufschrift „In 2027 heißen wir übrigens Feierlingen“.

Fürs Vorlesen bekommt der achtjährige Tim einen Gratishaarschnitt von Danny Beuerbach. Foto: Roberto Bulgrin

Draußen geht’s ebenfalls pfiffige Aktionen: Direkt neben dem Bücherbus der Stadtbücherei lautet die Devise: „Haarschnitt fürs Vorlesen“. Danny Beuerbach, der in seinem früheren Leben als Starfriseur um die Welt jettete, ist da. Auf Einladung von Nadine Schäufele, die im Pfleghof die Lesepädagogik verantwortet. Der 41-Jährige aus München ist Vorlesefriseur, was bedeutet, dass nicht er vorliest, sondern dass Kinder oder Erwachsene ihm vorlesen sollen. Für die Geschichte gibt’s dann ’nen Gratis-Haarschnitt. Beuerbach schnibbelt, was die Scheren hergeben. Sein Ziel: Die Leseförderung vorantreiben.

Ein anderes Kulturgut kommt die Tage und vor allem die Abende über ebenfalls nicht zu kurz. Allüberall wird musiziert, gesungen und getanzt. Wer sich treiben lässt, bekommt fast schon einen Overkill an musikalischer Vielfalt auf die Ohren.

Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Namen. Bis 2022 war das Esslinger Schwörfest das Esslinger Bürgerfest. Eine – zugegebenermaßen völlig unrepräsentative – Umfrage gibt dennoch einen Eindruck, inwieweit die Esslingerinnen und Esslinger den neuen Titel bereits verinnerlicht haben. Von gut zwei Dutzend Menschen haben drei überhaupt noch nie etwas vom Schwörfest gehört. Fünf wissen zwar Bescheid, nennen das Event aber nach wie vor Bürgerfest. 17 haben sich schon umgestellt, „außer es rutscht mal raus“, wie Nina Schneider mit einem etwas verlegenen Schmunzeln zugibt.

Für die Umbenennung gibt es gute Gründe

Für die Umbenennung, die vor gut zweieinhalb Jahren in der Kommunalpolitik nicht überall mit Jubel aufgenommen wurde, gibt es indes gute Gründe, zumindest aus Sicht von Alexa Heyder. Die Leiterin des städtischen Kulturamts verweist darauf, dass die Schwörtagstradition in den ehemaligen Reichsstädten seit 2021 als immaterielles nationales Kulturerbe gelistet ist.

Fast noch wichtiger aber: „Es schien immer so, als wären der Schwörtag am Freitagabend und das Bürgerfest am Wochenende zwei Veranstaltungen, die nichts miteinander zu tun haben.“ Das sei aber mitnichten so, denn schon früher wurde nach dem Schwören immer gefeiert. „Also haben wir nur zusammenwachsen lassen, was schon immer zusammengehört“, sagt Heyder.

Deshalb sei es auch gar nicht schlimm, wenn eine oder einer mal vom „Bürgerfest“ spreche. Denn: Die Fest-Philosophie der Kulturamtschefin deckt sich zu einhundert Prozent mit der anfangs aufgestellten These: „Wichtig ist, dass dies hier ein Fest von und für die Esslingerinnen und Esslinger ist.“