Momentan untersuchen Architekten, ob sich das Gemeindehaus und die Franziskanerkirche als Büchereistandort eignen. Foto: Horst Rudel

Der Zusammenschluss vieler Künstler kann sich in der Franziskanerkirche und im angrenzenden Gemeindehaus keine neue Heimat für die Einrichtung vorstellen. Wie es weitergeht, ist offen.

Esslingen - Die Diskussion über die Sanierung oder Verlagerung der Esslinger Stadtbücherei geht in die entscheidende Phase. Jetzt hat sich der Sprecherrat des Netzwerks Kultur klar zu der erst vor kurzem ins Spiel gebrachten Verlagerung ins Gemeindehaus am Blarerplatz und die daran anschließende Franziskanerkirche positioniert: In einem offenen Brief an den Gemeinderat heißt es wörtlich: „Gegen diesen Ort als potenziellen neuen Standort für die Esslinger Stadtbücherei spricht sich der Sprecherrat des Netzwerkes Kultur ganz entschieden aus.“

Noch ist vollkommen offen, ob sich die evangelische Kirche überhaupt zu dem Verkauf der Gebäude durchringen kann. Unklar ist auch, wie sich die Stadtverwaltung eine Lösung der drängenden Raumprobleme der Stadtbücherei in diesem kirchlichen Umfeld vorstellt. Erst auf der Klausurtagung des Esslinger Gemeinderats am 28. und 29. April will die Bauverwaltung Fakten und Vorschläge zu allen drei angedachten Varianten – einem Neubau entlang der Kiesstraße, der Verlagerung an den Blarerplatz oder die Sanierung und Erweiterung am bisherigen Standort in der Heugasse – vorstellen.

„Eklatanter Raummangel der Stadtbücherei“

Das Netzwerk Kultur stellt fest, dass der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat bereits seit den 90er-Jahren der „eklatante Raummangel der Esslinger Stadtbücherei“ bekannt sei. Der Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2013, die als Erweiterung das benachbarte städtische Gebäude in der Heugasse 11 einbezog, seien bisher aber keine Taten gefolgt.

Umso erfreulicher sei es, dass nun endlich Bewegung in die Diskussion um die Zukunft der Bücherei zu kommen scheine. Allerdings finde diese Diskussion „unverständlicherweise vor allem hinter verschlossenen Türen der Verwaltungsspitze statt“. Das öffne „Spekulationen und Gerüchten Tür und Tor“. Die Zukunft einer solch bedeutenden Institution wie der Stadtbücherei Esslingen mit 270 000 Besuchern pro Jahr „verdiene aber eine offene und vielstimmige Diskussion“.

Als Proben- und Konzertraum unverzichtbar

Das Gemeindehaus am Blarerplatz komme indes aus Sicht des Netzwerks Kultur überhaupt nicht infrage. Es sei in seiner jetzigen Form ein „unverzichtbarer Veranstaltungs- und Probenort“. Schon jetzt sei der Platzmangel für die Esslinger Chöre und Orchester groß: „Das Gemeindehaus am Blarerplatz mit seinem Festsaal ist einer der wenigen Orte für Proben und Auftritte in der Esslinger Innenstadt.“ Das gelte für Chorkonzerte, kammermusikalische Konzerte, Theateraufführungen und viele Schulveranstaltungen. Der Festsaal verfüge mit einem Fassungsvermögen von mehr als 400 Besuchern über eine optimale Größe, sei bezahlbar und warte mit einer guten Akustik auf.

Außerdem werde das Gemeindehaus regelmäßig von vielen internationalen Kulturvereinen genutzt und sei damit ein wichtiger Ort für die Integration ganz unterschiedlicher Bevölkerungsschichten.

Das Gemeindehaus steht unter Denkmalschutz

Die Machbarkeitsstudie von 2013 stelle fest, dass am jetzigen Standort der Stadtbücherei mit der Erweiterung des Nachbargebäudes rund 3600 Quadratmeter Nutzfläche entstehen könnten. Es falle dem Netzwerk Kultur schwer zu glauben, dass diese Fläche auch im Gemeindehaus am Blarerplatz geschaffen werden könnte. Das komplette Gemeindehaus stehe unter Denkmalschutz. Die Denkmalbehörde werde sicher darauf bestehen, das Erscheinungsbild des Gebäudes zu erhalten. Ein Umbau mit Erweiterung erscheine deshalb schwer durchsetzbar zu sein. Außerdem sei zu befürchten, dass die angrenzende Städtische Musikschule den dringend benötigten Melanchthonsaal verlieren würde.

Auch gebe es am Blarerplatz keinen geeigneten Veranstaltungsort für Lesungen. Der Kutschersaal in der Heugasse sei zwar sicher nicht der optimale Raum für Lesungen, Vorträge und Diskussionen. Der Chor der Franziskanerkirche wäre dafür aber aus Sicht der Kulturtreibenden „gänzlich ungeeignet. Es handelt sich um einen sakralen Raum, der niemals in einen neutralen Veranstaltungsort umgewandelt werden kann.“ Außerdem sei er akustisch höchst problematisch und kaum zu heizen. Schon jetzt nutze die Stadtbücherei den Blarerplatz für größere Lesungen während des Literaturfests Lesart. Deshalb fragt der Sprecherrat des Esslinger Netzwerks Kultur: „Wo sollen die zukünftig stattfinden, wenn sich dort die Bibliothek befindet?“