Freie Wähler, SPD und FDP im Esslinger Kreistag haben sich in der finalen Etatberatung durchgesetzt. Wegen zahlreicher Risiken steht der Finanzplan des Kreises Esslingen für 2024 auf wackeligen Füßen.
Der Etat 2024 des Landkreises Esslingen ist mit breiter Zustimmung des Kreistages verabschiedet worden. Er hat ein Gesamtvolumen von rund 800 Millionen Euro. Obwohl sich die Fraktionen bei der Höhe der Kreisumlage mit einem deutlich geringer ausfallenden Aufschlag gegen die Verwaltung durchgesetzt haben, ist der Haushaltsplan mit einem Überschuss von knapp 2,6 Millionen Euro doch noch ausgeglichen. Wie Landrat Heinz Eininger betonte, stehen aber viele Risiken im Raum.
Wie ist die Finanzlage des Kreises?
Nicht gut, lautet die Einschätzung der Kreisverwaltung. Die konjunkturelle Entwicklung und die Inflation, der Ukraine-Krieg und die Bewältigung der Migration, das alles wirkt sich spürbar aus: Zum Ende dieses Jahres wird ein Defizit von 30 bis 40 Millionen Euro prognostiziert, das in Planung für 2024 nicht eingepreist ist. Dieses Loch wird alle liquiden Eigenmittel des Kreises aufzehren. Und es ist keine Erholung in Sicht, mahnte der Landrat: Sollte auch das kommende Jahr mit einem Minus abschließen, baue sich eine riesige Bugwelle auf.
Denn die Ausgaben, etwa für Personal und Sachkosten, steigen. So sind im nächsten Jahr 65,4 Millionen Euro mehr zu zahlen als im Vorjahr, 36 Millionen Euro davon entfallen allein auf den Sozialbereich. „Hier sprechen wir von Rechtsansprüchen, die der Bundesgesetzgeber so beschlossen hat und die von uns nicht zu beeinflussen sind“, erläuterte Einiger. Die Einnahmen halten nicht mit, vor allem die Grunderwerbssteuer schwächelt. Da helfen auch die 3,3 Millionen Euro mehr an Schlüsselzuweisungen vom Land (gut 92 Millionen Euro) nicht viel.
Worum ging es in den Etatberatungen?
Die Diskussionen haben sich maßgeblich auf die Höhe der Kreisumlage fokussiert. Sie ist die wichtigste Einnahmequelle des Kreises, weshalb die Verwaltung eine deutliche Anhebung forderte, um die Aufgaben finanzieren zu können. Der Landrat begründete dies auch mit den neuen Finanzierungsleitlinien, die der Kreistag erst im Juli beschlossen hatte und die einen anderen Verteilschlüssel zwischen dem Kreis und seiner 44 Städte und Gemeinden vorsieht.
Derzeit liegt der Kreisumlage-Hebesatz bei 27,8 Prozent. Die Kreisverwaltung wollte ihn 2024 auf 35,9 Prozent anheben, bot zum Schluss 34,7 Prozent an. Doch mit Ausnahme der AfD lehnten alle Fraktionen einen solch üppigen Aufschlag ab. CDU, Grüne und Linke hatten für einen Hebesatz von 33,5 Prozent plädiert. Eine knappe Mehrheit (47 Ja- zu 40 Neinstimmen bei einer Enthaltung und neun fehlenden Kreisräten) aus Freien Wählern, SPD und FDP setzte sich mit ihrer Forderung durch: Demnach steigt die Kreisumlage nur um 3,7 Punkte auf 31,5 Prozent. Der Kreis nimmt dadurch im nächsten Jahr rund 323 Millionen Euro ein.
Ist der Streit ums Geld damit beendet?
Noch lange nicht. Wie Eininger erklärte, müssen die Kommunen schon heute mit einem Hebesatz von 34,8 Prozent im Jahr 2025 rechnen. Die Debatte um eine „faire Finanzpartnerschaft“ beider Seiten geht also weiter. Anfang nächstens Jahres, kündigte der Landrat an, werde man über „eine tragfähige Regelung“ beraten. „Ziel sollte sein, spätestens dann zu einer Übereinkunft zu kommen, in welcher die kommunale Steuerkraft einerseits und die Leistungsfähigkeit des Landkreises andererseits auf eine tragfähige Grundlage gestellt wird“, so Eininger.
Wofür wird 2024 Geld ausgegeben?
Trotz der schwierigen Bedingungen plant der Kreis im nächsten Jahr die höchsten Investitionen in seiner Geschichte. Allerdings müssen die geplanten Ausgaben von mehr als 83 Millionen Euro zum überwiegenden Teil über Kredite finanziert werden. Größter Posten ist das im Bau befindliche neue Landratsamtsgebäude in Esslingen, dafür fließen im kommenden Jahr 63 Millionen Euro ab. Ins Kreisstraßennetz werden 3,7 Millionen Euro investiert, für die Ertüchtigung des Bildungscampus Lichteneck sind 1,6 Millionen Euro geplant, in Maßnahmen zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs fließen 4,4 Millionen Euro, für Photovoltaikanlagen inklusive Dachsanierungen an kreiseigenen Gebäuden stehen 3,1 Millionen Euro bereit. In letzter Minute wurde beschlossen, das an Senioren, die ihren Führerschein abgeben, künftig statt eines VVS-Jahrestickets ein Deutschlandticket ausgeben wird, was 30 000 Euro Mehrkosten zur Folge hat.
Was sagen die Fraktionen zum Etat?
„Wir werden umdenken müssen“, sagte Armin Elbl (Freie Wähler) mit Blick auf die Haushaltslage. „Wir werden die in den letzten Jahren geschaffenen, sehr hohen Standards in vielen Bereichen hinterfragen und auf ihre Leistbarkeit hin überprüfen müssen.“ Sieghart Friz (CDU) kritisierte die hohe Kreditaufnahme: „Schulden aufzubauen und diese dann einfach in die Zukunft zu verschieben, ist nicht nur unsozial, sondern auch unfair gegenüber künftigen Generationen.“ Trotz aller Risiken, sagte Rainer Moritz (Grüne), sollte man nicht jammern. Vielmehr sei es jetzt die Aufgabe, „die Probleme und Herausforderungen anzunehmen und zu lösen“. Michael Medla (SPD) verteidigte den eingeschlagenen Kurs: „Gerade in der Politik tun wir gut daran, nicht ins selbe Horn allgegenwärtiger Lethargie und Verunsicherung zu stoßen, sondern Ideen und Lösungsansätze zu verfolgen, die eine Zukunftsperspektive bieten.“ Ulrich Fehrlen (FDP) sagte voller Überzeugung: „Untergangsstimmung ist nicht angebracht.“ Peter Rauscher (Die Linke) bedauerte, dass eine Ratsmehrheit nicht bereit war, die umstrittenen Finanzierungsleitlinien auszusetzen. Auch Ulrich Deuschle (AfD) kritisierte eine „unverantwortliche Verschuldung“ .
Eckpunkte der Haushaltsplanung 2024
Ergebnishaushalt
Im Ergebnishaushalt stehen den erwarteten Erträgen von 799,5 Millionen Euro Aufwendungen in Höhe von 796,9 Millionen Euro gegenüber. Unterm Strich bleiben also ein leichtes Plus von knapp 2,6 Millionen Euro in der Kasse.
Finanzhaushalt
In den Finanzhaushalt fließen alle zahlungswirksamen Erträge (796,5 Millionen Euro) und Auszahlungen (774,1 Millionen Euro) aus der Verwaltungstätigkeit ein sowie die Ein- und Auszahlungen aus der Umsetzung des Investitionsprogramms, für das im nächsten Jahr 83,8 Millionen Euro benötigt werden. Um die Projekte stemmen zu können, werden neue Kredite in Höhe von 64,8 Millionen Euro aufgenommen. Die liquiden Mittel schrumpfen bis Ende 2024 auf voraussichtlich 6,5 Millionen Euro und liegen damit deutlich unter der geforderten Mindestliquidität von etwa 13,5 Millionen Euro.
Schulden
Der Schuldenstand des Kreises wird – ohne die Medius Kliniken – zum Ende dieses Jahres bei rund 125,7 Millionen Euro liegen und bis Ende 2024 auf voraussichtlich 182,3 Millionen Euro ansteigen. Auf diesem Niveau bleibt er der langfristigen Finanzplanung zufolge noch bis Ende 2027.