Auch viele Kinder sind zur Feier gekommen. Auf sie warten Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Foto: Horst Rudel

Der Verein Bürger für Berber hat am Samstag zu seiner Feier für sozial schwächer gestellte Menschen ins Gemeindehaus am Blarerplatz geladen. 250 Menschen haben dort einen Nachmittag verbracht, von dem sie noch lange zehren werden.

Esslingen - Sie kommt immer wieder gerne. Freunde haben Marlene Vreys im Jahr 1995 erstmals zur Weihnachtsfeier des Vereins Bürger für Berber mitgenommen. „Es war eine schöne Stimmung, ich habe mich über alles gefreut, und dass man ein Geschenk bekommen hat“, erinnert sich die 67-Jährige. Sogar zwanzig D-Mark habe es gegeben. „Um Weihnachten herum passiert mir immer etwas Schönes“, sagt sie. Auch in diesem Jahr ist Marlene Vreys wie 250 weitere Besucher zur Weihnachtsfeier im evangelischen Gemeindehaus am Esslinger Blarerplatz gekommen.

Los geht es traditionell mit dem Kaffeekränzchen. Mehr als sechzig Kuchen haben zahlreiche Ehrenamtliche zusammengetragen. Viele Besucher freuen sich über die gebackenen Köstlichkeiten und nehmen mit glänzenden Augen und dankenden Worten zwei, manche sogar drei Stück auf ihren Teller. Dazu gibt es frisch gebrühten Kaffee. Auf der Bühne animiert der Musiker Armin mit seiner Gitarre das Publikum zum Mitsingen bei „Oh Tannenbaum“ und „Oh du Fröhliche“. Später werden noch Geschenke verteilt und nun gibt zwanzig Euro für die Besucher.

Dann stand sie da, ohne etwas

Marlene Vreys sitzt ganz vorne vor der Bühne. Sie ist viel herumgekommen in ihrem Leben. Ursprünglich stamme sie aus Düsseldorf, habe aber viele Jahre in Österreich gelebt, bevor sie in den Großraum Stuttgart kam, erzählt sie. Nicht immer habe sie einen festen Wohnsitz gehabt. Vor ihrer Obdachlosigkeit habe sie bei ihrem Vater gelebt. Es kam aber immer wieder zum Streit, weil sie dem Alkohol nicht abgeneigt gewesen sei und der Vater dies nicht gerne gesehen habe. Irgendwann habe er sie vor die Tür gesetzt. „Dann stand ich da, ohne irgendetwas.“

Mit Gram blickt die Seniorin dennoch nicht auf diese Zeit zurück. „So viel gelacht wie damals habe ich in meinem ganzen Leben nicht. Es war immer eine Gaudi“, berichtet sie. Doch je länger sie erzählt, desto mehr Aspekte des Obdachlosenlebens kommen zum Vorschein, die keinen Anlass zum Frohsinn geben. So sei ihr Biwak in dieser Zeit zwei Mal angezündet worden. „Angst hat man dann doch“, gibt sie zu. Im Großraum Stuttgart fuhr sie einige Zeit mit der S-Bahn von Stadt zu Stadt. So sei sie auch nach Esslingen gekommen. Seit einigen Jahren habe sie nun eine Wohnung in der Reichsstadt und engagiere sich beim Verein Bürger für Berber.

Hinter dem Kuchenbuffet steht Elfriede Cziesla. Sie ist Gründungsmitglied des Vereins Bürger für Berber und arbeitet im Vorstand. Das Publikum bei der Weihnachtsfeier habe sich über die Jahre verändert, erzählt sie. Es kämen inzwischen weniger Obdachlose. Dafür seien mehr Menschen dabei, die zwar eine Wohnung hätten, aber von staatlichen Transferleistungen lebten. „Von 300 oder 400 Euro im Monat kann man nicht leben“, sagt die 71-Jährige. Auffällig ist die Vielzahl an Kindern, die bei der Weihnachtsfeier dabei sind und die auf eines der vor der Bühne bereits aufgebauten Geschenke hoffen. Oft hätten es Alleinerziehende oder auch Rentner besonders schwer, weiß Cziesla. Ein großes Problem sei es derzeit Wohnungen für finanziell schwache Menschen zu finden. „Manchmal ist es hoffnungslos“, gibt sie zu.

„Der Reichtum ist nicht gleich verteilt“

Auf der Bühne geht indessen das Programm weiter. Der Oberbürgermeister Jürgen Zieger spricht. „Wir leben in einem reichen Land. Aber der Reichtum ist nicht gleich verteilt“, stellt er fest und betont, dass alle Menschen einen Platz in dieser Gesellschaft hätten. Neben Zieger kommen weitere örtliche Honoratioren, etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete Markus Grübel, der SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Drexler oder der Dekan Bernd Weißenborn, regelmäßig zum Weihnachtsfest ins Gemeindehaus und zeigen damit zumindest symbolisch ihre Solidarität.

Über mangelnde Solidarität konnte sich Marlene Vreys während ihrer Obdachlosigkeit nicht beklagen. Es seien immer Menschen um sie herum gewesen, die sie begleitet hätten. Doch viele der einstigen Bekanntschaften sind nicht mehr da. Den Heiligen Abend, den werde sie wohl alleine verbringen. Vielleicht kämen ja die Nachbarskinder kurz vorbei, mit denen sie deutsch übe. An die Weihnachtszeit während ihrer eigenen Kindheit kann sich die Rentnerin noch gut erinnern. „Weihnachten war immer schön bei uns.“