Die Esslinger Sinologin Nora Frisch möchte mit ihrem Drachenhaus Verlag zeigen, „dass es ein China jenseits von Politik und Wirtschaft gibt“. Auf der Frankfurter Buchmesse hat sie ihr Verlagsprogramm vorgestellt, das den Blick auch Richtung Taiwan lenkt.
Esslingen - Rund 2000 Unternehmen der internationalen Buchbranche haben sich diesmal auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert. Wer in der Szene etwas auf sich hält, ist üblicherweise dabei. 2020 musste die Messe jedoch coronabedingt ins digitale Netz verlegt werden. Nun gab es einen Schritt zurück zur Normalität. Zwar waren die Besucherzahlen limitiert, und längst nicht alle Verlage, die vor Corona dabei waren, sind gekommen. Dafür waren andere wie die Esslingerin Nora Frisch und ihr Drachenhaus Verlag mit umso mehr Enthusiasmus am Start. Denn die Messe bietet Gelegenheit, das eigene Verlagsprogramm zu zeigen, Kontakte zu knüpfen und neue Projekte anzustoßen. Für den Drachenhaus Verlag hat sich der Messeauftritt gelohnt.
Differenziertes Bild
Die Sinologin Nora Frisch hatte den Verlag 2010 gegründet, um hiesigen Lesern den chinesischen Kulturraum näher zu bringen. „China-Bashing ist im Trend. Ich möchte ein differenzierteres Bild vermitteln und zeigen, dass es ein China jenseits von Politik und Wirtschaft gibt“, sagt Nora Frisch, die Brücken zwischen den Kulturen bauen will. Bücher sind für sie Herzensanliegen: Das Programm ist mit Bedacht zusammengestellt, die Bände sind sorgsam gestaltet. Und dass die Bücher nach ökologischen Grundsätzen hergestellt werden, ist Teil des Konzepts. So sind schon fast 40 Titel entstanden.
Zurückhaltende Konkurrenz
Neben den Branchenriesen zählt Drachenhaus zu den kleinen Verlagen. Umso wichtiger ist es für Nora Frisch, in Frankfurt präsent zu sein. So groß und vielfältig wie vor zwei Jahren fiel die Buchmesse 2021 nicht aus: Damals wurden fast 7500 Aussteller aus 104 Ländern gezählt, diesmal waren es knapp 2000 aus 80 Ländern. „Viele meiner Kolleginnen und Kollegen aus den kleinen Verlagen finden es schade, dass einige der Großen abgesagt haben“, weiß Nora Frisch. „Da fühlt sich mancher etwas im Stich gelassen.“ Doch die Zurückhaltung der Konkurrenz hat denen, die gekommen waren, auch Vorteile gebracht: „So habe ich einen größeren Stand bekommen und konnte mich ausbreiten“, verrät Nora Frisch, die einen idealen Platz ergattert hat: In Halle 3.1 in Sichtweite zum Stand der gemeinnützigen Kurt-Wolff-Stiftung, die sich der Förderung einer vielfältigen Verlags- und Literaturszene verschrieben hat. „Das ist ein schönes Umfeld“, findet Frisch. „Eine bibliophile Halle inmitten lauter Kleinverlage.“
„Ein tolles Gefühl“
Die Kurt-Wolff-Stiftung versteht sich als Interessenvertretung unabhängiger deutscher Verlage und bietet ihren Mitgliedern wie dem Drachenhaus Verlag die Möglichkeit, auf einer „Leseinsel“ Veranstaltungen in attraktivem Ambiente zu präsentieren. Nora Frisch hat die Messebesucher mit verschiedenen Aktionen auf sich aufmerksam gemacht – am eigenen Stand, auf der Leseinsel oder am Stand der IG Autorinnen und Autoren. Nora Frisch hatte einen Kalligrafen zu Gast, Franz König und Felix Winter lasen aus ihren Geistergeschichten, die Autorin Cornelia Hermanns stellte ihr neues Buch „Chinas Strategen“ vor, und bei einem Blogger-Brunch am Messestand wurden gezielt junge Multiplikatoren angesprochen.
Die Messebesucher – ob Fachpublikum oder private Buch-Enthusiasten – sollten spüren, dass der Drachenhaus Verlag etwas Besonderes ist: Wo andere Kleinverlage ihre Bücher eher schmucklos und in nüchternem Ambiente präsentieren, setzt Nora Frisch auf chinesisches Flair und individuellen Auftritt: Der Stand ist mit Lampions und Fächer stilvoll dekoriert, wer zum Gespräch mit der Verlegerin kommt, wird mit chinesischem Tee und landestypischen Süßigkeiten empfangen. Das alles ist übrigens Chefinnensache: Den Messestand hat sie selbst hergerichtet, die 15 Bücherkisten, die Nora Frisch mitgebracht hatte, hat sie mit der Sackkarre selbst vom Auto in die Messehalle transportiert: „Das ist jedes Mal ein Riesenaufwand, aber wenn man vor dem fertigen Stand steht, ist es ein tolles Gefühl.“
Lesen Sie aus unserem Angebot: Fasziniert vom Reich der Mitte
Bis zuletzt hatte Nora Frisch wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen befürchtet, dass die Frankfurter Buchmesse coronabedingt in letzter Minute abgesagt werden könnte. „Jetzt freuen sich alle riesig, dass sie stattfinden kann“, verrät die Esslingerin. „Ob Besucher oder Aussteller – alle, die da sind, sind total euphorisch.“ Und die limitierte Besucherzahl hatte auch positive Effekte: Sonst schiebt sich das Publikum durch die Gänge, und die Luft in den Messehallen ist zum Schneiden. Diesmal war weniger los – dafür blieb viel mehr Zeit für Gespräche und Begegnungen. Prompt wurden am Drachenhaus-Stand ein neues Buchkonzept entwickelt und die Idee für einen Podcast mit chinesischen Kollegen entwickelt. Und Nora Frisch fühlt sich einmal mehr bestätigt: „Die Buchmesse ist einfach ein Muss.“
Mit neuen Büchern auf der Buchmesse
Die schöne Füchsin ist eine Sammlung chinesischer Geistergeschichten. Da geht es manchmal gruselig zu, oft auch recht heiter und nicht selten sogar pikant.
Chinas Strategen ist ein Buch über die Staatslenker von Mao Zedong bis Xi Jinping. Die Historikerin Cornelia Hermanns analysiert die Entwicklung Chinas, das sich binnen weniger Jahrzehnte vom Bauernstaat zur High-Tech-Nation entwickelt hat. Das ging nicht ohne interne Machtkämpfe ab. In ihren Porträts beleuchtet die Autorin die Persönlichkeiten im engsten Führungszirkel vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen.
Sprache lernen Fünf kleine Bände laden ein, die gebräuchlichsten chinesischen Redewendungen kennen zu lernen. Die zweisprachigen Texte mit Pinyin-Umschrift ermöglichen es, die Sprachfähigkeit zu verbessern und Einblicke in Chinas Volksweisheiten zu gewinnen.
Das blaue Kleid ist ein zweisprachiges Kinderbuch aus Taiwan über die Schönheit und Heilkraft der Natur. „Alles, was den Autor Yu-Jan Chang berührt, verwandelt er mit leidenschaftlichem Herz in wunderschöne Bilder“, schwärmt Nora Frisch.
Durchs wilde Tibet erzählt von einem Roadtrip. Realistisch und selbstironisch beschreibt Chen Hong ihre Abenteuer in der dünnen Luft und ihre Begegnungen mit Mensch und Tier.