Wer ein Anliegen hatte, aber keinen Termin, konnte bislang donnerstags in die offene Sprechstunde im Esslinger Behördenzentrum kommen. Diese wird jetzt aber abgeschafft. Was wirkt wie ein Service-Abbau, ist laut Stadt ein Qualitätsgewinn.
Der Service im Esslinger Behördenzentrum hat in den vergangenen Jahren immer wieder für Unmut gesorgt. Lange Warteschlangen, Termine in ferner Zukunft oder nur eingeschränkte Möglichkeiten, online überhaupt einen Termin buchen zu können hatten der Stadt wiederholt Kritik eingebracht. Sie hatte Abhilfe versprochen – und schafft jetzt die offene Sprechstunde am Donnerstag ab. Wie passt das zusammen?
Mehrfach hat die Stadt in den vergangenen Jahren auf die Beschwerden reagiert und Verbesserungen angekündigt. Zuletzt waren im Herbst vier neue Stellen für das Bürgeramt bewilligt worden, die inzwischen bereits besetzt wurden. Das zusätzliche Personal soll helfen, mehr Schalter zu besetzen und mehr Termine anbieten zu können. Zudem hat die Stadt inzwischen veranlasst, dass künftig zwei Mal am Tag statt wie zuvor nur einmal am Tag online Termine freigeschaltet werden.
Ein Drittel mehr Termine im Esslinger Bürgeramt
Laut Ordnungsamtsleiterin Brigitte Länge tragen die Veränderungen bereits Früchte: Es sei inzwischen kein Problem mehr, zeitnah einen Termin beim Bürgerservice auszumachen. Lag die durchschnittliche Wartezeit Anfang 2022 noch bei 115 Tagen, könne man derzeit mit einem Termin innerhalb der nächsten Woche rechnen – manchmal sogar noch am gleichen Tag. „Durch die vier neuen Stellen können wir ein Drittel mehr Termine vergeben als vorher“, sagt Länge. Wenn die neuen Beschäftigten richtig eingearbeitet seien, werde sich alles vollends gut einspielen.
Und genau das sei die Grundlage für die Abschaffung der offenen Sprechstunde, sagt Marius Osswald, Leiter des Amtes für Soziales, Integration und Sport. „Der erste Reflex bei vielen ist sicher der Gedanke: Schon wieder gibt es weniger Service“, glaubt Osswald. Doch das Gegenteil sei der Fall: „Durch die Abschaffung der offenen Sprechstunde schaffen wir viel mehr Qualität.“ Das sei erst jetzt möglich, weil der Antragsstau inzwischen abgearbeitet sei, damit auch weniger Nachfragen zum Sachstand beantwortet werden müssten und Personalkapazitäten frei würden.
Diese Kapazitäten wolle man nutzen, um den Service für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Denn wer bislang zur offenen Sprechstunde kam, habe durchaus mit zwei Stunden Wartezeit oder mehr rechnen müssen. War er dann endlich an der Reihe, habe das Anliegen oft gar nicht bearbeitet werden können – etwa wegen fehlender Unterlagen, weil sich der Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin erst einmal in das jeweilige Thema einarbeiten musste oder weil die Behörde gar nicht zuständig war. Oft hätten die Betroffenen deshalb erneut ins Behördenzentrum kommen müssen.
Mehr Termine statt offene Sprechstunde beim Esslinger Bürgerservice
Künftig werde bereits im Zuge der Terminvereinbarung das Anliegen abgefragt und dem Bürger oder der Bürgerin direkt mitgeteilt, welche Dokumente dafür vorzulegen sind. Beim Bürgerservice Einwanderung und beim Bürgerservice Soziales sei das entsprechende Online-Formular bereits seit Längerem im Einsatz, demnächst werde dieses auch beim Bürgeramt eingeführt. Denn die Erfahrungen seien sehr positiv, sagt Osswald: Die Beschäftigten im Bürgerservice könnten sich auf die Termine vorbereiten und qualifizierte Aussagen treffen statt auf ein nächstes Vorsprechen verweisen zu müssen, wie es häufig in der offenen Sprechstunde der Fall gewesen sei. Zudem seien die Wartezeiten bei fest ausgemachten Terminen erheblich kürzer als bei der Sprechstunde.
Im Übrigen seien einige Dienstleistungen inzwischen schon komplett digitalisiert: „Um ein Gewerbe anzumelden, braucht man gar nicht mehr zu uns zu kommen“, sagt Ordnungsamtsleiterin Länge. Auch Bewohnerparkausweise könnten online beantragt, bezahlt und dann selbst ausgedruckt werden. Aber auch wer keinen Zugang zum Internet hat oder Termine nicht online vereinbaren kann oder will, kommt zum Zuge: „Man kann auch telefonisch Termine ausmachen“, sagt Brigitte Länge – und zur Not würden auch die Mitarbeitenden an der Infothek unterstützen. Und sollte es mal einen Notfall geben, etwa wenn jemand wegen eines Todesfalls spontan ins Ausland reisen müsse, der Reisepass aber abgelaufen sei, helfe man schnell und unbürokratisch weiter.
Personalabbau sei mit der Abschaffung der offenen Sprechstunde nicht verbunden, betont Osswald: „Mit der Umstellung ist keine Stellenkürzung verbunden, sondern mehr Zeit für die Bürgerinnen und Bürger“, betont er. Brigitte Länge findet: „Es ist bereits eine deutliche Verbesserung zu spüren.“ Und sie ist überzeugt: „Die Situation wird sich weiter entspannen.“
Behördenzentrum wird umgebaut
Umzug
Neben organisatorischen Änderungen will sich das Bürgeramt auch räumlich neu strukturieren. So sollen die Flächen künftig klarer in öffentliche, halb-öffentliche und nicht-öffentliche Bereiche unterteilt werden. Man erhofft sich dadurch mehr Übersichtlichkeit für die Bürgerinnen und Bürger sowie optimierte Abläufe. Während der ersten Umbauphase soll das Bürgeramt ab Juni für etwa sechs Monate in der Schickhardthalle des Alten Rathauses untergebracht werden.
Zahlen
Im Esslinger Bürgeramt werden laut Ordnungsamtsleiterin Brigitte Länge zwischen 4000 und 6000 Termine pro Monat wahrgenommen, 2024 kamen insgesamt rund 62 000 Besucherinnen und Besucher. Beim Bürgerservice Einwanderung gab es laut Sozialamtsleiter Marius Osswald im Jahr 2024 insgesamt rund 32 400 Vorsprachen – davon knapp 19 500 in der offenen Sprechstunde.