Ingenieurskunst bei Festo: Künstliche Schwalben, die autonom fliegen Foto: Festo

Festo-Vorstandschef Jung blickt zuversichtlich in die Zukunft. Denn das Esslinger Unternehmen sieht in den Veränderungen durch die Corona-Pandemie Wachstumschancen.

Stuttgart - Anders als bei vielen anderen Unternehmen in diesen Wochen geriet die Bilanzpressekonferenz des größten Esslinger Unternehmens Festo zu einer Demonstration der Gelassenheit – und der Zuversicht. „Wir sind bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen“, sagte Vorstandschef Oliver Jung am Mittwoch bei der Vorstellung der Bilanz von 2019. Obschon der Automatisierungsspezialist im Vorjahr einen Umsatzrückgang von 3,7 Prozent verbuchte und das Coronavirus in der diesjährigen Bilanz tiefe Furchen hinterlassen wird, lenkte Jung den Blick auf die Chancen, die sich inmitten der Krise auftun: „Als unabhängiges Familienunternehmen denken wir in Generationen, nicht in Quartalen. Corona wird unsere Märkte verändern. Und wir sind darauf vorbereitet.“

 

21 000 Beschäftigte zählt Festo weltweit, davon rund 6000 am Standort Esslingen. Die Zahl ist konstant geblieben, trotz der Rückgänge, für die im vergangenen Jahr vor allem die Schwäche der Automobilbranche verantwortlich war. Doch die Zeiten, da sich Festo vor allem als Zulieferer der Fahrzeughersteller verstand, sind lange vorbei. Mehr und mehr definiert sich das Unternehmen als Spezialist, der Firmen bei der allgegenwärtigen digitalen Transformation begleitet – sei es mit Technologie, Kommunikationsplattformen und der stetigen Qualifizierung der Mitarbeiter. So sieht sich die Sparte „Festo Didactic“ als Weltmarktführer in der technischen Bildung.

Die Bilanz für 2020 wird bei Festo niemanden beglücken

Medizintechnik und Laborautomatisierung sind Wachstumsfelder, auch und gerade in der Corona-Krise. Als systemrelevantes Unternehmen habe man, so Jung, an der Bewältigung der Krise mitgewirkt. Festo-Ingenieure entwickelten den Prototypen eines Beatmungsgerätes, und in der Notfallklinik auf der Messe stellte Festo die Sauerstoffversorgung bereit; zum Glück musste die Einrichtung nie den Betrieb aufnehmen.

Neben dem Medizinsektor gehören auch immer mehr Firmen aus der Lebensmittel-, Pharma- und Elektronikindustrie zu den Kunden von Festo. „Wir sind breit aufgestellt, auch daher mussten wir den Großteil unserer Fabriken nicht schließen“, sagte Ansgar Kriwet, der für den Absatz verantwortliche Vorstand.

Bei allem Optimismus: Die Bilanz für 2020 wird auch bei Festo niemanden beglücken. Dabei waren die Zahlen im ersten Quartal noch ermutigend, Jung sprach von „guter Profitabilität und gutem Cashflow“. Dann folgte Corona-bedingt ein scharfer Knick. Inzwischen wird auch bei Festo kurz gearbeitet, in Esslingen sind 2500 Beschäftigte in ausgewählten Bereichen davon betroffen. Im zweiten Halbjahr erwartet Festo Nachholeffekte – in welchem Ausmaß, lässt sich momentan aber kaum abschätzen.

Die Pandemie wird der industriellen Transformation voraussichtlich einen Schub verleihen

Doch auch Marktbeobachter sehen das Esslinger Unternehmen für die Zeit nach Corona gut aufgestellt. Man erwartet, dass die Pandemie der industriellen Transformation und der digitalen Durchdringung nahezu aller Branchen einen Schub verleiht. Darauf setzt auch Festo. Vorstandschef Oliver Jung ist davon überzeugt, dass die Globalisierung ihren Höhepunkt hinter sich hat. Die Entwicklung könnte weggehen von langen Lieferketten und anfälligen Transportwegen, es wäre die Wiederentdeckung der lokalen Produktion, so Jung.

Darauf bereitet sich Festo mit einer Strategie vor, die sich neudeutsch „local4local“ nennt. Was die Firmen beim Aufbau lokaler Standorte brauchen ist: Automatisierung, fachliche Ertüchtigung der Beschäftigten, cloudbasierte Infrastruktur und nicht zuletzt eine technische Ausstattung, die Mitarbeiter in die Lage versetzt, die Maschinen und Anlagen auch von daheim aus zu steuern. All das hat Festo 4.0 im Portfolio.