Nur noch eine Ruine: In diesem Haus wohnten Luca S. und sein mutmaßlicher Mörder. Foto: /Johannes M. Fischer

Im November 2024 fiel Luca S. aus Esslingen einer brutalen Gewalttat zum Opfer. Tragen Behörden eine Teilschuld? Die Staatsanwaltschaft ermittelt in diese Richtung. Aber es gibt nach wie vor keine Ergebnisse.

Als vor fast einem halben Jahr Luca S. gewaltsam zu Tode kam, schien der Fall klar zu sein: Es gab keinerlei Zweifel, dass der Tatverdächtige B. dem 31-jährigen Luca S. mit einer selbst gebauten Waffe das Leben nahm. Ebenfalls gab es keine Zweifel, dass B. versuchte, Lucas Freundin ebenfalls zu töten. Weitgehend gesichert ist auch: Bevor er sich selbst das Leben nahm, setzte er das Gebäude, in dem er, die Opfer und Lucas’ Vater Rolf Seufferle wohnten, in Brand.

 

So offensichtlich der Fall liegt, so undeutlich sind die Ermittlungsergebnisse. Während unsere Zeitung in der Folge immer neue Anhaltspunkte und Zeugen fand, die dieses Ereignis hatten kommen sehen, hüllten sich die Ermittlungsbehörden in Schweigen. Der Verdacht kam auf, dass verschiedene Behörden das Verbrechen hätten verhindern können. Deswegen beauftragte die Generalstaatsanwaltschaft in Stuttgart die Staatsanwaltschaft Heilbronn „mit der Prüfung des Sachverhalts im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt im Hinblick auf etwaige strafrechtlich relevante Versäumnisse“, wie es im Januar aus Heilbronn zu vernehmen war.

Das Ergebnis der Ermittlungen ist ernüchternd

Doch die Aussagen zu möglichen Ergebnissen dieser Ermittlungen sind ernüchternd. „Die Prüfungen sind nicht abgeschlossen“, lässt die Staatsanwaltschaft Heilbronn wissen. Eine Aussage, wie lange die Prüfungen dauern werden, sei „derzeit nicht möglich“.

Es gab zahlreiche Hinweise auf eine große Gefahr

Trauernde zünden im November 2024 am Tatort Kerzen an. Foto: Roberti Bulgrin

Neben dem Vater des Opfers warnte unter anderem auch ein Anwalt davor, dass der Tatverdächtige mörderische Pläne verfolge. Stefan Schnerr, Strafverteidiger aus Stuttgart, hatte B. 2023 als Anwalt vertreten. Es ging um Räumungsklagen und Nachbarschaftsstreitigkeiten. Doch Schnerr sah sich gezwungen, sein Mandat niederzulegen. Der Grund: Nachdem er vor Gericht 2023 einen Aufschub der Zwangsräumung erwirkt hatte, geriet er offenbar selbst ins Visier des mutmaßlichen Täters. B. habe seine Mitarbeiter ständig am Telefon beschimpft und bedroht – bis zu 14 Mal täglich. Auch die massiven Drohungen gegenüber Luca S. bekam Schnerr mit – und meldete sie der Polizei.

Der mutmaßliche Täter prahlte auch öffentlich damit, selbst gebaute Waffen im Haus zu haben. Eine Hausdurchsuchung, bei der diese Waffen hätten gefunden werden können, fand nicht statt.

Mehrere Freunde von Luca sowie ein Ladeninhaber warnten ebenfalls vor dem vermutlich psychisch stark gestörten Tatverdächtigen. Zum Beispiel Jajub Khan, der im Erdgeschoss des abgebrannten Hauses eine Bäckerei hatte. Wenige Tage vor der Tat war es sehr laut in der Wohnung von B. Er baute etwas. Die Waffe? Das Instrument, mit dem er Feuer legte? Jedenfalls lag die Befürchtung in der Luft, dass es nichts Gutes sein konnte. Khan informierte die Polizei: „Was hier gerade passiert, ist kein Spaß.“

B. muss daraufhin von der Polizei angesprochen worden sein, denn er kam in die Bäckerei und verlangte von den Angestellten, ihm zu sagen, wer in angezeigt hätte. Mit aggressiver Stimme, so Khan, rief er: „Pass auf! Pass auf! Pass auf!“

Auch das teilte Khan der Polizei mit. Doch all diese Informationen führten zu keinerlei Konsequenz, jedenfalls keiner, die das Verbrechen verhinderte.

Videos und Tonaufnahmen zeigen die Bedrohungslage

Es gibt auch Videos und Tonaufnahmen, die zeigen, dass es sich bei B. um einen Menschen handelte, der anderen drohte. Dies und vieles mehr deutete darauf hin, dass sich Luca und seine Familie in großer Gefahr befanden.

Lucas Vater und Freunde der Familie fragen sich nun, warum all dies noch immer nicht aufgearbeitet wurde. „Dass sich da nichts tut, wundert uns sehr“, sagt Cristof Krüger. Wie er denken viele. Sie tun sich schwer mit der Dauer des Verfahrens.

Chronologie

Das Verbrechen
 Am 14. November 2024 fiel Luca S. einer Gewalttat zum Opfer. Der mutmaßliche Täter war polizeibekannt.

Die Trauer
 Knapp zwei Wochen nach dem gewaltsamen Tod von Luca hatten Freunde einen großen Trauermarsch durch die Esslinger Innenstadt organisiert, an dem Hunderte teilnahmen. Zudem sammelten die Stuttgarter Kickers, deren Fan Luca war, Spenden für die Familie, eine Freundin organisierte ein Benefiz-Konzert. Am 4. Dezember gaben mehrere hundert Menschen Luca bei der Beerdigung auf dem Ebershaldenfriedhof in Esslingen das letzte Geleit.

Die Aufklärung
Das Verbrechen an sich gilt als aufgeklärt: Eine Anklage wird es nicht geben, weil der Täter sich selbst das Leben nahm. Noch keine Klarheit herrscht, inwieweit Behörden im Vorfeld versagt haben könnten. So lange steht auch die Frage im Raum: Hätte das Verbrechen verhindert werden können?