Solche Schirme wie beim Kulturfestival Gold-Geld in Aichwald haben die Angeklagten verkauft. Doch die meisten davon haben nicht existiert. Foto: Horst Rudel/Archiv

Einem 58-jährigen Gastronom und einem Mitangeklagten wird vor Gericht ein Millionenbetrug vorgeworfen. Sie sollen zwischen 2008 und 2012 große Veranstaltungsschirme an Leasingfirmen verkauft haben, obwohl die Ware tatsächlich gar nicht existierte.

Esslingen - Zwei 58 und 54 Jahre alte Männer müssen sich seit Mittwoch vor der 10. Großen Wirtschaftskammer des Landgerichts Stuttgart wegen besonders schweren Betrugs verantworten. Vor allem dem 58-jährigen Hauptangeklagten aus Esslingen wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, über Jahre hinweg kriminelle Leasinggeschäfte mit großen Veranstaltungsschirmen betrieben und so einen Schaden in Millionenhöhe angerichtet zu haben. Der 54-Jährige soll ihm dabei geholfen haben. Die beiden sollen zwischen 2008 und 2012 mit neun Leasingfirmen Verkaufsverträge über 55 große Schirme abgeschlossen haben, die größtenteils in der Realität gar nicht existierten.

Zum Prozessauftakt räumte der 58-Jährige die Vorwürfe – ihm werden zudem auch noch Insolvenzverschleppung, vorsätzlicher Bankrott und die Vorenthaltung von Arbeitsentgelten angelastet – über seinen Verteidiger vorab weitgehend ein und entlastete sogar seinen Mitangeklagten. Der ältere der beiden Männer ist ein in Esslingen bekannter Gastronom, der in den 1990er-Jahren viele namhafte Veranstaltungen in der Stadt organisiert hat. Im Jahr 2002 gründete er in Esslingen eine Firma, die große Veranstaltungsschirme entwickelte, produzierte und vermietete. Das Geschäft scheint der Mann nur anfangs legal betrieben zu haben, wobei zum Prozessauftakt unklar blieb, ob es auch schon im Jahr 2006 zu Betrügereien gekommen ist. Eine im Zuge der Ermittlungen aufgetauchte E-Mail legt laut dem Vorsitzenden Richter nahe, „dass das Modell auch schon 2006 erfolgreich betrieben wurde“.

Es entstand ein Schaden von mehr als vier Millionen Euro

Angeklagt sind jedoch 55 Fälle zwischen 2008 und 2012. In dieser Zeit soll der 58-Jährige mit meist nicht existenten Schirmen, die mit Durchmessern zwischen zehn und 33 Metern und jeweiligen Preisen zwischen 20 000 und 128 000 Euro angeboten wurden, einen schwunghaften Handel betrieben haben. Den betrogenen neun Firmen ist dadurch ein Gesamtschaden von mehr als vier Millionen Euro entstanden, wovon laut dem Staatsanwalt rund 1,3 Millionen Euro inzwischen beglichen sind. Um den Geschäftspartnern vorzugaukeln, dass es die Schirme tatsächlich gibt, soll der Angeklagte ihnen manipulierte Unterlagen zu seiner scheinbar gut gehenden Firma vorgelegt haben. Tatsächlich war das Unternehmen bereits seit geraumer Zeit klamm, die finanziellen Löcher wurden über ein sogenanntes Schneeballsystem gestopft.

Dem Mitangeklagten wirft die Staatsanwaltschaft vor, mit seiner Firma als Schein-Lieferant der Schirme fungiert und über Provisionen von den Gaunereien profitiert zu haben. Der 54-Jährige habe nicht gewusst, dass es sich lediglich um „Luftschirme“ – so nennt sie der Vorsitzende – handelte, die über seine Firma an die Leasinggesellschaften verkauft wurden, ließ der Hauptangeklagte über seinen Verteidiger ausrichten. Tatsächlich hatte der mutmaßliche Helfer in einer früheren Vernehmung berichtet, ein Lager sei „voller Schirme“ gewesen. Ob er von den windigen Geschäften wusste und seinen Teil dazu beigetragen hat, muss der weitere Verlauf der Verhandlung zeigen, für den zunächst elf Termine angesetzt sind.

Der Hauptangeklagte ist schwer erkrankt

Sie werden für den Hauptangeklagten sehr anstrengend werden. Denn er leidet seit etwa vier Jahren unter Chorea Huntington, einer erblichen Erkrankung des Gehirns. Er kann sich nur schwer artikulieren und hat große Probleme seine Bewegungen zu steuern. Im Jahr 2013 war er in sein Geburtsland Griechenland ausgereist, wo er die Symptome habe behandeln lassen wollen, von denen man damals noch nicht wusste, welche Ursache ihnen zugrunde liegen. Dem Vorsitzenden Richter drängt sich jedoch eher der Verdacht auf, es habe sich bei der Ausreise möglicherweise um „eine Flucht vor den deutschen Behörden“ gehandelt. Tatsächlich wurde der Wirt per internationalem Haftbefehl gesucht und im Januar 2016 in Griechenland festgenommen. Der Mann, der einen deutschen sowie einen griechischen Pass besitzt, wurde im März desselben Jahres nach Deutschland ausgeliefert und saß bis zum August 2016 in Frankfurt und in Stuttgart in Untersuchungshaft. Die Verhandlung wird fortgesetzt.