In den Arbeiten von Sina Ataeian Dena ist das Spiel mit der Wirklichkeit bitterer Ernst. Er hat im Iran ohne Erlaubnis gefilmt. Foto: Ines Rudel

Die Ausstellung „Hidden/Secret“ in der Esslinger Villa Merkel deckt die Strategien des Verborgenen auf. Die Die Arbeiten der Künstler aus Belgien und dem Iran zeigen die Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit.

Esslingen - Hidden/Secret – Strategien des Verborgenen“ lautet der Titel der aktuellen Ausstellung in der Esslinger Villa Merkel. Gleichzeitig steht er für den Spannungsbogen, der so unterschiedliche Arbeiten wie die des Regisseurs Sina Ataeian Dena, des Videokünstlers Francis Alys und der !Mediengruppe Bitnik eint. Ihre noch bis zum 3. Juni in der städtischen Galerie ausgestellten Arbeiten bringen Schichten ans Licht, die sonst der gesellschaftlichen Wahrnehmung entzogen sind, sei es aus kollektiver Gedankenlosigkeit oder auf Druck repressiver Regime.

Geheimer Dreh im Iran

Letzteres trifft auf die Arbeit des in Mexiko lebenden Belgiers Francis Alys zu. Kabul, die afghanische Hauptstadt, ist in der öffentlichen Wahrnehmung des Westens vor allem eins: Chaos. Doch die Stadt ist mehr als ein permanenter Krisenherd. Die Videoarbeit Alys’ lenkt den Blick auf eine pulsierende, von Leben sprühende Stadt. Es ist ein Blick auf Augenhöhe: Alys filmt Kinder, die Filmrollen vor der Kulisse der Stadt durch Straßen, Gassen und über Marktplätze rollen. Die Anspielung auf die Verbrennung von Filmmaterial durch die Taliban versetzt den Betrachter in eine Perspektive, aus der heraus er dem sonst unter der entmenschlichten Kriegsberichterstattung verborgenen Charme der Stadt erliegt. „Erliegt“ im wahrsten Sinne des Wortes, denn in dem abgedunkelten Ausstellungsraum laden auf dem Boden ausgebreitete Matratzen die Besucher dazu ein, das Geschehen auf der Leinwand liegend zu verfolgen.

Unter erschwerten Bedingungen hat auch Sina Ataeian Dena seinen Kinofilm „Paradise“ im Iran gedreht. Ohne Dreherlaubnis und unter dem Deckmantel eines Dokumentarfilmprojekts hat er einige Szenen in geheimen Drehs gefilmt, andere im sicheren Berlin nachgespielt. Von dem preisgekrönten Film ausgehend zeigt die Ausstellung eigens neu realisierte Fotografien und eine ebenfalls neu konzipierte mehrteilige Videoinstallation über die Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit.

Film und Gespräch zur Ausstellung

Von einer mehr als offenen, den Gefahren dieser Offenheit unkritisch gegenüber stehenden Gesellschaft profitiert dagegen die !Mediengruppe Bitnik mit ihren Arbeiten, die das System Internet und die versteckten digitalen Irrwege aufdecken. In „Random Darknet Shopper“ haben sie ein Computerprogramm, einen künstlichen Bot, zufallsgeneratorgesteuert auf Einkaufstour ins Darknet geschickt. Weil die von dem Bot mit Bitcoins erworbenen Produkte nicht nur skurril, sondern zum Teil auch illegal waren, hat das die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. Der Strafverfolgungsbehörde stellte sich allerdings die Frage, ob ein Algorithmus überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Ergänzend zu der Ausstellung in der Villa Merkel zeigt das Kommunale Kino Esslingen, Maillestraße 5-9, eine Kinovorstellung des 2015 entstandenen Films „Paradise“ von Sina Ataeian Dena. Im anschließenden Gespräch steht der Regisseur für Fragen zur Verfügung. Die Vorführung beginnt um 18 Uhr.

Die Museumspädagogik der Stadt Esslingen lädt auf Donnerstag, 5. April, zu Artwatch in die Esslinger Villa Merkel, Pulverwiesen 25, ein. Stefan Leibfarth, ein Vertreter des Chaos Computer Clubs, nimmt von 18.30 Uhr an zu den von der Ausstellung aufgeworfenen Fragen Stellung: ob es ein Menschenrecht auf weltweit ungehinderte Kommunikation gibt und welche Gefahren von der fortgeschrittenen weltweiten Vernetzung ausgehen.