Die Büste von 1903 dürfte die älteste Erinnerung an Nikolaus Lenau sein, die es in Deutschland gibt. Foto: Horst Rudel

Lange Zeit war man in Esslingen davon ausgegangen, das einzige deutsche Denkmal für den Dichter Nikolaus Lenau zu besitzen. Zwar ist die Anzahl größer, doch die Stadt verliert ihre Alleinstellungsmerkmale noch lange nicht.

Esslingen - In der Internet-Enzyklopädie Wikipedia steht es und in der Dokumentation des Esslinger Gründerflächen-Amtes auch: Das Denkmal für den österreich-ungarischen Dichter Nikolaus Lenau in Esslingen sei wahrscheinlich das einzige seiner Art in Deutschland. Doch es gibt in Baden-Württemberg mindestens zwei weitere Denkmäler: eines in Spaichingen und eines in Sindelfingen. Dass man in Esslingen lange Zeit glaubte, allein an Nikolaus Lenau zu erinnern, hat – wie so vieles in Esslingen – historische Gründe. Denn die Büste, die um das Jahr 1903 aufgestellt wurde, dürfte die älteste ihrer Art in Deutschland sein. Nikolaus Lenau, der 1850 starb, war zu Lebzeiten ein gern gesehener Gast im Schlösschen Serach beim Grafen Alexander von Württemberg.

Am Weg zur Jugendliebe

Nach dem Zweiten Weltkrieg brachten die ins Land flüchtenden Donauschwaben alt-österreichische Kultur in den jungen Südweststaat. In Spaichingen wurde ein ganzes Stadtviertel für die Donauschwaben gebaut mitsamt einem Lenau-Denkmal. Der Spaichinger Thomas Berthold, der uns das mitteilt, erinnert sich noch genau an das Denkmal, denn es liegt an einem Weg, der ihn zu seiner Jugendliebe führte. Die Jugendliebe indes ist verflossen, doch Nikolaus Lenau blieb. Thomas Berthold lebt seit vielen Jahren in Esslingen und hat oft in der Esslinger Lenau-Anlage ein Verschnauf-Päuschen eingelegt, wenn er vom Zahnarzt kam.

In Sindelfingen gibt es eine Büste von Nikolaus Lenau im Haus der Donauschwaben. Es wurde 1970 gegründet, um die kulturelle Identität der deutschen Siedler in Alt-Österreich zu bewahren. Das Spaichinger und Sindelfinger Kunstwerk gehen auf den Bildhauer Friedrich A. Müller (1914 bis 1976) zurück, der in der Gegend um Neusatz/Novi Sad geboren wurde und in München Kunst studiert hatte. Müller hatte anscheinend noch eine andere Büste von Nikolaus Lenau gemacht, die in Zuffenhausen gewesen sein soll, doch ist sie nach Auskunft der Stuttgarter Stadtverwaltung im Stadtteil nicht mehr vorhanden.

Bis noch vor drei Jahren hat es auch eine Lenau-Ausstellung im Klinikum Schloss Winnenden gegeben, doch ist sie mittlerweile abgebaut. Denkmäler gibt es dort nur noch zwei, wie eine Pressesprecherin sagt: für den ersten ärztlichen Direktor Albert Zeller und für einen Mops. Immerhin trägt noch ein Gebäude auf dem Gelände den Namen Lenau-Haus. Lenau war, nachdem er durch einen Schlaganfall dement wurde, dort einige Jahre als Patient gewesen.

Die Alleinstellungsmerkmale sind nicht alle verloren

Dennoch hat Esslingen seine Alleinstellungsmerkmale nicht alle verloren. Noch immer gibt es einzig in Deutschland diesen Lenau-Park mit seinem stimmungsvollen Wasserbecken. Die Anlage in einer Kurve der Mülberger-Straße wurde so gestaltet, dass sie ein Gedicht des Lyrikers abbildet.

Nikolaus Lenau wurde 1802 in Ungarn geboren und studierte in Budapest. Er begann schon als Jugendlicher, Verse zu schreiben. Lenaus Melancholie mündete zwischen 1832 und 1844 in eine kreative Schaffensphase und ein umfangreiches Werk. Er war hoch geachtet und ein Mitglied im Schwäbischen Dichterbund.

Doch scheint die Zeit über die schwerblütigen Verse des Österreichers gegangen zu sein. Kaum mehr präsent sind seine Weltabkehr und seine Naturschilderungen. Alleine in der Musik lebt sein Andenken weiter. In manchen älteren Liederbüchern findet man noch das von Franz Liszt vertonte Gedicht von den drei Zigeunern, die einen müden Wanderer lehren, „wie man das Leben verraucht, verschläft und vergeigt, und es dreimal verachtet.“