Auf den Türmen der Stadtkirche ließen die Besucher den Blick schweifen. Foto: Michael Steinert

Beim Tag des offenen Denkmals wurde in Esslingen unter dem Motto „Entdecken, was uns verbindet“ ein Blick in die spannende Vergangenheit der Stadt geworfen.

Esslingen - Sie sind stumme Zeugen des Gewesenen. Am Tag des offenen Denkmals der Deutschen Stiftung Denkmalschutz erwachten am Sonntag viele Gebäude, Plätze, Brücken, Türme und Straßen als Widerspiegelung der jahrhundertealten Geschichte Esslingens unter dem Motto „Entdecken, was uns verbindet“ für wenige Stunden zum Leben. Rund 200 Ehrenamtliche boten 57 Programmpunkte, sechs Stadtrundgänge, 30 Objektbesichtigungen und fünf Kinderführungen an.

Wohlstand der Stadt fußte auf dem Handel

Einer der Höhepunkte des Tages ist der selten mögliche Gang auf die Türme der Stadtkirche St. Dionys. Von der Spitze der Türme haben die Besucher einen weiten Blick über die Stadt. Weil der Andrang für diesen Programmpunkt regelmäßig größer als der Platz auf den engen Treppen zur Kirchturmspitze ist, mussten sich die Besucher anmelden. Innerhalb weniger Minuten waren die Karten am Vormittag vergriffen.

Wer leer ausging und keine Karte mehr ergatterte, musste sich aber nicht ärgern. Immerhin bot das umfangreiche Programm zahlreiche Alternativen an. In einem kleinen Stadtrundgang sprach der ehemalige Stadtplaner und Denkmalpfleger Peter Hövelborn über den öffentlichen Raum als gelebtes Erbe. Dabei betonte der Fachmann, dass Veränderungen in der Gegenwart immer an jenen Rahmen gebunden seien, der in der Vergangenheit geformt wurde. Auf der Agnesbrücke sei beispielsweise einst die Furt über den Neckar gewesen, die auf einer wichtigen europäischen Handelsroute von Saint Denis bei Paris nach Venedig lag. „Der Handel ist das Fundament, auf dem diese Stadt aufbaut“, sagte Hövelborn vor diesem Hintergrund.

Schelztorsporthalle ist ein Juwel und 50er-Jahre pur

In Blickweite der Agnesbrücke zog die Schelztorsporthalle das Interesse vieler Besucher auf sich. Die Zukunft des sanierungsbedürftigen Gebäudes aus der Nachkriegszeit steht auf wackeligen Beinen. Dabei war die Schelztorsporthalle einst ein architektonisches Glanzstück. „Es ist ein Juwel“, findet der Kunsthistoriker Dirk Zimmermann gar. Es sei ein Gebäude, das den Zeitgeist der 50er-Jahre nicht verleugne. „Hier wird nichts angebiedert, es ist 50er-Jahre pur“, erklärte der Fachmann. Eine Besonderheit der Sporthalle ist das freitragende Scheddach, das sehr viel Licht in die Halle lässt. Unter Denkmalschutz steht das Gebäude allerdings nicht.

Etwas außerhalb der Innenstadt sprach die Landschaftsarchitektin und Kunsthistorikerin Gudrun Dietz-Hofmann über einen kleinen Platz, den viele Menschen nur vom Vorbeifahren kennen. Die Lenauanlage an der Mülbergerstraße wurde 1904 zu Ehren des Dichters Nikolaus Lenau gebaut. Inzwischen ist der Park aber in die Jahre gekommen. Er soll saniert werden. Wohin es bei der Sanierung geht – ob man sich am Original von 1904 oder an der überarbeiteten Version aus den 50er-Jahren orientiert – darum wird derzeit noch gerungen. Im Jahr 1954 wurde die bestehende Anlage gravierend umgebaut. Unter anderem erhielt das Wasserbecken eine neue Form, und die Umfassung des Gewässers wurde neu arrangiert.

Melancholie in den Texten von Nikolaus Lenau

Dass die Anlage überhaupt in Esslingen steht, liegt daran, dass der 1850 gestorbene Poet als Mitglied des Schwäbischen Dichterbundes öfter in der Stadt, genauer auf dem Schloss Serach bei Graf Alexander von Württemberg, zu Gast war.

Kennzeichnend für Lenaus literarisches Schaffen war die Melancholie seiner Texte. Als Vorlage für die Anlage in Esslingen gilt eines seiner sogenannten Schilflieder, ein 1832 erschienener Gedichtzyklus mit Liebesdichtung. Eine darin beschriebene Szene diente den damaligen Parkplanern als Vorlage. Wer nun neugierig geworden ist, dem legte die Landschaftsarchitektin Dietz-Hofmann die Lektüre eines der Werke Lenaus ans Herzen – neben dem Glauben und dem Sport ist die Literatur wohl ebenso ein Thema, das „uns“, getreu dem Motto des Tages, verbindet.