Das Sorgenkind soll die längste Zeit Sorgenkind geblieben sein. Das Landratsamt in Esslingen wird 40 Jahre nach seiner Einweihung abgerissen. Foto: Horst Rudel

Der Landkreis macht Nägel mit Köpfen. Das alte Landratsamt wird abgerissen und neu gebaut. Davor jedoch entsteht in Plochingen eine Außenstelle. Unterm Strich werden an beiden Standorten 170 Millionen Euro bewegt.

Esslingen - Im Bemühen, Raum für eine zukunftsfähige Verwaltung zu schaffen, fährt der Landkreis Esslingen zweigleisig. Neben einem Neubau für das in die Jahre gekommene Landratsamt in Esslingen soll auch in Plochingen eine neue Verwaltungseinheit entstehen. 680 Arbeitsplätze hier, 220 Arbeitsplätze dort – der Spagat wird den Landkreis rund 170 Millionen Euro kosten. In seiner jüngsten Sitzung hat der Esslinger Kreistag den Plänen, die auf der Grundlage einer Machbarkeitsstudie der Beratungsunternehmens Drees & Sommer entwickelt worden sind, zugestimmt. Die Verwaltung wurde zudem mit großer Mehrheit damit beauftragt, das Vergabefahren für das bisher teuerste Unterfangen in der Geschichte des Kreises Esslingen vorzubereiten.

So argumentiert der Hausherr

Für den Esslinger Landrat Heinz Eininger (CDU) ist die Sache klar. „Es geht darum, für die Kreisverwaltung der Zukunft und ihren Kreistag zu planen“. Dass das rund 40 Jahre alte Landratsamt diesen Ansprüchen nicht mehr genügen würde, war früh klar. Eine Sanierung des Gebäudes wäre genauso teuer, wie ein Neubau. Weil für die Belegschaft des Landratsamts während der Umbauphase keine Ersatzräume zu bekommen waren, hat sich die Option eines zusätzlichen Neubaus in Plochingen als Lösung angeboten. Am Standort des ehemaligen Kreiskrankenhauses auf dem Stumpenhof verfügt der Landkreis über entsprechende Flächen. „Wir planen jetzt eine Kreisverwaltung an zwei Standorten und sind davon überzeugt, eine gute, eine tragfähige und eine wirtschaftliche Lösung gefunden zu haben“, sagt der Landrat. Im Jahr 2020 sollen die Bagger in Plochingen anrollen. Ist der Bau bezugsfertig, dann wird das Landratsamt in Esslingen geräumt und abgerissen. Bis dort der Neubau steht, das könnte Ende des Jahres 2025 sein, bezieht die Verwaltung 300 Ausweichbüros in Esslingen, unter anderem im Einkaufszentrum DAS ES, in der Fleischmannstraße und im Württemberger Hof. Die entsprechenden Mietverträge sind schon unter Dach und Fach.

Das sagt der Gutachter

Das Büro Drees & Sommer hat schon früh die „alleinige Betrachtung einer Bestandssanierung unter Berücksichtigung der erheblichen Flächenzuwächse aus den prognostizieren Mitarbeiterzahlen“ für nicht mehr ausreichend gehalten. Die Neubauvariante dagegen bietet die Chance zur optimalen Umsetzung der Flächenanforderungen. Gleichzeitig kann nach Ansicht der Gutachter „durch Integration innovativer Konzepte zum modularen und flexiblen Umgang mit Veränderungen“ die Zukunftsfähigkeit gewährleistet werden.

In der Gesamtwirtschaftlichkeit über 50 Jahre gerechnet liegt der Neubau mit der wegen energetischer, brandschutz- und organisationstechnischer Mängeln notwendigen Sanierung gleichauf. Deutlich gestiegene Interimskosten lassen die Sanierung aufgrund der längeren Umsetzungsdauer wirtschaftlich eher noch schlechter dastehen. Fast alle nichtmonetären Kriterien sprechen für einen Neubau.

So sehen es die Fraktionen

Die Fraktionen im Esslinger Kreistag folgen mehrheitlich der Argumentationslinie der Machbarkeitsstudie. „Dass wir ein 40 Jahre altes Gebäude abreißen müssen, ist beschämend und schwer zu vermitteln“, sagt Bernhard Richter, der Fraktionschef der Freien Wähler (FW). Andererseits hätten die Gutachter von Drees & Sommer die Frage nach Sanierung oder Neubau schlüssig beantwortet. Unbehagen bereiten dem FW-Chef die galoppierenden Baupreise. „Das ist ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für einen Neubau“, sagt er. Möglicherweise müsse man über einen Kostendeckel reden. Seine Fraktion werde den steinigen Weg konstruktiv und kritisch begleiten.

Für die CDU weist deren Sprecher, Sieghart Friz, darauf hin, dass das Gebäude kein Selbstzweck sei. „Das ist das Rathaus des Landkreises für die Bürger des Landkreises“, sagt er. Die Investition von 170 Millionen Euro sei eine nie gekannte Herausforderung. Seine Fraktion stimme jedoch der Planung in allen Punkten zu.

Als „schlüssig und nachvollziehbar“ wertet die SPD-Chefin Sonja Spohn das Vorhaben. Durch den Abriss und den anschließenden Neubau sei eine größere Planungssicherheit gegeben. Zudem ließen die Brandschutzauflagen für den Altbau keinen weiteren zeitlichen Verzug zu.

Matthias Weigert, der Sprecher der Grünen-Fraktion, stellt fest, dass durch den Abschied vom Zentralismus unterm Strich Millionen gespart würden. Lob von den Grünen gibt es für die geplante, durch den Neubau möglich gemachte Kindertageseinrichtung und für die Chance, das neue Gebäude nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu bauen.

Einhelliges Lob für die Weichenstellung gibt es auch von der FDP und von der Linken im Kreistag. Lediglich die Republikaner schütteten Wasser in den Wein. Ulrich Deuschle fordert angesichts der überhitzten Baukonjunktur eine Denkpause. „Der Landkreis fährt besser, wenn er sich azyklisch verhält“, so der Republikaner-Sprecher. Unterm Strich hat der Kreistag das „Jahrhundertprojekt“ (Bernhard Richter) mit großer Mehrheit auf den Weg gebracht.