Über eine brutale Tat im Esslinger Obdachlosenmilieu wird am Landgericht Stuttgart verhandelt. Foto: dpa

Ein 51-Jähriger kann sich nicht erklären, weshalb ihn die beiden Angeklagten im Juni vergangenes Jahr in einer Esslinger Obdachlosenunterkunft fast zu Tode gequält haben. Bei der Tat waren alle Beteiligten erheblich alkoholisiert.

Esslingen - Das Motiv, weshalb zwei heute 59 und 54 Jahre alte Männer im vergangenen Juni einen 51-Jährigen in einer Esslinger Obdachlosenunterkunft bestialisch gequält haben, liegt weiterhin im Dunkeln. Dem älteren der beiden Angeklagten wird vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart versuchter Mord vorgeworfen. Zudem wird den beiden Männern Körperverletzung und Raub zur Last gelegt.

Bei der Fortsetzung der Verhandlung am Mittwoch wurde der 54-Jährige durch die Aussage eines Polizisten schwer belastet. Der hatte das Opfer einen Tag nach der Tat im Krankenhaus vernommen. Der 51-Jährige hatte in seiner damals noch sehr präsenten Erinnerung an die grausame Tat den jüngeren Angeklagten als den „Hauptübeltäter“ beschrieben.

Mit der Beißzange ein Stück Ohrläppchen abgezwickt

Dieser habe ihn in der Nacht zum 25. Juni des vergangenen Jahres mit leeren und vollen Bierflaschen verdroschen, mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen, ihn mit einem Stück Gartenschlauch ausgepeitscht, mit einer Beißzange ein Stück des Ohrläppchens und eines Fingers abgeknipst sowie seine Knie mit einem Hammer malträtiert. Doch den heute 54-Jährige hat damals offenbar auch das schlechte Gewissen geplagt. Er rief Stunden später die Polizei, wodurch das Leben des Opfers gerettet wurde. Damit ist er aus juristischer Sicht von der Tat zurückgetreten.

Sein Komplize dagegen wollte den blutüberströmten Zimmerkollegen wohl dessen Schicksal überlassen. Deshalb wird ihm versuchter Mord angelastet, obwohl er laut der Aussage des Opfers zwar ebenfalls zugetreten, ihn mit Parfüm übergossen und seine Finger- und Zehennägel knallrot lackiert habe. Ansonsten aber habe er bei der etwa eine Stunde dauernden Quälerei den defensiveren Part inne gehabt.

Der Polizeibeamte im Zeugenstand berichtet, das Opfer habe am Tag nach dem schrecklichen Überfall „nicht verstanden, weshalb es so brutal misshandelt worden war“. Es habe zuvor zwar Spannungen mit dem 59-Jährigen Mitbewohner gegeben, in dessen Zimmer er mangels Platz für eine Woche übergangsweise einquartiert worden sei. Dabei sei es um unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Ordnungsliebe und der Körperhygiene gegangen. Aber handgreiflich sei er ihm gegenüber nie geworden.

Es fanden sich einige eindeutige DNA-Spuren

An jenem Abend aber brachte er den 54-Jährigen mit, und nur kurze Zeit später habe die Gewaltorgie begonnen. Dass das Opfer mit all den Gegenständen gepeinigt wurde, hat ein DNA-Sachverständiger des Landeskriminalamts bestätigt. An der Beißzange, an dem Hammer, an einem Küchenmesser und an dem Schlauchstück hätten sich Spuren gefunden, die sowohl dem Opfer als auch den mutmaßlichen Tätern zuzuordnen seien, erklärte der Biologe in Diensten der Polizei. Oft wiesen die aus Blut und Hautpartikeln gewonnenen DNA-Spuren auf den 54-jährigen Angeklagten hin.

Sowohl die mutmaßlichen Täter als auch das Opfer waren an jenem Abend erheblich alkoholisiert. Der 51-Jährige habe im Krankenhaus angegeben, zuvor „zehn Biere und mehrere Schnäpse“ getrunken zu haben. Der Prozess wird fortgesetzt.