Fürs Premieren-Foto posieren die Konstrukteure: (v.l.) Natascha Funk, Thomas Hüfer, Thomas Schwarzhaupt, Maximilian Wissel, Foto: Ines Rudel

Der Stallardo, der Rennwagen aus dem Esslinger Stall, fordert wieder die Konkurrenz heraus.

Esslingen - E

r trägt zwar traditionell die Nummer 94, aber er dürfte wieder zu den Top fünf der Weltspitze zählen. Der neue Stallardo, ein schwarzglänzender Rennwagen der Hochschule Esslingen, hat am Dienstag in der Flandernstraße Premiere gefeiert. Und wie seine Vorgänger ist er ein Wundertier unter den Autos, denn er kann mit 609 Kubikzentimetern Hubraum etwa 90 PS erzeugen. Ein normales Straßenauto braucht dazu mindestens den doppelten Hubraum. Das Team um den Professor für Fahrzeugtechnik, Karl-Ludwig Haken, hofft, auch mit diesem Auto wieder die weltweit etwa 100 konkurrierenden studentischen Teams hinter sich zu lassen.

Begeistert sind sie alle gewesen, die etwa 20 Mitarbeiter bei der Enthüllung in der Flandernstraße. Der Wagen hat eine etwas stumpfere Schnauze als sein Vorgänger und anders gestaltete Flügel. Die dienen dazu, den Wagen mit Winddruck auf die Straße zu pressen, damit er möglichst schnell um die Kurven fahren kann. Die Konkurrenz ist groß, vor allem der Erzrivale von der Hochschule Stuttgart, fährt den Esslingern regelmäßig davon. Verändert haben die Mitarbeiter auch das Fahrwerk des Renners. Besonderer Clou: die Federung liegt offen oben auf der Schnauze des Flitzers und kann mit einem Rändelrad von Hand härter oder weicher eingestellt werden, je nachdem, wie es die Rennstrecke letztlich erfordert.

Die Karosserie ist aus Carbonfaser und verleiht dem Fahrzeug die traditionelle schwarze Farbe. Apropos Tradition: Stallardo ist vom Spitznamen der Hochschule „Stall“ abgeleitet, der daher rührt, dass die Maschinenbau-Schule Württembergs einst in einem Stallgebäude in Stuttgart untergebracht war. Als die Hochschule auf Betreiben der hiesigen Industriepioniere ins schöne Esslingen zog, nahm sie den Spitznamen ganz einfach mit.

Ebenso traditionell ist die Startnummer 94. Sie wurden dem Team von der Formula Student zugewiesen. Die Formula Student wurde 1981 von amerikanischen Ingenieure aus der Taufe gehoben, seit 2006 gibt es die Formula auch in Deutschland, sie wird vom 8. bis zum 13. August am Hockenheimring ausgetragen. Wie es sich für einen Rennwagen gehört, ist der Stallardo über und über mit Schriftzügen versehen. Hier sind die Sponsoren aufgelistet, die den Rennwagen mit Bauteilen versorgen. Denn die Hochschüler können unmöglich alles selber herstellen, finanzieren und auch erproben. Wo immer möglich, haben sie High-Tec eingebaut. Wo beim normalen Auto ein stählerner Abgaskrümmer vor sich hin rostet, verfügt der Stallardo über einen keramikbeschichteten Titankrümmer, um Gewicht zu sparen.

Ziemlich Gewicht gespart hat das Rennteam auch beim Fahrer Christoph Lösle, einem überaus schlanken jungen Mann, von dem es ebenso wie von den Technikern abhängt, ob der Stallardo zum Sieg oder zur Niederlage fährt. Warum fährt man überhaupt solch einen aufgemotzten Kleinwagen? Es sei die Beschleunigung, sagt Christoph Lösle, die Seitenkräfte, die das Fahren so toll machten. Aber wie hält man diese ziemlich starken Seitenkräfte aus? „Mit einem Sechspunkt-Gurt“, antwortet Christoph Lösle bescheiden.

Er hat noch keine richtige Testfahrt hinter sich

Und jetzt? Muss er noch zeigen, was in ihm steckt, der Stallardo. Tatsächlich hat er noch keine Testfahrt hinter sich, und die nächsten Monate muss das Team herausfinden, wie sich die Neuerungen in der Konstruktion genau auswirken. Karl-Ludwig Hakens Aufgabe ist es, das Team gleichermaßen zu unterstützen und zu leiten.

Sie alle sind mehr technikbegeistert als rennsportbegeistert, und das müssen sie auch. Denn der Wettbewerb unterscheidet sich erheblich von einem normalen Rennen. In der Formula Student gibt es beispielsweise nur ein Einzelfahren. Hier geht es um Beschleunigung und Geschwindigkeit auf gerader Strecke und im Kurvenparcours. Ebenso gibt es Punkte für den Verbrauch, die Sicherheit, das Aussehen und die Wirtschaftlichkeit des Fahrzeugs.

Die Begeisterung für ein selbst gebautes Gefährt

Ziel der Formula ist es, Kontakte zwischen Herstellern und Studenten zu knüpfen, die diesen später helfen sollen, eine Stelle zu finden. Außerdem ergänzen sie ihr Studium mit intensiven Erfahrungen in der Konstruktion und der Fertigung sowie mit den wirtschaftlichen Aspekten des Automobilbaus. Für die Studenten geht es auch darum, und das wurde am Dienstag wieder besonders deutlich, den weißen Kittel des Ingenieurs auszuziehen und die Rennjacke an und damit zu spüren, wie sich die Begeisterung für die Konstruktion in die Begeisterung für ein selbst gebautes Gefährt verwandelt.