So scharf, dass man jede Pore sieht: Die LED-Leinwand erzeugt von sich aus das Bild. Foto: Horst Rudel

In seinem Filmtheater im Dick-Areal hat Heinz Lochmann das Kino von morgen präsentiert: Er stellte eine Leinwand aus Leuchtdioden vor. In Deutschland ist der Einsatz der Technik bisher einmalig.

Esslingen - Gut, dass die Sitze Lehnen haben, denn sonst würde es einen bei manchen Szenen vom Hocker hauen. Der Traumpalast in Esslingen verfügt seit Mittwoch als erstes Kino in Deutschland über eine Leinwand aus Leuchtdioden (LEDs). Sie ist schärfer, brillanter und kontrastreicher als alles, was es bisher gab. Beim Dino aus „Jurassic World 2“ sieht man jede Schuppe, bei den Schauspielern jede Pore. Es ist Kino in HDR-Brillanz – und eine völlige Abkehr von der traditionellen Projektionstechnik, nur das Popcorn ist noch so wie früher.

Eine Million Euro investiert

Heinz Lochmann, der zusammen mit seinem Sohn Markus zehn Kinocenter in Deutschland betreibt, und der bei seiner Tante in Rudersberg im Remstal (Rems-Murr-Kreis) sein Handwerk gelernt hat, denkt groß. So groß, dass er eine Million Euro in sein Kino im Esslinger Dick-Areal gesteckt hat. Er hat nicht nur die LED-Leinwand eingebaut, sondern neue Sitze und eine neue Tontechnik. Zur Deutschland-Premiere hat er nicht nur hochrangige Vertreter vom Hersteller Samsung und der Münchner Kamerafirma Arri eingeladen, sondern auch noch eine perfekte Bühnenshow inszeniert, mit einer Moderatorin, Film-Trailern und einer Filmpremiere.

Was macht nun die Brillanz einer LED- Leinwand aus? Das erklärte Jan Fröhlich, Wissenschaftler bei Arri. Die neue Leinwand kann ungefähr neun Millionen Bildpunkte abbilden. Dafür braucht sie rund 26 Millionen LEDs, denn für jeden Bildpunkt benötigt man drei Leuchten, die jeweils in Rot, Grün und Blau leuchten und in den unterschiedlichen Mischungen jede beliebige Farbe erzeugen. Das heißt, die Leinwand kreiert von sich aus das Bild und hat dabei einen riesigen Kontrastumfang, der viel größer ist, als es ein projiziertes Bild je darstellen könnte.

Dabei ist Schwarz wirklich Schwarz – und Weiß ist wirklich weiß. Bei der Projektion ist dem nie so. Einerseits weil durch den Projektor immer eine bestimmte Grundhelligkeit erzeugt wird, andererseits, weil eine herkömmliche Leinwand stets Streulicht aus dem Saal reflektiert. Kleiner Hinweis für Experten: Die Bildfrequenz ist wie in der analogen Technik 24 Bilder pro Sekunde, aber die Leinwand würde auch 100 Bilder pro Sekunde schaffen, sagen die Techniker.

Die Technik ist so gut, dass sie sogar an das menschliche Auge herankommt. Unser Gesichtssinn kann die Helligkeit bis zu 13 Mal exponentiell vergrößern, und wenn man die Zeit dazu rechnet, in der sich das Auge anpasst, wird der Bereich sogar noch größer. Die Leinwand kann die Helligkeit 20 Mal exponentiell vergrößern. Sie kommt damit dem menschlichen Auge recht nahe.

Kurios ist dabei, dass der Film-Kamerahersteller aus München bereits seit acht Jahren Kameras auf den Markt bringt, die in HDR-Qualität aufnehmen können. Nur in der entsprechende Qualität abspielen, das konnte in Deutschland bisher niemand.

Weil nicht mehr projiziert wird, können künftig Kinos anders gebaut werden. Bisher mussten die Architekten darauf achten, dass die Köpfe der Zuschauer keine Schatten auf die Leinwand werfen. In Zukunft jedoch können die Bühnen steiler werden, wodurch man freiere Sicht hat. Aber nicht nur die Kinos stellt die neue Technik auf den Kopf. Weil die neuen Kinobilder extrem kontrastreich sind, wird sich auch eine neue Bildästhetik entwickeln. Regisseure können nun direkt in farbige Lichtquellen filmen, und gleichzeitig haben die dunklen Bildpartien noch Zeichnung.

Das Publikum wieder in die Kinos locken

Heinz und Markus Lochmann geht es darum, das Publikum vom Fernseher und vom Streaming-Bildschirm wegzuholen in ihre Kinos, wo es jetzt wieder Bilder gibt, die im Pantoffelkino nicht erzeugt werden können. Damit, so glauben sie, bekommt die Geschichte des Filmtheaters, das in den letzten Jahrzehnten schwer um Zuschauer kämpfen musste, wieder ein Happy End.

Die Präsentationen der Experten wurden an diesem Abend übrigens nicht in HDR-Qualität gezeigt. Bis Power-Point diese Technik beherrscht, dürften noch ein paar Jahre vergehen.