Die Tage der Hanns-Martin-Schleyer-Brücke sind gezählt. Die 200 Meter lange Neckarquerung bei Esslingen-Weil wird abgerissen und neu gebaut. Foto:  

Der Anst0ß für den vom Land aufgelegten Sanierungsfonds für Brücken ist aus Esslingen gekommen. Wenn es jetzt an das Verteilen der Millionen geht, gehört die Stadt zu den Hauptnutznießern.

Esslingen - An dem Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg, Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), mögen sich die Geister scheiden. In Esslingen allerdings ist der Kämpfer für eine umweltfreundliche Mobilität ein gern gesehener Gast – zumal er in der ehemals Freien Reichsstadt meist als Überbringer froher Botschaften auftritt. Am Mittwoch hat der Minister ein für das laufende Jahr neu aufgelegtes Landesprogramm vorgestellt, das die Kommunen und die Landkreise bei der Sanierung ihrer landauf, landab maroden Brücken unterstützt.

Der Platz der Verkündung, die Hanns-Martin-Schleyer-Brücke in Esslingen-Weil, war mit Bedacht gewählt. Schließlich ist der Anstoß, den Kommunen eine finanzielle Brücke zu bauen, einst von Esslingen ausgegangen. Auf gigantische 200 Millionen Euro hatte die Stadt den Finanzbedarf zur Sanierung ihrer Brücken hochgerechnet – zu viel, selbst für eine finanzstarke Stadt wie Esslingen. „Als uns dieser Hilferuf erreicht hat, haben wir mal herumgefragt und festgestellt, dass Esslingen nicht die einzige Stadt mit diesem Problem ist“, sagte Hermann. Das Ergebnis der Bestandsaufnahme ist ein kommunaler Sanierungsfonds, mit dem das Land erstmalig die Reparatur von Brücken fördert, für die streng genommen Städte, Gemeinden und Landkreise zuständig sind.

Esslingen ist Nutznießer des ministerialen Brückenschlags

Einer der Hauptnutznießer des ministerialen Brückenschlags ist Esslingen. Hatte vor Monatsfrist schon die Nachricht, das Land unterstütze die knapp 20 Millionen teure Sanierung der Vogelsangbrücke mit einem Betrag von 5,9 Millionen Euro, für ein hörbares Aufatmen im Rathaus gesorgt, so legte Hermann gestern vor Ort noch einmal nach. Auch für den Abriss und den Neubau der Hans-Martin-Schleyer-Brücke, die vor allem für den Zubringerverkehr von der B 10 über den Neckar zum Mercedes-Werksteil in den Stadtteil Mettingen wichtig ist, gibt es einen ordentlichen Zuschuss aus der Landeskasse. 5,1 Millionen Euro steuert das Land für das Projekt bei – das ist rund ein Viertel der bisher im Raum stehenden Gesamtkosten in Höhe von rund 20 Millionen Euro.

Die Hanns-Martin-Schleyer-Brücke ist im Jahr 1964 eingeweiht worden. Die damals auf der Höhe der Technik als Spannstahlbetonbrücke gebaute Querung von Neckar und Bahnlinie ist der heutigen Verkehrsbelastung – pro Tag fahren 16 500 Fahrzeuge über die Brücke – nicht mehr gewachsen. Da eine Sanierung sich nicht rechnet, wird die 200 Meter lange Brücke direkt nach Abschluss der derzeit laufenden Arbeiten an der Vogelsangbrücke im Januar 2021 abgerissen und in Einzelteilen den Neckar abwärts entsorgt. Bis Ende des Jahres 2022 soll eine neue Brücke am alten Platz, dann erstellt in Stahlverbundbauweise, wieder für den Verkehr freigegeben werden.

Auch Wernau profitiert

Von dem Landesprogramm, das für die Jahre 2017 bis 2019 mit einer Summe von 119 Millionen Euro hinterlegt worden ist, profitiert im Kreis Esslingen auch noch die Stadt Wernau. Die Modernisierung der parallel zur B 10 über den Neckar führende Nordöstlichen Randstraße, geschätzt 644 000 Euro teuer, ist dem Land einen Zuschuss in Höhe von 322 000 Euro wert.

„Ich freue mich, dass es mit dem Sanierungsfond gelingt, das Reparaturtempo an kommunalen Brücken zu erhöhen. Die Gesamtinvestitionen der neuen Projekte belaufen sich 2019 auf rund 177 Millionen Euro, der Zuschuss im laufenden Jahr beträgt rund 60 Millionen Euro. Mit der Erhöhung der Fördersumme senden wir ein klares Signal, dass wir die Kommunen nicht im Stich lassen“, sagte der Minister, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die aktuelle grün-schwarze Regierung mit der Förderung der Brückensanierungen ein Novum in der Geschichte des Landes auf den Weg gebracht hat.

Programm soll dauerhaft verankert werden

Das Programm, für das bisher 262 Anträge genehmigt worden sind, soll den Worten des Ministers zufolge fortgeschrieben werden. Im Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) sei die Förderung der Sanierung kommunaler Brücken dauerhaft verankert worden. Dass das Land erstmals nicht Neubauten, sondern die Ertüchtigung vorhandener Bauwerke fördert, war den Vertretern der Stadt vor Ort, dem Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht und dem Leiter des Tiefbauamts, Uwe Heinemann, ein Sonderlob wert. „Das ist das, was uns auf den Magen schlägt“, sagte Heinemann. „In der Wachstums-Euphorie der 60er Jahre ist viel und schnell gebaut worden. Das bekommen wir jetzt zu spüren“, ergänzte Wallbrecht.