Der Schefenacker-Schriftzug wird verschwinden, das Gelände ist an Russ verkauft. Im Hintergrund ist der Fischle-Betriebshof. Foto: H. Rudel

Das Esslinger Traditionsunternehmen Schefenacker trennt sich von seinem Busbetriebshof in Sirnau. Die Nürtinger Russ-Gruppen hat das Gelände gekauft und will dort weiterhin Busse reparieren und warten.

Esslingen - Im Esslinger Stadtteil Sirnau sollen künftig die Linienbusse der Zukunft für den Einsatz auf der Straße fitgemacht. Das Autohaus Russ will als Wasserstoff- und Hochvolt-Pionier seine Elektro-Omnibuskompetenz in das Esslinger Industriegebiet verlagern. Eine Adresse hat die omnimobile Zukunft auch schon: Wolf-Hirth-Straße 6.

Der Busbetriebshof mit angeschlossener Werkstatt gehörte bis vor Kurzem noch der Schefenacker Reise- und Verkehrsgesellschaft, einem Esslinger Familienunternehmen. Schefenacker hatte im Sommer im Bieterrennen um die Buslinien im Landkreis Esslingen gegen die in Calw beheimatete Firma Rexer den Kürzeren gezogen. Als logische Konsequenz hat sich das Esslinger Familienunternehmen nun von dem 8400 Quadratmeter großen Areal getrennt. Die Russ-Gruppe, die schon in Nürtingen eine Omnibus-Reparaturwerkstatt betreibt, hat sich die Chance nicht entgehen lassen.

Perfekter Standort

„Für uns ist es ein Glücksfall, einen für unser wachsendes Servicegeschäft so perfekten Standort im Neckartal gefunden zu haben“, sagt Stefan Russ, der Geschäftsführende Gesellschafter der Gruppe. Russ, der vom 1. Januar an die Geschäfte der Immobiliensparte leiten wird, kündigt an, dass in Esslingen-Sirnau künftig nicht nur herkömmliche Busse mit Verbrennungsmotoren, sondern auch Fahrzeuge mit alternativen Antrieben und die in Stuttgart laufenden Brennstoffzellen-Busse gewartet und repariert werden.

Die bisher am Standort Nürtingen angesiedelte BusWorld mit ihren aktuell 14 Beschäftigten wird im Frühjahr komplett nach Esslingen verlegt. Nach dem Umzug soll das Personal den Worten des Geschäftsführers zufolge nach und nach aufgestockt werden. An Umbauten sei zunächst nur das Nötigsten geplant. „Auf jeden Fall werden wir in eine Kundendienstannahme investieren und auch den Sanitärbereich erneuern“, sagt Russ.

Fischle geht leer aus

Die Russ-Gruppe, die auch eine Reihe von Mercedes-Benz-Autohäuser im Landkreis Esslingen betreibt, ist dem Esslinger Omnibus- und Reiseunternehmen Fischle zuvorgekommen. Das Unternehmen, dessen Firmenzentrale im Sirnauer Industriegebiet in direkter Nachbarschaft zu den Schefenacker-Bushallen liegt, hatte ebenfalls großes Interesse an dem Betriebshof. Anders als Schefenacker ist das Unternehmen als Gewinner aus dem jüngsten Wettrennen um die Buslizenzen hervorgegangen. Der 70 Mitarbeiter zählende Traditionsbetrieb, dessen Busse seit dem Jahr 1932 das Esslinger Straßenbild bestimmen, hat zwar die hiesigen Omnibuslinien der Firma Rexer überlassen müssen, im Gegenzug aber den Zuschlag für den Betrieb von Linien in Plochingen, Stuttgart und Waiblingen bekommen und muss seinen Fuhrpark deshalb ordentlich aufstocken. So fahren von Dezember an 20 Fischle-Busse im Auftrag der SSB in Stuttgart. Die Linienbündel in Plochingen und Waiblingen werden im kommenden Jahr mit insgesamt 50 Bussen des Esslinger Unternehmens bedient. Zudem sind die Fischle-Fahrzeuge auch noch im Reisebusverkehr unterwegs. „Wir bräuchten eigentlich doppelt so viel Platz wie bisher“, heißt es in der Wolf-Hirth-Straße 4.

Den gibt es nebenan. Stefan Russ stellt dem Nachbarn jetzt schon in Aussicht, zu Beginn nicht benötigte Stellflächen anmieten zu können. „Wir kratzen uns gegenseitig kein Auge aus“, verspricht er.

Zusammen mit dem Esslinger Traditionsunternehmen W. Jesinger KG betreibt Russ die Russ Jesinger Vertriebs GmbH & Co. KG mit dem Vertrieb von Mercedes-Benz, Smart und FUSO Automobilen im Landkreis Esslingen. Die Unternehmensgruppe feiert im laufenden Jahr ihr 85-jähriges Betriebsjubiläum. Die Gruppe beschäftigt derzeit rund 230 Mitarbeiter, darunter 40 Auszubildende. Die Bandbreite reicht vom Kfz-Mechatroniker in den Fachrichtungen PKW-, Nutzfahrzeuge-Technik, System- und Hochvolttechnik bis hin zum Automobilkaufmann.

Die Anfänge des Unternehmens Schefenacker mit dem Postreiter im Emblem reichen bis ins Jahr 1927 zurück. Firmengründer Hermann Schefenacker bediente mit seinem Omnibus den Verkehr von Esslingen über Plochingen nach Schorndorf. Nach dem Krieg wurde 1945 der Betrieb mit zwei Omnibussen wieder aufgenommen. Seither fuhr Schefenacker im Stadtverkehr Esslingen. Im Jahr 1977 wurde der Betriebshof in Sirnau eingeweiht. Im Dezember des vergangenen Jahres war Schefenacker, wie auch die beiden anderen Esslinger Unternehmen Fischle und Schlienz im Bieterwettstreit um die Esslinger Buslinien dem Calwer Albert Rexer unterlegen. Der Wechsel verlief nicht problemlos. An Bussen und ortsunkundigen Fahrern hagelt es Kritik.