Der ÖPNV hat für Radfahrer eine offene Tür. Foto: Horst Rudel

Im Sommer startet ein ÖPNV-Experiment: Ein Jahr lang gestattet der Stadtverkehr, Fahrräder mitzunehmen. Bewährt sich das Modell, dann wird die Stadt auf ein einheitliches Konzept im ganzen Verkehrsverbund Stuttgart drängen.

Esslingen - Auf Antrag der CDU-Fraktion ist es in der jüngsten Sitzung des Technischen Ausschusses öffentlich geworden: In einem groß angelegten Versuch gestattet die Stadt auf ihren Bus-Linien die Fahrradmitnahme. Der Versuch ist auf ein Jahr angelegt. Weil der ÖPNV in Esslingen zur Hälfte in öffentlicher und zur Hälfte in privater Hand ist, kündigte der Finanzbürgermeister Ingo Rust an, auch die privaten Anbieter mit ins Boot nehmen zu wollen. Diese Gespräche sind noch nicht gelaufen, deswegen hatte die Stadtverwaltung den Punkt ursprünglich nichtöffentlich behandeln wollen.

Wann der Versuch beginnt, ist nicht ganz klar, wenn möglich aber vor der Sommerpause. Generell gebe es in jedem Bus eine Mehrzweckfläche, in der theoretisch zwei Fahrräder stehen könnten, führte Ingo Rust aus. Aber nur, wenn der Platz nicht für Kinderwagen oder von Gehbehinderten genutzt werde. Diese Personengruppen hätten Vorrang, sodass theoretisch ein Radfahrer wieder aussteigen muss, wenn nach ihm eine Frau mit Kinderwagen mitgenommen werden will. „Da könnte es vielleicht zu Diskussionen kommen“, mutmaßte Rust, der auf das Fingerspitzengefühl seiner Busfahrer setzt. Ebenso könnte ein Busfahrer einem Radler das Einsteigen verbieten, wenn der Bus zu voll ist. Sollte der Fahrgast schon eine Karte gelöst haben, dann muss er das Geld zurückbekommen.

Weiterhin keine Räder zu Stoßzeiten

Das alles kostet Zeit, und Zeit ist etwas, das im ÖPNV ein kostbares Gut ist. „Wir können nicht in Kauf nehmen, dass sich die Fahrzeiten der Busse verlangsamen“, sagte Ingo Rust, denn sonst sei der ÖPNV keine Alternative mehr zum Auto. Gerade weil ein Rad in einem Bus viel Platz einnimmt, wird es weiterhin verboten sein, das Rad zu Stoßzeiten einzuladen. Die Stadt will genau definierte Uhrzeiten festlegen, wann der Transport erlaubt ist.

Mit diesem Versuch dürfte für den ehemaligen grünen Stadtrat Dirk Rupp ein großer Traum in Erfüllung gehen. Er hatte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Gremium jahrelang unverdrossen für eine Fahrradmitnahme in Bussen gekämpft. Erst hatte er sie auf der Zollberglinie erreicht, dann im Stadtverkehr an den Wochenenden und in den Nachstunden. Damals waren noch Gegenargumente gefallen, wie etwa: „Die Fahrgäste würden sich an den Fahrradketten die Hosen schmutzig machen“ und Ähnliches. Inzwischen hat ein generelles Umdenken stattgefunden. Dass es jetzt eine Möglichkeit gebe, tagsüber, wenn auch außerhalb der Stoßzeiten, mit dem Bus zu fahren, sei ein wichtiger Schritt, um den ÖPNV weiter zu vernetzen, sagte auch die Grünen-Stadträtin Carmen Tittel.

Erst der Versuch wird es zeigen

Auch wenn Esslingen mit der Hindenburgstraße eine der längsten innerstädtischen Fahrradstraßen in Europa besitzt, haben es Fahrradfahrer schwer wegen der topografischen Lage der Stadt. Der größte Teil der Gemarkung Esslingens liegt nun mal am Hang oder auf dem Berg. Deswegen rechnet Ingo Rust auch damit, dass vor allem in den Abendstunden der Andrang am größten sein wird, weil die Leute morgens vom Hang ins Zentrum radelten, und sich den mühseligen Aufstieg am Abend mit dem Bus erleichtern wollten. Ob alle diese Vermutungen zutreffen oder nicht, das wird der Versuch zeigen. Bewährt sich das Modell, dann wird die Stadt auf ein einheitliches Konzept im ganzen Verkehrsverbund Stuttgart drängen.