Mietwohnungen im Ballungsraum sind ein rares Gut und deshalb teuer. Foto:Horst Rudel Foto:  

Der Wohnungsmarkt ist leergefegt. Darunter leiden auch Geflüchtete, denen abenteuerliche Absteigen zu ebensolchen Preisen zugemutet werden.

Esslingen - Ein kleines Zimmerchen, 1,5 Meter breit, eine Matratze auf dem Boden, daneben ein offener Koffer, das ist Georgs (Name von der Redaktion geändert) Zuhause. Weder für einen Schrank, noch für einen Tisch oder einen Stuhl reicht der Platz. Die Küche besteht aus einer Kochzeile im engen Flur. Die Kochgelegenheit teilt sich der junge Mann ebenso wie das Badezimmer und die Toilette mit seinen zeitweise fünf Mitbewohnern. Für Georgs Zimmer, das keine zehn Quadratmeter groß ist, in einer mittelgroßen Stadt im Landkreis Esslingen bezahlt das Jobcenter inklusive Nebenkosten rund 500 Euro monatlich. Hinzu kommt eine Kaution in Höhe von 1000 Euro. Insgesamt ist die Wohnung, die Georg mit seinen Mitbewohnern teilt, 60 Quadratmeter groß.

Solche und ähnliche Wohnsituationen kennt Kurt Hilsenbeck von der diakonischen Flüchtlingsarbeit im Landkreis Esslingen nur zur Genüge – sei es in der Kreisstadt selbst, aber auch in Plochingen, Altbach, Nürtingen und Kirchheim. „Das ist eine unerhörte Situation“, sagt er. Die Wohnungen seien teils teuer und in einem schlechten Zustand. Bestehende Wohnungen würden außerdem gerne parzelliert und als Wohngemeinschaft an mehrere Mieter vermietet. In den Mietverträgen, werde aber eine geringere Zahl an Mitbewohnern genannt, als tatsächlich vor Ort wohnten. Die Mieter legten ihre Mietverträge ihren jeweiligen Sachbearbeitern beim Jobcenter vor. Dass beispielsweise für eine Dreier-Wohngemeinschaft mehr als drei Mietverträge gleichzeitig laufen würden, falle dort dann niemandem auf.

Wohnung im Kartoffelkeller

Es sind aber nicht allein überbelegte Wohnungen, mit denen einige Vermieter richtig viel Geld verdienen. Die Qualität der Räume genügt häufig nicht einmal den einfachsten Ansprüchen. „In Baltmannsweiler wohnt jemand in einem Kellerloch. Ich würde dort vielleicht Kartoffeln lagern, aber wohnen kann man dort eigentlich nicht“, berichtet Kurt Hilsenbeck.

Auch in Esslingen würden Kellerräume an Geflüchtete vermietet. „Die Zustände sind desaströs“, findet der Diakonie-Mitarbeiter. In einem der Gebäude könne nicht einmal die Haustüre geschlossen werden, und es gebe dort auch noch Ungeziefer wie Kakerlaken.

Von der Situation und den unhaltbaren Zuständen in Esslingen kann auch Gertraude Rather von der Unterstützergemeinschaft Zell hilft berichten. „Man kann dort wohnen, aber es ist eine Katastrophe“, sagt sie über den Zustand einiger Wohnungen, die beispielsweise in Oberesslingen an Geflüchtete vermietet werden. Für Zimmer in Wohngemeinschaften, in denen sich auch Kakerlaken und Bettwanzen tummelten, würden Mieten von mehr als 500 Euro pro Monat berechnet. „Das Jobcenter bezahlt viel Geld, ohne den Gegenwert des Mietobjekts zu kennen“, klagt sie.

Kaution häufig einbehalten

Hinzu komme, dass oft die Kaution bei einem Auszug nicht zurückgezahlt werde. „Das ist ganz normal inzwischen.“ Bei vielen Mietern und einer hohen Kaution zwischen 1000 und 2000 Euro pro Mieter kämen dabei schnell hohe fünfstellige Beträge heraus, die einbehalten würden. Andernorts würden 60 Euro pro Monat für eine Möblierung berechnet, wobei die Möbel offensichtlich vom Sperrmüll stammten und dem Zusammenbruch nahe seien.

Von den angeschriebenen Vermietern, die jeweils mehrere Wohnungen an Geflüchtete vermieten, wollte lediglich einer ein Statement mit Namen abgeben. Hasan Iskirik aus Deizisau sagt ganz klar, dass er Wohnraum an Geflüchtete vermiete, um damit Geld zu verdienen. Noch einmal würde er diesen Schritt allerdings nicht gehen, wie er rückblickend meint. „Die Abnutzung der Wohnungen ist enorm“, berichtet der Unternehmer. Die Kehrwoche und die Mülltrennung würden nicht befolgt. Die Heizung würde ferner von vielen Mietern oft voll aufgedreht, und die Temperatur dann über offene Fenster wieder gesenkt.

Ein anderer Vermieter, der nicht genannt werden möchte, erklärt in einem am Telefongespräch, dass manche Geflüchtete die gemieteten Wohnungen ohne sein Wissen noch einmal untervermieteten und die Überbelegungen vor allem daher rührten. Auch er klagt über die Zustände in den Wohnungen. Die Mieter würden die Wohnungen innerhalb kurzer Zeit ruinieren, weshalb er es leid sei, noch mehr Geld in seine Immobilien zu investieren.

Endstation Obdachlosenunterkunft

Nach ihrer Ankunft in Deutschland werden Geflüchtete zunächst nach einem Verteilungsschlüssel in verschiedene Landkreise verteilt. Vielen von ihnen hat der Landkreis einen Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft angeboten. Dort müssen die Geflüchteten aber ausziehen, wenn sie entweder anerkannt oder geduldet sind oder länger als 24 Monate dort gewohnt haben. Dann werden sie aufgefordert, sich eine Wohnung zu suchen. Wenn sie keine finden, ist die jeweilige Kommune für eine Unterbringung zuständig. Weil die Städte und Gemeinden aber auch nicht unbegrenzt Wohnungen zur Verfügung haben, droht vor allem jungen alleinstehenden Männern die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft.

Das Jobcenter, das in vielen Fällen für die Mieten aufkommt, ist bei der Aufdeckung Missständen auf Hinweise angewiesen, wie die Behörde erklärt. Grundsätzlich entschieden Mieter und Vermieter darüber, ob ein Mietverhältnis zustandekomme oder nicht. Das betont das Jobcenter in einer schriftlichen Stellungnahme. „Das Jobcenter hat weder eine Überprüfungspflicht noch ein Zutrittsrecht zu den Wohnungen.“ Für die Übernahme der Mieten gebe es aber Obergrenzen. Ob die Angaben im Mietvertrag stimmen oder in welchem Zustand sich die Wohnung befindet, wird nicht überprüft. Erst wenn ein Betrugsverdacht vorliege, weise das Jobcenter das zuständige Baurechtsamt darauf hin. „In Extremfällen gibt es eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft“, so das Jobcenter.

Strengere Kontrollen angemahnt

„Auch wenn alles rechtens ist, ist es eine Sauerei“, ärgert sich der Diakoniemitarbeiter Kurt Hilsenbeck. Auf die Frage, wie die Probleme gelöst werden könnten, hat auch er keine einfache Antwort. Er plädiert dafür, dass die ehrenamtlichen Unterstützer der Flüchtlinge öfter beim Jobcenter auf problematische Mietverhältnisse aufmerksam machen. Bei intensiveren Kontrollen würde sich die Situation mittelfristig verbessern, hofft er. Bei einem Hinweis gehe das Jobcenter den genauen Umständen auch wirklich nach, und das habe dann auch Auswirkungen, hebt er hervor. In Plochingen habe sich die Situation nach einem Hinweis beispielsweise gebessert, berichtet Hilsenbeck.