In Essen sollen bei der dortigen Tafel vorübergehend nur noch Deutsche als Neukunden aufgenommen werden. Foto: dpa

Die Essener Tafel erfährt in diesen Tagen große Kritik, weil sie vorübergehend nur noch Deutsche als Neukunden aufnehmen möchte. Unser Autor Wolfgang Molitor hält das für pragmatisch und nicht rassistisch.

Stuttgart - Einer der acht verpflichtenden Tafelgrundsätze lautet: „Die Tafeln helfen allen Menschen, die der Hilfe bedürfen.“ Rund 60 000 Mitarbeiter zeigen sich in einer der größten sozial-ökologischen Bewegungen in Deutschland solidarisch mit den Schwachen in dieser Gesellschaft. Seit 25 Jahren. Bundesweit gibt es mittlerweile 934 Tafeln mit mehr als 2100 Tafelläden und Ausgabestellen, in denen bei Herstellern und Händlern gesammelte überschüssige und noch verwertbare Lebensmittel verteilt werden. An rund 1,5 Millionen Bedürftige.

Das sollte man vorher wissen, wenn man der Essener Tafel nach ihrer aus der Not geborenen Entscheidung, vorübergehend nur noch deutsche Bedürftige aufzunehmen, einen rassistischen Beiklang unterstellt. Arrogant und ahnungslos wie der giftige Beifall aus ultrarechten Ecken.

Pragmatismus ist kein Rassismus

Wenn eine Tafel wie in Essen vom Andrang überfordert, wenn ihr Grundsatz, allen zu helfen, im Alltag nicht umzusetzen ist, wenn unter 6000 Nutzern seit 2015 der Migranten-Anteil von 35 auf 75 Prozent gestiegen ist, dann muss sie abwägen. Muss überlegen, wie sie den Nutzeranteil wieder ins Gleichgewicht bekommt. Wenn alleinerziehende Mütter und ältere Nutzer auf Nachfrage sagen, sie trauten sich nicht mehr zu kommen, weil sie sich von fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt fühlen, dann muss man neu nachdenken.

Pragmatismus ist kein Rassismus. Ebenso wenig wie der Satz des Tafel-Vorsitzenden Jörg Sartor: „Wir wollen, dass auch die deutsche Oma weiter zu uns kommt.“ Die Essener Tafel versucht, für alle verantwortlich zu handeln. Dafür braucht sie mehr staatliche Unterstützung statt selbstgefällige Belehrungen von den eigenen Leuten.

wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de