Essen in den eigenen vier Wänden – ohne selber zu kochen Foto: Apetito

Essen auf Rädern hilft, wenn Kochen nicht möglich oder zu umständlich ist. Bundesweit werden täglich mehr als 320 000 Bürger zu Hause mit Mahlzeiten beliefert – vor allem Senioren. Der Markt für Essen auf Rädern ist umkämpft – Menüdienste, aber auch Supermärkte und Metzgereien mischen mit.

Stuttgart - Martha F. lebt allein und hat bislang noch selbst gekocht. Jetzt nach ihrer Hüft-OP ist der 85-Jährigen das Kochen zu beschwerlich, deshalb nimmt sie den Menüdienst der örtlichen Sozialstation in Anspruch und bekommt täglich ein Essen ins Haus geliefert. Suppe, Hauptgericht, Salat und Dessert für 6,50 – auf Porzellangeschirr im Thermobehälter.

„Für mich ideal“, sagt die alte Dame. Wenn ihr Hunger nicht so groß ist, spart sie sich die Suppe manchmal für den Abend auf. „Die wärm’ ich mir auf, dann hab’ ich noch mal was Heißes“, sagt sie.

Die Rentnerin ist eine von mehr als 320 000 Bundesbürgern, die mit Essen auf Rädern beliefert werden. Ein Millionenmarkt, der nur schwer zu fassen ist. Das Angebot ist vielfältig – von Hausmannkost bis zu diätischen Speisen, wahlweise servierfertig, aufwärmbar oder tiefgekühlt. Fast alles wird geliefert – je nach Wunsch und Anbieter.

Nicht alle Anbieter kochen selbst

Bundesweit gibt es etwa 2500 Mahlzeitendienste. Der Markt teilt sich zu je 50 Prozent zwischen privaten Anbietern und den regionalen Ortsverbänden der großen Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Johanniter, Malteser, Arbeiterwohlfahrt, Arbeiter-Samariter-Bund, Diakonie oder Rotes Kreuz auf. In Städten und Ballungsgebieten kann zwischen verschiedenen Angeboten ausgewählt werden, auf dem Land ist dies oft nicht möglich.

Nicht jeder, der Essen auf Rädern anbietet, kocht selbst. Viele der 2500 Anbieter arbeiten mit großen überregionalen Menüanbietern zusammen wie beispielsweise der Menü-Manufaktur Hofmann in Boxberg-Schweigern oder Apetito im westfälischen Rheine, dem Marktführer bei Essen auf Rädern in Deutschland. „Wir können eine stagnierende bis leicht positive Entwicklung verzeichnen“, sagt Apetito-Marketingleiter Michael Tschech.

Der demografische Wandel und die steigende Lebenserwartung werden sich ihm zufolge positiv auf die Entwicklung des Markts für Essen auf Rädern auswirken. Auch der Wunsch und die Notwendigkeit, möglichst lange in den eigenen vier Wänden alt zu werden, fördere den Bedarf nach sozialen Dienstleistungen wie Essen auf Rädern.

Markt wächst unterproportional zur Entwicklung der Zielgruppe

Allerdings wachse der Markt bei Apetito nur unterproportional zur Entwicklung der Zielgruppe von über 80-Jährigen, sagt Tschech. Der Grund: Immer mehr Anbieter konkurrieren um die Senioren. Metzger, Bäcker, Supermärkte und örtliche Gaststätten, die Speisen ausliefern oder Essen zum Abholen anbieten.

Die beliebtesten Menüs bei Senioren sind vor allem traditionelle Gerichte wie etwa Rinderroulade mit Rotkohl und Kartoffelklößen oder gegrillte Hähnchenkeule mit Gemüse und Salzkartoffeln, weiß Apetito-Manager Tschech. Doch die Rinderroulade bekommt immer mehr Konkurrenz.

Weil die Senioren von morgen auch internetaffiner sind, dürften Online-Bestellungen zunehmen, bestätigt Ulrich Enneking den steigenden Konkurrenzdruck. Der Professor an der Hochschule Osnabrück hat sich mit den Markttrends für ambulante Mahlzeitendienste befasst. Wird Essen per Mausklick bestellt, profitieren auch andere Bringdienste wie beispielsweise der Pizzadienst oder der Asia-Lieferservice.

„Der Markt hat sich gewandelt“

„Der Markt ist zerfasert und hat sich gewandelt“, beschreibt es Udo Bangerter vom DRK Baden-Württemberg. Essen auf Rädern habe heute nicht mehr diesen karitativen Charakter. Vor allem in Ballungsgebieten sei man dabei nicht mehr unbedingt auf die Hilfsorganisationen angewiesen, weil es auch viele andere Anbieter gäbe.

Zu klassischen regionalen Anbietern gehören mancherorts auch Seniorenheime, die ihre Küchenkapazitäten entsprechend nutzen – also nicht nur für die Heimbewohner kochen. So bietet die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in manchen Städten und Gemeinden einen offenen Mittagstisch an und liefert auch Menüs aus der Heimküche an Senioren nach Hause.

Finger Food für Demenzkranke

Dort, wo die AWO aber nur einen Pflegedienst betreibe, kooperiere man mit Menülieferanten wie etwa Hofmann oder Apetito, wenn jemand Essen auf Rädern wünsche, sagt Marcel Faißt vom AWO-Bezirksverband Württemberg.

Apetito – der Vorreiter für Seniorenverpflegung hat 1971 als erstes Unternehmen in Deutschland das als Essen auf Rädern bekannt gewordene System eingeführt – will mit speziell auf Senioren zugeschnittenen Menüs wachsen. Zum Angebot gehören auch püriertes Essen bei Schluckbeschwerden oder Finger Food für Demenzkranke.

Insgesamt gibt es bei Essen auf Rädern eine große Spannbreite. Je nach Menü, Anbieter und Service kostet ein täglich gebrachtes, warmes Mittagessen zwischen vier und neun Euro, hat die Stiftung Warentest ermittelt. Teils kommen Wochenendzuschläge und der Preis für die Wärmebox hinzu. Bei der Lieferung von Tiefkühlmenüs können sich rüstige Zeitgenossen das Essen erwärmen, wie sie Lust und Laune haben.

Info: Essen per Mausklick

Info: Essen per Mausklick

Die Lieferung von Mahlzeiten und Lebensmitteln boomt. Ob Döner, Burger, Pizza oder Sushi – mittlerweile gibt es eine Vielfalt an Lieferdiensten im Internet. Je nach Region gibt es auch Spezialitäten – Schweinebraten mit Knödel vom Knödelexpress in München gefällig? Auf eine warme Mahlzeit muss zu Hause keiner mehr verzichten.  

Mit dem klassischen Essen auf Rädern sind diese Lieferdienste nicht zu vergleichen, denn Essen auf Rädern wird regelmäßig und zu einem bestimmten Zeitpunkt geliefert. Das gab es auch schon, als vom Internet noch keine Rede war. Da aber Senioren von heute und vor allem von morgen zunehmend im Internet unterwegs sind, bestellen sie auch online ihr Essen, ohne auf die klassischen Mahlzeitendienste zurückzugreifen.

Immer mehr Zeitgenossen – egal ob jung oder alt – bestellen sich auch Lebensmittel über das Internet. Sie wollen kochen, sich aber die Einkaufstour sparen. Klassische Lebensmittelhändler wie etwa Edeka, Rewe oder Tengelmann positionieren sich im Internet, ebenso Discounter. Auch Online-Shops wie Amazon oder All you need, Emmas Enkel oder food.de drängen in das Geschäft der Supermärkte.

Der Grund: In Deutschland bietet der Markt der sogenannten schnell drehenden Konsumgüter mit einem jährlichen Umsatz von rund 210 Milliarden Euro enormes Potenzial. Einer Studie der Unternehmensberatung A. T. Kearney zufolge könnte der Online-Anteil 2020 bei sechs Prozent liegen, was zwölf Milliarden Euro Umsatz entspricht. Derzeit sind es weniger als ein Prozent.