Margarete Brodbeck hätte gern noch ein Schwätzchen mit Max Helbig gehalten – doch der muss weiter. Foto: Tilman Baur

Wenn jede Stunde eine Geschichte erzählt, hat der Tag 24 Geschichten. Eben diese erzählen wir in einer Serie. Von 11 bis 12 Uhr sind wir mit Max Helbig unterwegs, der auf den Fildern im Fünf-Minuten-Takt Mittagessen ausliefert.

Filder - Fahren, parken, laufen, reden: Im ganzen Stadtgebiet ist täglich der Menüservice der Diakonie in weißen Kleinwagen unterwegs. Die Fahrer beliefern jeden Vormittag rund dreißig Kunden im Fünf-Minuten-Takt.

Morgens geht es für den Essensboten Max Helbig in Hedelfingen los, in der Zentrale der Diakonie. Von dort aus geht es nach Wangen zum Großmarkt, wo die Firma „Apetito“ ihre täglich wechselnden Menüs in einer Großküche zubereitet. Die Fahrer laden dampfende, weiße Plastikbehälter in schwarze, rechteckige Styroporkisten, die die Hitze konservieren. Dann schwärmen sie in alle Stadtteile aus, um Hungrige satt zu bekommen.

Pudding in der Kühlbox

Auf den Tourenplänen der Fahrer sieht Helbig, welcher Kunde welches Menü bekommt. 30 Kunden stehen heute auf seiner Liste: Mahlzeiten, Straßennamen und andere Kundendaten sieht er dort auf einen Blick. Max Helbig hat die Styroporbox auf der Rückbank verstaut. Gulasch, Klopse, Eintopf, Fischstäbchen und Taler haben die Kunden heute bestellt. Sie wählen zwischen verschiedenen Kategorien: „Feine Küche“, „Vegetarisches“, „Regionale Spezialitäten“ oder „Vollkost“ stehen unter anderem zur Auswahl. „Süßes läuft immer gut“, sagt der 23-Jährige und deutet auf eine separate Kühlbox voller Pudding.

Seine Liefertour dauert rund vier Stunden: Um 9 Uhr steigt der Fahrer in Hedelfingen ins Auto, gegen 13 Uhr hat er meist alle Kunden beliefert. Um 11.03 Uhr kommt Helbig am Sautterweg auf dem Fasanenhof an – da hat er Halbzeit.

Helbig arbeitet seit Februar in Teilzeit als Fahrer. Seither kurvt er Tag für Tag durch die Straßen von Fasanenhof, Degerloch und Möhringen. Bis Oktober will er den Job machen, dann beginnt er eine Ausbildung zum Heilpraktiker. Die Tour ist eng getaktet, „fünf Minuten“ steht als Zeitangabe zwischen den Adressen.

Der Lieferant hat den Hausschlüssel

„Die meisten Leute sind nett auf meiner Tour“, findet der Fahrer. Lange Gespräche sind nicht drin, aber für einen netten Smalltalk mit den Kunden reiche sie allemal. „Jetzt hab‘ ich schon zugemacht“, ruft ein Mann mit Schildmütze, der sich gerade mit seinem Rollator von der Haustür eines großen Wohnkomplexes entfernt. „Kein Problem“, entgegnet Helbig. Den Schlüssel zur Wohnung hält er schon in der Hand. Einen ganzen Bund voller Haus- und Wohnungsschlüssel hat er stets dabei. Viele Kunden sind nicht so beweglich, es ist ihnen recht, wenn der Fahrer einfach in die Wohnung kommt. Dort angelangt, nimmt Helbig das Essen aus seiner Box und legt es in die des Kunden auf der Anrichte.

„Das ist schon ganz ordentlich“, erwidert ein älterer Herr auf die Frage, ob ihm denn schmecke, was da täglich aus der Großküche bei ihm ankomme. „Ich habe Zeiten erlebt, da wäre ich froh gewesen, überhaupt was zu essen zu haben“, sagt er. Man solle nicht so anspruchsvoll sein: Wenn ihm langweilig werde, dann könne er ja immer noch auswärts essen gehen. Auch die Zeit – es ist erst 11.30 Uhr – sei ihm nicht so wichtig, erzählt der gut gelaunte Herr: „Ich esse dann, wenn das Essen kommt“, sagt er. Max Helbig bestätigt das. Er weiß, wie das „Essen auf Rädern“ schmeckt: Wenn nach der Tour etwas übrig bleibt, darf er ab und zu ein Menü mit nach Hause nehmen.

Er kennt jede Straße auswendig

Insgesamt neun Fahrer sind Tag für Tag für die Diakonie im ganzen Stadtgebiet unterwegs. Helbig hat gleich im Februar die Degerloch-Tour übernommen, die anderen kennt er nicht. „Auf dieser Tour kenne ich natürlich jede Straße auswendig“, sagt er. Über die Kurt-Schumacher-Straße, den Rübezahlweg, die Obere Brandstraße und den Däumlingsweg geht es weiter in die Unteraicher Straße. In einem Mehrfamilienhaus öffnet ein Mann im Rollstuhl. Er legt einen gelben Papierstreifen auf die Box. Es ist der Bestellzettel für nächste Woche. „Der ist echt nett, er gibt immer Trinkgeld“, sagt der Fahrer.

Bei Margarete Brodbeck in der Oberdorfstraße wird Helbig schon erwartet. Das Fenster zur Einfahrt steht offen, und die ältere Dame schaut raus. Sie freut sich sogar, dass die Presse mit dabei ist. „Ich war früher Vorsitzende des Heimatvereins, da hatte ich viel mit Zeitungen zu tun“, erzählt sie gut gelaunt. Am liebsten würde sie das kleine Schwätzchen fortsetzen. Doch Max Helbig muss weiter. Es ist inzwischen kurz nach 12 Uhr, und auf seinem Tourenplan stehen noch mehr als zehn Kunden.

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