Nach dauernden Raketenangriffen aus dem Gazastreifen setzen sich am Donnerstag israelische Bodentruppen in Richtung Süden in Bewegung. Foto: EPA

Droht eine neue Eskalation in Nahost? Eben gab es noch Krawalle in Jerusalem nach einem mutmaßlichen Rachemord, jetzt bewegt Israels Armee Truppen in Richtung Gaza.

Droht eine neue Eskalation in Nahost? Eben gab es noch Krawalle in Jerusalem nach einem mutmaßlichen Rachemord, jetzt bewegt Israels Armee Truppen in Richtung Gaza.

Tel Aviv/Gaza - Israels Armee lässt die Muskeln spielen: Nach dauernden Raketenangriffen aus dem Gazastreifen setzen sich am Donnerstag Bodentruppen in Richtung Süden in Bewegung. Auch Reservisten werden eingezogen. Die Lage erinnert fatal an die Stimmung vor dem letzten großen Schlagabtausch zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas im November 2012.

Auch damals waren Truppen an den Rand des Küstenstreifens verlegt worden, letztlich kam es aber nicht zu einer Bodenoffensive. Bei achttägigen massiven Luftangriffen auf das Palästinensergebiet wurden damals nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Betselem 167 Menschen getötet. Vier israelische Zivilisten kamen durch Raketen- oder Mörsergranatenbeschuss ums Leben. Erstmals erreichten aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen auch die israelischen Großstädte Tel Aviv und Jerusalem.

In vieler Hinsicht ist die Lage heute anders. Das Nachbarland Ägypten, das damals mäßigend auf die Hamas eingewirkt hatte, hat im Zuge des Machtwechsels vor einem Jahr mit der radikalislamischen Organisation gebrochen. Deswegen wäre es nun schwieriger für Kairo, als Vermittler einzugreifen. Die gemäßigte Fatah des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas hat dagegen vor einem Monat ein Bündnis mit der Hamas geschlossen und eine Einheitsregierung gebildet. Es ist völlig offen, wie sich ein israelischer Militärschlag gegen den Verbündeten der Fatah auf die Zusammenarbeit mit Abbas’ Sicherheitskräften auswirken würde.

Aufrufe zur Rache über soziale Netzwerke

Für zusätzlichen Zündstoff sorgt die angespannte Lage seit dem Mord an drei jüdischen Jugendlichen im Westjordanland und dem mutmaßlichen Rachemord an einem 16-jährigen Araber. Auf beiden Seiten liegen die Nerven blank, es gibt zahlreiche Aufrufe zur Rache, vor allem über soziale Netzwerke.

Der ehemalige Leiter des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Avi Dichter, sagte am Donnerstag, Israel müsse „die militärische Terror-Infrastruktur der Hamas im Gazastreifen völlig zerschlagen“. Er sprach von „einem langanhaltenden Kampfeinsatz, der auch ein Jahr oder länger dauern kann“. Israel müsse „mit dem Kopf und nicht aus dem Bauch heraus agieren“.

Auch die ultrarechten israelischen Minister Avigdor Lieberman und Naftali Bennett haben eine Militäroffensive gegen die Hamas im Gazastreifen gefordert. Während Verteidigungsminister Mosche Jaalon vor einem Krieg warnte, sagte Bennett: „Wir werden sowieso einen Krieg mit Gaza führen. Deshalb ist es besser, wenn wir diejenigen sind, die ihn anfangen.“

Angesichts dieser Drohungen ist Hamas-Exilchef Chaled Maschaal offenbar bemüht, die Wogen zu glätten. Er hat betont, seine Organisation sei den Waffenruhe-Vereinbarungen von 2012 verpflichtet. Auch die israelischen Vorwürfe, Hamas stehe hinter dem Mord an den drei Jugendlichen, hat Maschaal zurückgewiesen.

Seit deren Entführung am 12. Juni hat die Armee im Westjordanland rund 500 Palästinenser festgenommen, die meisten davon Hamas-Mitglieder. „Wir stehen alle hinter unserem Volk im Westjordanland, und wir werden angesichts von Mord nicht stillhalten“, sagte Maschaal zu den Massenfestnahmen und dem Mord an dem jugendlichen Araber aus Ost-Jerusalem.

Der israelische Militärsprecher Peter Lerner betonte am Donnerstag, Israel sei keinesfalls an einer Offensive im Gazastreifen interessiert. „Ganz im Gegenteil“, sagte er. „Aber wir brauchen die Truppen für den Fall, dass Hamas die Lage weiter eskalieren lassen will.“ Die zusätzlichen Truppen sollten lediglich „Verteidigungspositionen“ am Rande des Palästinensergebiets am Mittelmeer einnehmen, sagte er.