Unmittelbar nach seiner Ankunft, noch auf dem Flughafen von Tel Aviv, appellierte Antony Blinken an Israelis und Palästinenser,auf Gewalt zu verzichten. Foto: AFP/Ronaldo Schemidt

Der amerikanische Außenminister Antony Blinken hat zum Auftakt eines Israel-Besuchs an Israelis und Palästinenser appelliert, nach der jüngsten Gewalteskalation auf eine Entschärfung des Konflikts hinzuwirken. Aber die Chancen auf eine Deeskalation stehen schlecht.

Die Nahost-Reise des US-Außenministers Antony Blinken fällt in eine äußerst angespannte Phase: Schon lange ist der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nicht mehr derart blutig eskaliert wie derzeit. Bei seiner Ankunft am Flughafen von Tel Aviv verurteilte Blinken am Montag all jene, welche die Gewalt in Jerusalem und „alle anderen Terrorakte, die unschuldige Menschenleben kosten“, zelebrierten. Es liege in „der Verantwortung eines jeden, Maßnahmen zu ergreifen, um die Spannungen zu beruhigen, anstatt sie zu schüren“. Die Chancen, dass der US-Chefdiplomat erhört wird, stehen jedoch schlecht.

Am Freitag erschoss ein Palästinenser in Jerusalem sieben Menschen vor einer Synagoge. So viele Menschen sind bei einer einzigen Attacke in Israel schon seit Jahren nicht mehr ums Leben gekommen. In den darauffolgenden Tagen wurden bei weiteren Schussattacken, die Experten für Nachahmertaten halten, zwei weitere Israelis verletzt; einer der Täter war nur 13 Jahre alt.

Die israelische Armee wiederum hatte am Donnerstag neun Palästinenser im Rahmen einer Militäroperation im Flüchtlingslager Dschenin getötet. Am darauffolgenden Morgen schossen Palästinenser mehrere Raketen aus dem Gazastreifen gen Israel ab. Verletzt wurde niemand. Die israelische Luftwaffe bombardierte anschließend Ziele der Hamas, die Gaza kontrolliert und von Israel daher für jeden Raketenbeschuss aus der Enklave verantwortlich gemacht wird.

Hamas ruft weiter zu Vergeltung auf

Zum Auftakt seiner Nahost-Reise besuchte US-Außenminister Blinken zunächst Ägypten und reiste anschließend weiter nach Israel, wo unter anderem ein Treffen mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf dem Programm stand. Für diesen Dienstag ist ein Termin mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas, in Ramallah angesetzt. Nach einer Beruhigung der Lage sieht es derzeit jedoch nicht aus. Die Hamas ruft wie üblich zu weiteren Vergeltungsaktionen gegen Israelis auf; in palästinensischen Städten feierten große Menschenmengen die Anschläge der letzten Tage, wie Videos in palästinensischen Medien zeigten.

PA-Präsident Abbas wiederum kündigte infolge der blutigen Razzia in Dschenin an, die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel aufzukündigen. Für gewöhnlich tauscht Israel mit der PA geheimdienstliche Informationen aus, und die Sicherheitskräfte beider Seiten kooperieren, um terroristische Zellen im Westjordanland auszuheben – beispielsweise der Hamas, die als Rivale der PA auch deren Herrschaft bedroht.

Israelische Sicherheitsexperten zeigten sich denn auch nicht übermäßig besorgt durch die Maßnahme: Es handele sich um eine symbolische Verkündung, die Abbas gewiss bald rückgängig machen werde, urteilt etwa der Analyst und frühere Geheimdienstmitarbeiter Avi Melamed.

Bestrafung von Angehörigen der Täter?

Die neue israelische Regierung, zu der erstmals auch rechtsextreme Kräfte wie die Partei Jüdische Stärke zählen, verfolgt ihrerseits eine harschere Politik gegen Terroristen und ihre Angehörigen als ihre Vorgänger. „Unsere Antwort auf den Terrorismus ist eine harte Hand und eine kraftvolle, schnelle und präzise Reaktion“, verkündete Netanjahu nach den jüngsten Anschlägen. Inzwischen hat die Polizei 42 Verwandte des Attentäters vom Freitag festgenommen, und die Armee hat dessen Haus geräumt und versiegeln lassen.

Zudem diskutiert die Regierung derzeit weitere Wege, die Angehörigen des Täters zu bestrafen, unabhängig davon, ob sie ihm geholfen haben oder nicht. Regierungsmitglieder haben etwa vorgeschlagen, ihnen die Sozialleistungen zu streichen oder sie gar ins Westjordanland zu deportieren.