Die Ausstellung inklusive Zeitreisen in die Vergangenheit und die Zukunft spricht unterschiedliche Sinne und Altersgruppen an. Foto: Stadtpalais

Das Stadtpalais erprobt ein ungewöhnliches Format, das es so noch nicht im Museum gab: Die Ausstellung „Stuttgart in der verlorenen Zeit“ ist als Escape Room konzipiert.

Stuttgart - Zugegeben, Stuttgart ist nicht Berlin, aber hat es durchaus zu etwas gebracht. Wobei sich die Dinge auch ganz anders hätten entwickeln können. Die Konkurrenz war immer schon groß, deshalb gab es in der Geschichte mehrfach Situationen, in denen Stuttgart fast der Rang abgelaufen worden wäre von anderen Städten. Wer sich etwa in diesen Tagen im Stadtpalais auf Zeitreise begibt, muss leider feststellen, dass Stuttgart im Jahr 2030 in der Bedeutungslosigkeit versunken sein wird. Die großen, markanten Gebäude fehlen in der Stadtsilhouette, und weder ist man Landeshauptstadt noch anderweitig hervorragend. Um das zu ändern, braucht es das Publikum.

„Stuttgart in der verlorenen Zeit“ nennt sich die neue Ausstellung im Stadtpalais, die ein höchst ungewöhnliches Konzept erprobt, das es so noch nie in der Museumslandschaft gab. Denn die Schau ist als Escape Room konzipiert. So nennt sich ein besonderes Freizeitvergnügen, bei dem sich mehrere Personen in einen Raum einschließen lassen, den sie erst wieder verlassen können, wenn sie gemeinsam Rätsel gelöst haben. Ein Spielkonzept, das in den vergangenen Jahren viel Zulauf hatte, so dass es inzwischen in jeder größeren Stadt Escape Rooms gibt, in denen man in einer vorgegebenen Zeit gemeinsam Aufgaben lösen muss.

Viele Ideen wurden von Spiele-Entwicklern abgeschaut

Im Stadtpalais können sich nun Gruppen von drei bis sechs Personen auf Zeitreise begeben und Fehler aufspüren, die sich in die Erzählung der Geschichte Stuttgarts eingeschlichen haben. Ein aufwendiges Projekt, das von der Baden-Württemberg-Stiftung unterstützt wurde, weil es Maßstäbe setzt. Entwickelt wurde die Ausstellung vom Stadtpalais und Visuell, einer jungen Stuttgarter Agentur für Kommunikation, die sich viel von neuen Spiele-Konzepten hat anregen lassen und die Ausstellung als Reise konzipiert hat, die am Hauptbahnhof beginnt.

Im ersten Zugabteil zeigt ein Video das fehlerhafte Zukunftsszenario. Dann geht es zurück in die Vergangenheit – zunächst ins Jahr 1744, als Herzöge in der Region versuchten, ihre Macht auszubauen. Hinweise hierzu geben historische Dokumente an den Wänden, einige sind allerdings gefälscht. Auf einem großen, interaktiven Tisch, in dem viel Technik steckt, können die Teilnehmer die Akteure und Machthaber der Zeit kennenlernen.

Der Wechsel der Medien soll die Aufmerksamkeit wachhalten

„Über das Spiel soll man merken, dass Geschichte doch spannend ist“, sagt Silvia Gebel, die Kuratorin der Ausstellung. Um für die Ereignisse in der Vergangenheit zu sensibilisieren, wird bei der Gegenwart begonnen – bei historischen Gebäuden, die heute noch existieren und jeder schon mal gesehen hat. Die einzelnen Stationen sind aber auch so konzipiert, dass unterschiedliche Sinne angesprochen werden. Es wird mit Schrift, Ton und interaktiver Technik gearbeitet. Mal müssen Tierspuren gezählt werden, dann wieder kann man mit einer Taschenlampe, die jede Gruppe mit auf die Reise bekommt, an den Wänden Informationen entdecken, die nur bei Schwarzlicht sichtbar sind. Da sich viele Menschen nur noch schwer länger auf eine Sache konzentrieren können, ist ein solcher Wechsel der Medien inzwischen ein probates Mittel, um die Aufmerksamkeit des Publikums im Museum wachzuhalten.

Der nächste Raum führt auf den Stuttgarter Marktplatz im Mittelalter. Zwischen Fässern, Holzrädern, Glasgefäßen stehen Gestalten, die man sprechen hört. Hier heißt es, die Ohren spitzen, um herauszubekommen, was Gerüchte, was Fakten sind, wie sich die Macht während der Reichskriege verschoben hat – und was das für Graf Eberhard und seine Mannen bedeutete. Zuhören zu müssen – auch das ist ein Versuch, die Konzentration der Besucherinnen und Besucher nach der ersten Aufregung zu schärfen.

Vorwissen benötigen die Teilnehmer nicht

Von acht bis 99 Jahre ist der Escape Room konzipiert, für die Kinder gibt es auch eine kleine Kletterwand und eine Rutsche. Immer wieder wird versucht, alle Teilnehmer zum gemeinsamen Rätseln anzuleiten. So muss im Stuttgarter Sumpf gegraben und den anderen beschrieben werden, was man spürt. „Für uns als Museum ist das eine ganz neue Ebene an Ausstellung“, sagt Silvia Gebel, wobei das Stadtpalais mit dem Format des Escape Rooms schon erste Erfahrungen im neu gestalteten Hegel-Haus gemacht hat, auch wenn der dortige Raum nicht vergleichbar ist mit dem komplexen Projekt im Stadtpalais.

Die letzte Zeitreise führt weit in die Vergangenheit zurück, die Besucher landen bei der Gründung Stuttgarts. Angeblich wurden die Pläne für den Bau des Wasserschlosses zerrupft. Schaffen die Teilnehmer es, sie zusammenzusetzen, damit die Entwicklung von Stuttgart ihren Lauf nehmen kann? Sorge, dass man aus dem Escape Room mangels Geschichtskenntnissen nicht mehr herauskommt, muss übrigens niemand haben. Die Ausstellung ist so konzipiert, dass sich die Rätsel auch ohne Vorwissen lösen lassen.

Stuttgart spielerisch entdecken

Escape Room I
Die Escape-Ausstellung „Stuttgart in der verlorenen Zeit“ im Stadtpalais ist bis 21. Februar geöffnet und für Erwachsene und Kinder ab acht Jahren geeignet. Gruppen von drei bis sechs Personen können Zeitfenster von neunzig Minuten buchen, die zwölf Euro kosten. Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, freitags bis 21 Uhr.

Escape Room II
Im neu gestalteten Hegel-Haus gibt es ebenfalls einen Escape Room, in dem die Spielerinnen und Spieler zurück in Hegels Zeit an der Jenaer Universität reisen. Er ist während der Öffnungszeiten des Museums spielbar, kann aber auch zu anderen Terminen gebucht werden von Gruppen von zwei bis fünf Personen – zu fünfzig Euro.

Minigolf
Bis 15. November kann man Stuttgarter Stadtgeschichte auch auf der Minigolfanlage im Museumsgarten des Stadtpalais kennenlernen. Schläger und Bälle für bis zu fünf Personen können an der Museumstheke ausgeliehen werden. Die 9-Loch-Anlage ist von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet zwei Euro pro Person.