Matthias Maurer – ein bodenständiger Teilzeit-Außerirdischer Foto: Eibner-Pressefoto/Roger Buerke

Matthias Maurer war 175 Tage auf der Internationalen Raumstation ISS – spannende Einblicke in seine Mission gab es am Donnerstagabend in der Herrenberger Stadthalle. In einem Kinderbuch und in seiner Autobiografie hat er seine Erlebnisse festgehalten.

Der Weltraum ist für die meisten Menschen unerreichbar – für die vielen Interessierten in der voll besetzten Stadthalle rückte er am Donnerstagabend für knapp zwei Stunden in beinahe greifbare Nähe: Die fesselnde, begeisternde Art, mit der Astronaut Matthias Maurer von seinen 175 Tagen auf der Internationalen Raumstation ISS berichtete, machte dies möglich.

 

Gemeinsam mit Sarah Konrad, die Autorin bei der Saarbrücker Zeitung ist und mit der Matthias Maurer seine beiden bisher erschienen Bücher geschrieben hat, nahm der 54-jährige gebürtige Saarländer sein Publikum mit auf seine Mission: Im lockeren Interviewformat berichtete er vom Auswahlverfahren bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA, über das vielfältige Vorbereitungstraining und den Start vom Kennedy Space Center in Florida am 11. November 2021 im Crew-Dragon-Raumschiff von Space X. Außerdem hatte er auch Videosequenzen von der Arbeit und Leben an Bord der ISS und der Rückkehr zur Erde mitgebracht. Im zweiten Teil beantwortete der promovierte Werkstoffwissenschaftler Fragen aus den Zuhörerreihen.

Trotz Krieg funktioniert das Team

Beim Astronauten-Auswahlverfahren sei es nicht nur um Fachwissen, sondern vor allem um Teamfähigkeit gegangen, berichtete Maurer: „Unsere Raumstation funktioniert nur, wenn alle ein Team sind. Nur so lassen sich Probleme lösen“. Das hätten sie bei ihrer Mission, zu der neben dem deutschen ESA-Astronauten auch US-Kollegen und russische Kosmonauten gehörten, auch geschafft, als Russland die Ukraine angegriffen habe.

Die ersten Minuten nach dem Start, in denen die Astronauten in ihre Sitze gepresst werden, seien „so das Intensivste, was ein Astronaut erlebt“. Die Begrüßung durch die Kollegen auf der ISS sei dann der nächste „ganz unglaubliche Moment“ gewesen. An Bord habe er sich „gleich zu Hause“ gefühlt, kannte er sie doch schon vom Training auf der Erde in nachgebauten Modulen: „Aber plötzlich ist alles schwerelos“ – und da die Station mit Leben gefüllt sei, sehe es dort „deutlich weniger aufgeräumt“ aus. Sein Lieblingsplatz von Beginn an: der kuppelförmige Beobachtungsturm. Der erste Blick von dort auf die Erde sei der Moment, „den ich für den Rest meines Lebens im Herzen mittragen werde.“

Vom straffen Zeitplan für rund 150 Experimente berichtete Matthias Maurer ebenso wie von seinem knapp siebenstündigen Außenbordeinsatz, bei dem er sich kurzzeitig in den Sicherungsleinen verheddert hatte. Mit Hilfe von Anweisungen der Bodencrew, die ihn über Kameras im Blick hatte, sei es ihm gelungen, sich zu befreien. Auch dass auf der ISS täglich Sport auf dem Plan steht, um dem Muskel und Knochenabbau in der Schwerelosigkeit entgegenzuwirken, erzählte er – und davon, dass Essen nicht wie daheim schmeckt. Körperhygiene, die Gefährdung der ISS durch Meteoriten waren in der abschließenden Fragerunde ebenso Thema wie die Rückkehr zur Erde. Da der Aufprall auf dem Wasser mit lediglich 30 Kilometern pro Stunde erfolgte, sei dieser nicht besonders hart gewesen. Den Wiedereintritt in die Atmosphäre beschrieb Maurer dagegen als „wilden Ritt“.

Die finale Frage drehte sich um sein Gehalt. Er verdiene als Angestellter im Öffentlichen Dienst so viel wie jemand, der beim EU-Patentamt oder in einem Brüsseler Ministerium arbeite, lautete Maurers Antwort: „Ich würde diesen Job aber auch machen wollen, wenn ich nichts verdiene. Es ist einfach ein supertolles Abenteuer.“

Eintrag im Goldenen Buch der Stadt

Es war nicht der erste Astronaut der dank der Kontakte des Herrenberger Jugendforschungszentrums Aerospace Lab, zu dessen Gründungs- und Vorstandsmitgliedern Heinz Voggenreiter, Direktor beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, zählt, der Gäustadt einen Besuch abstattete. So hat sich bereits Charlie Duke, der mit der Apollo-16-Mission zum Mond geflogen war, im Goldenen Buch der Stadt verewigt. Diese Ehre wurde auch Matthias Maurer zuteil: „Ganz herzliche Grüße aus dem Weltall an die wundervolle Stadt Herrenberg. Ich freue mich riesig über die große Weltraumbegeisterung und die tollen Nachwuchsastronauten, die ich hier kennengelernt habe. Weiter so!“, lautet sein Eintrag.

Nach dieser Unterschrift folgten noch zahlreiche weitere: Lang war die Schlange der großen und kleinen Weltraumfans im Foyer, die sich ihr Buchexemplar signieren lassen und so ihr eigenes Stück Weltraumerinnerung mit nach Hause tragen wollten.

In einem Kinderbuch und in seiner Autobiografie erzählt Maurer von seinem Abenteuer. /Roger Buerke

Neben dem neu in der Was-ist-was-Reihe erschienenen Buch „Mission im Weltraum“, das von Noa Sauer illustriert wurde, hat Matthias Maurer auch seine Autobiografie gemeinsam mit Sarah Konrad verfasst. „Cosmic Kiss: Sechs Monate auf der ISS – Eine Liebeserklärung an den Weltraum“ ist im Oktober 2023 erschienen.

Fakten zur Weltraumstation ISS

Die Größte
 Die ISS ist das größte menschengemachte Objekt im Weltall und kreist bereits seit Ende des Jahres 1998 um die Erde.

Völkerverständigung
  Eigentlich war die Raumstation als militärische Station von den USA geplant. Es kam allerdings anders. Insgesamt 16 Staaten beteiligten sich am Bau und kümmern sich um die Instandhaltung. Laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik wurden dort mehr als 3000 wissenschaftliche Experimente aus 108 Staaten durchgeführt. Sage und schreibe 250 Personen aus 19 Ländern sind bislang zum größten Erdsatteliten geflogen.

Groß aber schnell
 Allein die Solarzellen, die die ISS mit Strom versorgen, machen insgesamt eine Fläche von 4500 Quadratmetern aus. Da wirkt die Geschwindigkeit, mit der sie in nur etwa 93 Minuten einmal um die Erde kreist, umso erstaunlicher:  7,66 Meter pro Sekunde. Das entspricht 27 576 Kilometern pro Stunde.