Während in der Pandemie mancherorts klare Regeln gelten, fühlen sich viele Bürger von der Bundesregierung nicht gut über neue Vorschriften informiert. Foto: dpa/Christoph Soeder

Der neu eingesetzte Expertenrat der Bundesregierung kritisiert die über weite Strecken schlechte Informationspolitik während der Corona-Pandemie. Er fordert mehr Klarheit und eine besser auf verschiedene Zielgruppen ausgerichtete Kommunikation.

Berlin - Ihre fünfte Stellungnahme hat es in sich: Die Expertinnen und Experten, die die neue Bundesregierung in der Pandemie beraten, lassen kaum ein gutes Haar daran, wie die Bevölkerung über die Lage und die daraus zu ziehenden Schlüsse informiert wird. „Ein Mangel an Übereinstimmung von verfügbaren Informationen, ihrer Bewertungen und den resultierenden Empfehlungen“, so lautet der zentrale Satz, „trägt zu Verunsicherung der Bevölkerung bei, bietet Angriffsfläche für Falsch- und Desinformation, untergräbt das Vertrauen in staatliches Handeln und gefährdet den Erfolg von wichtigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit.“ Mit Beispielen unterfüttert das Gremium den Vorwurf nicht – sie liegen auf der Hand.

Gemischte Signale

Das fängt bei der aktuellen Infektionslage an. Die Omikron-Welle ist so hoch wie keine andere zuvor, zugleich überlastet sie – auch wegen des verbreiteten Impfschutzes vor schweren Verläufen – das Gesundheitssystem bisher nicht. Da allein vergangene Woche ein Prozent der Bevölkerung infiziert wurde, läuft zumindest eine durch die noch geltenden Beschränkungen gebremste Durchseuchung mit der milderen, aber nicht gefahrlosen Virusvariante bereits ab. Die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz sandte daher gemischte Signale aus. „Kurs halten“, hieß es auf der einen Seite, auf der anderen stand eine „Öffnungsperspektive“, während Lothar Wieler als Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI) vorhersagte, dass durch die hohen Fallzahlen „die Zahl der Hospitalisierungen und der Todesfälle natürlich wieder steigen wird“.

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Widersprüchlich waren auch die Beschlüsse zur künftigen Testverordnung, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) diese Woche finalisieren will. Einerseits hieß es stets, Tests würden im weiteren Pandemieverlauf immer wichtiger werden. Nun aber, da die Zahlen explodieren, sollen die Testkapazitäten nicht nennenswert ausgebaut, sondern priorisiert werden. Weil positive Schnelltests ohnehin nicht in die Statistik einfließen, schmälert das auch die Entscheidungsgrundlage weiter. Der Expertenrat bemängelt, dass der „geduldete Mangel an Daten die wissenschaftliche Analyse und Bekämpfung der Pandemie erschwert“.

Expertenrat fordert „konkrete Entscheidungshilfen“

Vom Vorschlag der Fachleute, in neuen Lagen „konkrete Entscheidungshilfen“ direkt auf die Corona-App aufzuspielen, ist die Krisenkommunikation auch im Umgang mit der Pandemie selbst noch weit entfernt: Zuletzt verkürzte das dem Gesundheitsministerium unterstellte RKI über Nacht den Zeitraum, in dem ein Infizierter als genesen gilt, von sechs auf drei Monate – ohne Betroffene vorzuwarnen.

Der Expertenrat gibt eine Reihe von Empfehlungen ab, wie es besser laufen könnte. Er empfiehlt den Aufbau von Strukturen, die vorliegende Informationen aus Studien, Vorhersagemodellen zum Verlauf der Pandemie und Statistiken zusammenführen – eine Aufgabe, von der Behörden und Ministerien nur „Teile realisieren“ würden. Zudem müsste regelmäßig erfasst werden, wie die Bürgerinnen und Bürger zu den Coronamaßnahmen stehen oder wie groß ihre Impfbereitschaft ist. Außerdem sollten die Informationsangebote viel genauer auf die jeweiligen Zielgruppen ausgerichtet und soziale Medien auf „Trends und Falschinformationen“ hin ständig im Blick behalten werden.

Einheitliche Kommunikation bleibt womöglich „frommen Wunsch“

Für die Ampelkoalition kündigte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag an, die Vorschläge zu prüfen – er wies dabei auch auf den Widerspruch hin, wenn „eine unabhängige Institution, die staatsnah sein soll“, gefordert werde. In der Pandemie habe auch die Politik „viel lernen müssen“, weshalb eine einheitliche Kommunikation womöglich „ein frommer Wunsch“ bleibe. Als „geglückt“ bezeichnete er jedoch, dass der neue Expertenrat nun immer vor Ministerpräsidentenkonferenzen öffentlich seine Einschätzung abgebe und damit zu mehr Transparenz der Coronapolitik beitrage.