Mehr Zeit mit dem Kind zu verbringen fördert die Vater-Qualitäten. Foto: Liane Metzler/Unsplash

Es hält sich hartnäckig die Vorstellung, Frauen hätten einen biologischen Vorteil bei der Pflege der Kinder. Dabei kann jeder seinen Hormonhaushalt auf Pflegemodus schalten.

Dass Männer in der Lage sind, Kinder großzuziehen, stellt heute niemand mehr infrage. Doch in vielen Familien verlangt das Kleinkind, sobald es müde wird, schreit oder Trost sucht, nach der Mama. Mancher Vater nimmt dies als Ablehnung wahr. Dass das eigene Kind sich nicht von einem trösten lässt, kann schmerzen. Und auch Müttern wäre geholfen, wenn sich die Babys von ihren Vätern bereitwilliger beruhigen ließen.

Fällt Frauen fürsorgliches Verhalten leichter, weil sie biologisch besser aufgestellt sind? Auch wenn diese Hypothese immer wieder in Gesprächen, Mama-Blogs oder Ratgebern auftaucht, es handelt sich dabei um ein ungesichertes Gerücht.

Neurobiologische Studien legen nahe, dass die Frauen keineswegs besser geeignet sind für die Fürsorge von Kindern als Männer. Dennoch gibt es einen großen Unterschied zwischen Vätern und Müttern. Neurobiologen halten ihn für sehr relevant: die gemeinsam verbrachte Zeit.

Fest steht, dass Mütter wesentlich mehr Zeit mit den Kindern verbringen als Väter. Entsprechend hat ihr Gehirn mehr Gelegenheit, das biologisch angelegte Pflegeverhalten zu aktivieren und anzukurbeln. Gerade bei Berührungen schüttet der Körper Oxytocin aus, was dazu führt, dass Mütter und Kinder die Zeit miteinander als Belohnung empfinden.

Seit den 1950er Jahren hat sich die Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung vervierfacht, wie Soziologen in einer Studie aus dem Jahr 2016 feststellen. Doch auch wenn Männer heute mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, kommen sie nur auf ungefähr eine Stunde pro Tag; in den 50er Jahren waren es gerade einmal 15 Minuten.

Verbringen Väter viel Zeit mit ihren Kindern, beobachten Forscher ähnliche Effekte wie bei den Müttern: Der männliche Testosteronspiegel sinkt, und der Oxytocinspiegel steigt. Dies hilft ihnen dabei, angemessen und sensibel auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen.

Doch nicht nur die gemeinsam verbrachte Zeit entscheidet über die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Auch die Art des Umgangs mit dem Kind spielt eine Rolle. Ein respektvoller Umgang mit dem Kind und seinen Bedürfnissen erfordert vom Erwachsenen flexibles Denken, Geduld und Wärme. Ob man dies mitbringt, hängt auch von der Persönlichkeit des jeweiligen Elternteils ab.

Der Neurowissenschaftler Pascal Vrticka sagt: „Lange Zeit herrschte der kulturelle Glaube vor, dass Männer keine liebevollen Bezugspersonen sein könnten. Doch das gilt als überholt“, sagt er.

Vrticka hat selbst zwei Kinder und forscht zur Vater-Kind-Beziehung an der Universität Essex in Großbritannien. Er interpretiert die heute bekannten wissenschaftlichen Befunde folgendermaßen: „Auch das Gehirn der Männer kalibriert sich neu nach der Geburt des ersten Kindes. Dieser Prozess wird nur anders aktiviert.“

Wie beim Üben jeder neuen Fähigkeit hinterlässt die Erfahrung, sich um ein Kleinkind zu kümmern, Spuren im Gehirn junger Eltern. Auch beim Lernen einer neuen Sprache oder beim Musizieren verformt sich das Gehirn und passt sich entsprechend an.

Dies zeigt eine Studie des Vrticka-Teams. Die Wissenschaftler untersuchten das Volumen eines für Fürsorge und Bindung wichtigen Hirnareals bei 50 Vätern und 45 Nicht-Vätern. Dabei stellten sie fest, dass jene Väter ein höheres Volumen in diesen Hirnregionen aufwiesen, die ein stärkeres Selbstvertrauen und Freude angesichts ihrer Vaterrolle äußerten.

Welche Schlüsse lassen diese Ergebnisse zu? Vrticka: „Je mehr Zeit Väter mit ihren Kindern verbringen, desto besser schwingt sich das männliche Gehirn auf das Kind ein.“ Die Fürsorge fällt leichter. Der Körper belohnt den Einsatz.

Die Psychologin Ruth Feldman und ihr Team untersuchten, wie Eltern auf ihr erstgeborenes Kind reagierten. Zuvor teilten sie die Eltern in drei Gruppen auf. Bei der ersten Gruppe handelte es sich um Mütter, die sich allein um ihr Kleinkind kümmerten.

Die zweite Gruppe bestand aus Vätern in einer homosexuellen Beziehung, die beide gleichermaßen das Kind umsorgten. Gruppe drei umfasste Väter, die die Mutter bei der Fürsorge zwar unterstützten, aber nicht hauptverantwortlich für ihren Nachwuchs zuständig waren – die Forscher bezeichnen diese Männer als sekundäre Väter.

In ihrem Experiment filmten die Wissenschaftler den Umgang dieser drei Elterngruppen mit ihren Kindern. Anschließend forderten sie jede Gruppe auf, sich in einen Computertomografen zu legen und die Videos anzuschauen.

Dabei stellten die Forscher fest, dass bei den Müttern und den homosexuellen Vätern vor allem die Amygdala aktiviert war – eine Hirnstruktur, die wichtige Informationen rasch erkennt und diese emotional einfärbt.

Bei sekundären Vätern hingegen beobachteten die Forscher eine Aktivität im Temporallappen. Diese Hirnregion ist dazu in der Lage, Emotionen sowie Ziele und Absichten in anderen Gesichtern zu erkennen. So gelingt es, das Verhalten unserer Mitmenschen zu lesen und daraus abzuleiten, was in deren Köpfen vorgeht.

Während die Frauen und die homosexuellen Väter also die Videos mit einer emotionalen Brille schauten, betrachteten sekundäre Väter die Sequenzen mit der Brille der kognitiven Perspektivübernahme.

„Geht es darum, die Bedürfnisse des Kindes zu verstehen, kommen Väter eher vom Kognitiven“, sagt Vrticka. Doch auch so lassen sich die kindlichen Bedürfnisse erkennen und eine Verbindung zum Kind aufbauen.

Die Frage, ob nur Frauen ein angeborenes Pflegeverhalten aufweisen, lässt sich jedenfalls mit einem klaren Nein beantworten. Väter bringen neurobiologisch alle Voraussetzungen mit, um kompetente Bezugspersonen zu sein.

Wer als Vater seine Kinder berührt, mit ihnen tollt und tobt, gibt dem Körper die Gelegenheit, sich optimal auf die Elternrolle vorzubereiten. Das Gehirn aktiviert die entscheidenden Areale, verbindet und formt sie.

In der Folge erscheint Männern die Fürsorge lohnender und attraktiver. Sie haben Spaß dabei, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Die Freude darüber stärkt das Selbstvertrauen und die Sicherheit. Eine Dynamik, die sich selbst verstärkt: Denn wir alle machen gern, worin wir gut sind.

So profitieren alle: Eine wachsende Zahl von Forschungsergebnissen zeigt, dass Kinder mit engagierten und präsenten Vätern körperlich gesünder und kognitiv leistungsfähiger sind. Verbringen Väter mehrere Stunden pro Tag mit ihrem Nachwuchs, profitieren die Kinder also enorm.