Das Stipendium soll die klassische Ausbildung wieder attraktiver machen. Foto: dpa/Uwe Anspach

Aufgrund fehlender Fachkräfte in der Kinderbetreuung kann die Stadt Stuttgart Tausende Plätze nicht vergeben. Mit Stipendien sollen nun Auszubildende gewonnen werden. Das lässt sie sich in den nächsten zwei Jahren 1,8 Millionen Euro kosten.

Von diesem September an fördert die Stadt Stuttgart Fachschülerinnen und Fachschüler, die auf klassischem Weg Erzieherin oder Erzieher werden wollen, mit einem Stipendium. Der Gemeinderat hat im Doppelhaushalt 2022/2023 dafür insgesamt 1,8 Millionen Euro bereitgestellt. Mit dieser Summe können laut Stadt circa 450 Stipendien parallel finanziert werden.

Hintergrund dieser Maßnahme ist der akute Fachkräftemangel in den Kinderbetreuungseinrichtungen. Der jüngste Jahresbericht zur Situation der Stuttgarter Kitas hat offenbart, dass rund 4000 Plätze für Kinder zwischen einem und sechs Jahren nicht belegt werden können – vor allem wegen fehlenden Personals, in zweiter Linie auch wegen Verzögerungen beim Ausbau oder wegen Angebotsumstellungen. Auch soll es eine Abkehr vieler Schulabgängerinnen und Schulabgänger von der in den ersten beiden Jahren unbezahlten klassischen Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher geben.

Wesentlich beliebter ist mittlerweile die praxisintegrierte Ausbildung (Pia), bei der eine Ausbildungsvergütung bezahlt wird. Allerdings sind die Pia-Plätze begrenzt und decken keinesfalls den Bedarf an Nachwuchs, den ganz Stuttgart, aber auch die ganze Region hat. Nun also soll ein Stipendium in den ersten zwei Jahren die klassische Ausbildung wieder attraktiver machen.

200 Euro pro Monat für Azubis

Isabel Fezer, Bürgermeisterin für Jugend und Bildung, sagt: „Mit dem Stipendium können wir angehende Erzieherinnen und Erzieher mit 200 Euro pro Monat unterstützen.“ Das Stipendium soll für die Dauer des Fachschulbesuchs bezahlt werden, maximal aber zwei Jahre. Im besten Fall würde das Stipendium insgesamt 4800 Euro betragen. Im Gegenzug verpflichten sich die Schülerinnen und Schüler, die vorgeschriebenen Praktika und das Anerkennungspraktikum in einer Einrichtung innerhalb des Stuttgarter Stadtgebiets zu absolvieren.

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Damit sich die Investition auch nach Ausbildungsende bezahlt macht, will die Stadt die Stipendiaten an die Stadt binden: Wer nicht für mindestens dieselbe Anzahl von Monaten ein Arbeitsverhältnis in Stuttgart eingeht, für den werden Rückzahlungsforderungen fällig, heißt es in der Vorlage, die mittlerweile von den Gemeinderatsausschüssen beschlossen worden ist.

Mit dem Stipendium ist Stuttgart in Baden-Württemberg Vorreiter, und auch das trägerübergreifende Vorgehen ist einmalig in der jüngeren Geschichte des Jugendamts. Sowohl für die Praktika als auch für den Berufseinstieg sollen die Auszubildenden aus allen Kinderbetreuungs- und Schulkindbetreuungseinrichtungen aller Träger wählen können. Außerdem wird das Stipendium in Kürze beworben, und zwar erstmalig als trägerübergreifendes „Stuttgarter Konzept“.

Mit Aufstiegs-BAföG kombinieren

Ein Großteil der Werbekampagne soll auf das Einzugsgebiet des öffentlichen Nahverkehrs, insbesondere in der Region des S-Bahn-Netzes, abzielen. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass es etwa 600 förderfähige Fachschüler in der Region Stuttgart gibt. Die 1,8 Millionen Euro, die nun bereitgestellt sind, könnten 75 Prozent aller förderfähigen Fachschüler mit einem Stipendium versorgen. Wer eines will, muss sich darum bewerben. Vergeben wird es nach dem Windhund-Prinzip: sind die Mittel erschöpft, pausiert die Vergabe der Stipendien.

Die Stadt weist explizit darauf hin, dass zusätzlich und unabhängig von diesem Stipendium auch das Aufstiegs-BAföG beantragt werden kann. Dieses wird unabhängig vom elterlichen Einkommen gewährt. Die Kombination der beiden Fördermöglichkeiten biete im günstigsten Fall mehr als 1000 Euro, die monatlich zur Verfügung stehen. Bürgermeisterin Fezer ist überzeugt: „So entsteht eine Win-win-Situation, in der mehr junge Menschen für eine Ausbildung zur pädagogischen Fachkraft begeistert und zukünftige Fachkräfte für das Stadtgebiet gewonnen werden können.“