Erwin Staudt Foto: apd

VfB-Präsident Staudt über Turbulenzen um den VfB und seine Bereitschaft für eine Wiederwahl.

Stuttgart - Der VfB Stuttgart wird sich frühzeitig vor dem Abstieg retten - meint zumindest Präsident Erwin Staudt. Dennoch gibt es Planungen nicht nur für die Bundesliga, sondern auch für die zweite Liga. "Wir haben uns mit diesem Thema beschäftigt", sagt Erwin Staudt.

Herr Staudt, wie haben Sie den dramatischen 2:0-Sieg in Frankfurt erlebt?

Es war ein Sechs-Punkte-Spiel für uns. Als Matthieu Delpierre nach einer Viertelstunde die Rote Karte sah, dachte ich, der Himmel stürzt ein. Ich habe mich gefragt: Muss uns eigentlich alles passieren? Erst die Verletzung von Marc Ziegler, dann diese Aktion. Das war eine schlimme Situation. Aber wie unsere Mannschaft die Kurve bekommen hat, war beeindruckend.

Die vielen Verletzungen, der Torwartwechsel und seine Umstände, das Kran-Unglück im Stadion - ist das alles für Sie nur noch bizarr?

Da denkt man, dass sich alles gegen einen verschworen hat. Aber wenn ich das Spiel in Frankfurt sehe, dann war auch das Glück endlich mal wieder auf unserer Seite.

Nun gab es in dieser Saison ja schon mehrere solcher Erfolgserlebnisse: 6:0 gegen Bremen, 7:0 gegen Gladbach, 3:2 in Gladbach. Danach kam die Mannschaft trotzdem nicht ins Rollen. Warum läuft es diesmal besser?

Der Blick für die Situation ist deutlich geschärfter als noch zu Beginn der Rückrunde. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Mannschaft weiß, worum es geht, und sich voll reinhaut.

Wie wird die Saison für den VfB ausgehen?

Ich gehe davon aus, dass wir den Klassenverbleib schaffen und der ganze Abstieg und die Relegation ohne uns vonstattengehen.

Trotzdem planen Sie für die zweite Liga?

Ja, die Planungen gibt es. Wir müssen jetzt schon eine Lizenz für die zweite Liga beantragen, da dies die Vorgaben der DFL so erfordern. Insofern haben wir uns mit diesem Thema intern beschäftigt.

Wie sehen Ihre Lösungen konkret aus?

Darüber reden wir zum jetzigen Zeitpunkt nach außen nicht. Die Planungen sind jedenfalls so, dass wir die Lizenz bekommen.

"Konzentration auf Verbleib in der Liga"

Es gibt ja zwei Ansätze: Der Verein speckt in allen Bereichen total ab - oder er hält, so wie Hertha BSC Berlin, alle seine Mitarbeiter in der Hoffnung, nach einem Jahr wieder aufzusteigen.

Das sind mögliche Denkansätze. Aber wie gesagt: Unsere ganze Konzentration gilt dem Verbleib in der Bundesliga.

Welche Konsequenzen hätte der Abstieg?

Ökonomische und sportliche Konsequenzen, die ich nicht weiter ausführen will.

Hätte der Abstieg auch für Sie persönlich Folgen? Spielt die Mannschaft um ihre Zukunft?

Das ist nicht das Thema. Unser Thema muss jetzt allein der Klassenverbleib sein. Ich kann nur sagen: Ich stehe hundertprozentig hinter diesem Club.

Es formiert sich eine Opposition. Das muss Sie doch beschäftigen.

Es ist legitim, dass es in unserer sportlichen Situation eine Opposition gibt. Das zeigt, dass sich viele Menschen für diesen Verein interessieren und bereit wären, Verantwortung zu übernehmen. Das ist in einer Demokratie total normal.

Stachelt Sie das an zu zeigen, was Sie können?

Ich habe jetzt acht Jahre lang gezeigt, was ich kann. Wir haben den VfB auf allen Ebenen zukunftsfähig gemacht, auch wenn die aktuelle Tabellensituation das leider nicht wiedergibt.

Wann ist die Mitgliederversammlung?

Unsere Planung läuft auf einen Termin im Sommer hinaus.

Opposition stört Kampf um Klassenverbleib

Werden Sie wieder zur Wahl antreten?

Das ist nicht meine Entscheidung. Das ist in erster Linie Sache des Aufsichtsrats, der die Kandidaten für das Präsidentenamt vorschlägt. Dem will ich nicht vorgreifen. Wir haben klare Absprachen, dass wir erst die Saison zu Ende bringen und uns dann um Personalfragen kümmern. Im Moment muss der Fokus auf dem Sport liegen.

Die Opposition sieht das offenbar anders, sie bringt sich selbst ins Spiel. Stört Sie das?

Ja, das ist ein untaugliches Manöver. Es stört unseren Kampf um den Klassenverbleib.

Ärgert es Sie, dass sich in Thomas Weyhing ein ehemaliger VfB-Direktor der Opposition angeschlossen hat?

Er ist auf eigenen Wunsch beim VfB ausgeschieden. Als er noch im Verein war, hat er nicht auf etwaige Missstände hingewiesen. Dafür gab es auch wenig Grund. Der Verein hat in den vergangenen zehn Jahren einiges auf die Beine gestellt.

Trotzdem geben die Fans vor allem dem Vorstand die Schuld an der sportlichen Misere. Schmerzt Sie das?

Schmerzen ist der falsche Ausdruck. Mit sachlicher Kritik setzen wir uns auseinander.

Sportlich schlägt das Pendel beim VfB immer extremer aus. Woran liegt das?

Mein Wunsch ist natürlich auch möglichst große Nachhaltigkeit. Wir wissen selbst, dass wir auch Fehler gemacht haben.

Welche?

Im Nachhinein kann man natürlich über Transfers immer schlauer urteilen. Wir haben stets nach bestem Wissen und Gewissen entschieden - einstimmig.

"Es gab Fehleinschätzungen"

Viele Transfers haben trotzdem nicht wie gewünscht eingeschlagen. Könnte mehr sportliche Kompetenz im Vorstand helfen?

Wir haben alle Entscheidungen im Team getroffen, und da war genügend sportlicher Sachverstand dabei: die Scouts, die beiden Sportdirektoren, der Kollege Ulrich Ruf, der seit 30 Jahren in diesem Geschäft ist. Es ist einfach Blödsinn zu sagen, dass hier zu wenig sportliche Kompetenz ist.

Der wirtschaftliche Sachverstand ist im Vorstand und im Aufsichtsrat jedenfalls deutlich größer als der sportliche.

Die Wahrheit liegt doch in der Mitte. Der VfB braucht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ökonomie und Sport. Da sind wir bis vor kurzem hervorragend gefahren. Bis vor wenigen Monaten haben doch die meisten in der Liga gesagt, der VfB ist einer der bestgeführten Clubs.

Der VfB war in Ihrer Amtszeit dreimal in der Champions League - aber nie zwei Spielzeiten in Folge.

Genau das ist das Problem. Wenn du Erfolg hast, musst du oftmals die Verträge mit deinen Topspielern zu neuen Konditionen verlängern. Das kostet viel Geld. Und du musst qualifizierte neue Kräfte holen, das kostet noch mal viel Geld. Wenn du aber nicht wieder Champions League spielst, fehlen dir von einem Jahr auf das andere rund 25 Millionen Euro.

Die Alternative wäre, kontinuierlich auf eigene Talente zu setzen. Hat der VfB seine Philosophie selbst aufgekündigt?

Nein. Wir haben immer knapp zehn Profis im Kader, die aus der eigenen Jugend stammen, auch jetzt wieder. Aber spektakulär ist natürlich, wenn ein Andi Beck woanders Nationalspieler wird.

Die sportliche Führung des VfB hat ihm die Entwicklung nicht zugetraut.

Es gibt in diesem Bereich auch die eine oder andere Fehleinschätzung. Aber wer spielt, das entscheidet der Trainer und nicht der Präsident.