Omar S. arbeitet am Flughafen – er zählt (noch) zu den Betroffenen der erhöhten Gebühr. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Noch müssen erwerbstätige Flüchtlinge nach 18 Monaten für ihre städtische Unterkunft extrem hohe Nutzungsgebühren zahlen. Nun legt die Verwaltung im Auftrag von OB Fritz Kuhn Vorschläge vor, mit denen soziale Härten vermieden werden sollen.

Stuttgart - Die Stadt will die Nutzungsgebühren für erwerbstätige Flüchtlinge sozial verträglicher gestalten. Vom Mieterverein und vom AK Asyl hatte es massive Kritik an der Höhe gegeben. Auch OB Fritz Kuhn (Grüne) stieß sich daran und wies die Verwaltung an, Lösungsvorschläge zu machen. Diese liegen nun vor und werden am Montag im Sozialausschuss debattiert.

Bisher ist die Regelung wie folgt: 18 Monate lang gilt für erwerbstätige Flüchtlinge eine ermäßigte Gebühr von (je nach Platzgröße) 250 oder 160 Euro im Monat. Danach fällt der volle Satz an – und der hat es in sich. Selbstzahler, die auf sieben Quadratmetern im Doppelzimmer leben, müssen 606,41 Euro im Monat zahlen. Bei einem Platz im Dreibettzimmer (4,5 Quadratmeter pro Person) sind es 389,84 Euro. Von Ende Februar bis Ende Mai hat die Stadt nach eigenen Angaben 88 Haushalte wegen der Erhöhung angeschrieben – sukzessive gehen weitere Schreiben raus.

Die eine Variante schafft die Übergangsfrist ab, die andere hält daran fest

Was schlägt die Verwaltung nun vor? Bei Variante eins beträgt die Nutzungsgebühr für Auszubildende und Selbstzahler in Zukunft 300 Euro im Monat, die Übergangsregel wird abgeschafft. Hintergrund des Betrags ist, dass der Bafög-Wohnzuschlag zum 1. August von 250 auf 325 Euro im Monat steigt. Aus „sozialen Gründen“ schlägt die Stadt vor, diese Erhöhung nicht vollständig zu übernehmen. Unklar ist, ob der 300-Euro-Satz auch für die 4,5-Quadratmeter-Plätze in den Dreibettzimmern gelten soll. In der Vorlage wird hier nicht differenziert, aber die Frage dürfte am Montag im Ausschuss aufgeworfen werden.

Im ersten Jahr würde die Variante eins Mindereinnahmen von 500 000 Euro bedeuten – Tendenz steigend, da die Verwaltung von einer steigenden Zahl an Selbstzahlern ausgeht. Angebote auf dem freien Wohnungsmarkt sind in der Regel teurer, was die Selbstzahler nach bisherigen Erfahrungen davon abhält, auszuziehen.

Die zweite Variante setzt auf eine Verlängerung der Übergangsfrist und brächte 650 000 Euro Mindereinnahmen. Die jetzige Gebührenhöhe bliebe unverändert, die Erhöhung würde aber nach 36 statt nach 18 Monaten fällig. Für beide Varianten müsste eine Satzung geändert werden.

Flughafenmitarbeiter hat nach dem Artikel eine Wohnung gefunden

Der Asylpfarrer Joachim Schlecht ist froh, dass „Bewegung in die Sache kommt“. Beide Varianten stellten eine Verbesserung dar, meint er. Ein erstes Feedback von einem Flüchtling, der Klage gegen die erhöhte Nutzungsgebühr eingereicht hat, kann er bereits weitergeben: Der Mann würde lieber unbefristet 300 Euro zahlen als in etwas mehr als einem Jahr das gleiche wieder durchmachen zu müssen.

Der AK Asyl unterstützt fünf Personen, die Klage wegen der Gebührenerhöhung eingereicht haben. Für die Klagebegründung haben die Flüchtlinge ihre Wohnsituation geschildert – die Angaben liegen unserer Zeitung in Auszügen vor. Ein Mann berichtet zum Beispiel von Kakerlakenbefall in der Unterkunft. Ein anderer, dass sich bei ihm 30 Männer drei Duschen teilten. Er warte immer ein bis zwei Stunden, bis eine frei sei. Was den Schichtarbeiter in Vollzeit besonders belastet: Die Erhöhung zwinge ihn, Sozialleistungen zu beantragen. Dadurch könne er Probleme mit der Ausländerbehörde bekommen, weil er dann nicht mehr selbst für seinen Lebensunterhalt aufkomme.

Omar S., dessen Fall unsere Zeitung geschildert hat, ist keiner der fünf Kläger. Er hat nach dem Artikel ein Wohnungsangebot erhalten – und bald eine neue Bleibe.