Im Modell des Stuttgarter Büros Lederer Ragnarsdóttir Oei ist der Erweiterungsbau der Württembergischen Landesbibliothek (links, Bestand rechts) bereits Realität. Foto: IRO Stuttgart

Eigentlich wollte die Württembergische Landesbibliothek das Genehmigungsverfahren in Sachen Bauerweiterung vorantreiben, doch jetzt fehlen auf einmal im Landeshaushalt die dazu erforderlichen Baugelder.

Stuttgart - Ausleihen geht heute anders: In riesigen Lesesälen sucht der Interessierte seine Bücher zusammen, stapelt sie am Ausgang auf eine elektronische Speicherplatte, die alle Bücher auf einmal registriert, und wer will, kann dies morgens um 3 Uhr so halten. Das ist etwa möglich an den Universitätsbibliotheken in Karlsruhe und Konstanz.

Nichts davon geht so in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart: Nur ein verschwindend geringer Bruchteil des Bestands ist frei verfügbar, alle anderen Medien müssen aus Magazinen geholt werden, inzwischen gar aus einem Außenmagazin in Fellbach.Und zum Lesen vor Ort gibt es gerade mal 240 Arbeitsorte bei täglich etwa 1200 Besuchern. Und Arbeitsorte für Gruppen gibt es überhaupt keine.

Doch nicht nur deshalb wurde eine Erweiterung und Erneuerung der Landesbibliothek angemahnt und galt bis vor kurzem auch als gesichert: Im Jahre 2015 sind sämtliche Raumkapazitäten erschöpft. Und der Bestand wächst kontinuierlich, derzeit mit etwa 80.000 Medien jährlich. Als Landeseinrichtung ist die Bibliothek sogar per Gesetz verpflichtet, sämtliche Publikationen aufzunehmen, die von Verlagen in Württemberg veröffentlicht werden. Das sind allein schon etwa 30.000 Medien jährlich. Nun könnte noch mehr nach außen verlagert werden, doch das ist kosten- und personalintensiv und verschlechtert dazu noch mehr die Serviceleistungen. Schon jetzt entstehen durch die Außenverlagerung Mietkosten von 500.000 Euro jährlich.

„Noch im Mai diesen Jahres war alles klar, jetzt wurden wir im vollen Lauf ausgebremst“

Der Bibliotheksdirektor Hannsjörg Kowark macht deshalb die Gegenrechnung: Bei einer Erweiterung vor Ort kann nicht nur die Miete eingespart, sondern können auch die Betriebsabläufe vereinfacht werden. Damit kommt die Einrichtung mit 8,5 Planstellen weniger aus laut Kowark, was einer weiteren Einsparung von 400.000 Euro im Jahr entspricht. Der Landesrechnungshof habe dies in seiner Denkschrift 2006 erkannt und deshalb aus wirtschaftlichen Gründen den Erweiterungsbau empfohlen. Und noch im Juni 2008 hat der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger den Erweiterungsbau bestätigt. Deshalb hat es in der Folge auch mehrere Architektenwettbewerbe gegeben – mit dem Büro Lederer Ragnarsdóttir Oei als Sieger. Und nun wäre der nächste Schritt das Einholen der Baugenehmigung. Doch jetzt fehlen in den Planungen des Doppelhaushalts 2013 / 2014 des Landes die veranschlagten 48 Millionen Euro Baukosten, lediglich Planungskosten in Höhe von 2,5 Millionen Euro sind noch vorgesehen. Wulf von Lucius, Vorsitzender der württembergischen Bibliotheksgesellschaft: „Noch im Mai diesen Jahres war alles klar, jetzt wurden wir im vollen Lauf ausgebremst.“ Wenn das Land den Bau erst im nächsten Doppelhaushalt berücksichtigen will, ist das Gebäude dann erst im Jahre 2018 fertig. „Dann stehe ich mit 240.000 Büchern auf der Straße“, rechnet Kowark vor: „Soll ich die in Container in den Innenhof des Neuen Schlosses stellen?“

Doch nicht nur die Archivierungsprobleme machen diesen Bau erforderlich: Seit den 1970er Jahren wurde nichts mehr in Modernisierungen investiert. Kowark: „Das Büchertransportsystem aus den jetzigen Magazinen ist jetzt mehr als 40 Jahre alt, dafür gibt es schon längst keine Ersatzteile mehr, die müssen wir per Hand herstellen. Es fällt jetzt eigentlich regelmäßig aus.“ Und es ist ein Einbahnsystem nach oben: Um die Bücher wieder nach unten ins Magazin zu bringen, muss dies mit dem Handwagen erfolgen.

Der Student von heute erwartet die 24-Stunden-Öffnung

Und die Landesbibliothek will ihrem Auftrag gerecht werden, insbesondere für die in den 1960er Jahren in Stuttgart eingerichteten Geistes- und Literaturwissenschaften eine Universitätsbibliothek zu sein. Doch mit den heutigen Öffnungszeiten, werktags bis 20 Uhr, samstags bis 13 Uhr, ist dies nicht wirklich erreichbar. Siehe Karlsruhe und Konstanz, erwartet der Student von heute die 24-Stunden-Öffnung, und das an sieben Tagen in der Woche. Mit dem jetzigen Bau ist dies nicht annähernd erreichbar, zumal auch diese Bibliothek wie andere Landeseinrichtungen gehalten ist, jährlich Personaleinsparungen zu leisten. Kommt der Erweiterungsbau also nicht im Jahre 2015, sieht Kowark in diesem Bereich als einzige Lösung das weitere Einschränken von Öffnungszeiten, um den Vorgaben gerecht zu werden.

Dabei würde der Erweiterungsbau auch städtebaulich Akzente setzen: „Da das Gebäude ganz nach vorne an die Konrad-Adenauer-Straße geht, wäre im Kulturquartier eine Lücke geschlossen“, so Kowark.