Magdalena Andersson (links), Ministerpräsidentin von Schweden, geht am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorbei, nachdem sie sich während eines Besuchs im Prado-Museum im Rahmen des Nato-Gipfels die Hände geschüttelt haben. Foto: Andrea Comas/AP/dpa/Andrea Comas

Die Aufnahme Schwedens und Finnlands in die Nato ist noch nicht gesichert. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan will den Beitrittsprozess „einfrieren“, wenn seine Bedingungen nicht erfüllt werden.

Dass sich die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu für Urteile schwedischer Gerichte interessiert, kommt selten vor. Aber jetzt berichtete die Agentur ausführlich über eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Stockholm. Es geht um den Fall Yilmaz Aytan. Der 48-jährige Türke lebt seit 2018 in Schweden. Die türkische Regierung hat seine Auslieferung beantragt, wegen „Gründung und Führung einer bewaffneten Terrororganisation“. Sie bezeichnet Aytan als führenden Funktionär der Gülen-Bewegung.

Staatschef Recep Tayyip Erdogan macht den in den USA im Exil lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Seine Anhänger gelten in der Türkei pauschal als Terroristen. Aytan soll vor seiner Flucht nach Schweden für den Betrieb von Privatschulen der Gülen-Bewegung in Afghanistan zuständig gewesen sein. Darin konnte der Oberste schwedische Gerichtshof aber keine Straftat erkennen. Nach schwedischen Medienberichten untersagten die Richter deshalb jetzt die Auslieferung des Mannes an die Türkei.

Streit um den Fall Yilmaz Aytan

Yilmaz Aytan ist einer von 73 Exil-Türken und Türkinnen, deren Auslieferung Staatschef Erdogan von Schweden und Finnland als Bedingung für den Nato-Beitritt der beiden Länder fordert. Das höchstrichterliche Urteil in Stockholm dürfte für Erdogan der Anlass gewesen sein, am Montag in einer vom Fernsehen übertragenen Rede auf die Nato-Norderweiterung einzugehen: „Ich würde gerne noch einmal daran erinnern, dass wir den Prozess auf Eis legen werden, sollten diese Länder nicht die notwendigen Schritte ergreifen, um unsere Bedingungen zu erfüllen“, sagte Erdogan.

Vor allem Schweden gebe „kein gutes Bild ab“, kritisierte Erdogan. Die Türkei könnte die Ratifizierung der Nato-Erweiterung im Parlament in Ankara auf unbestimmte Zeit verzögern. Erdogan hatte den Beitrittsprozess zunächst blockiert. Er warf beiden Ländern Unterstützung von Terrororganisationen wie der verbotenen kurdischen PKK und der Gülen-Bewegung vor. Unmittelbar vor Beginn des Nato-Gipfels einigten sich die Türkei, Schweden und Finnland auf ein gemeinsames Memorandum. Darin sichern die beiden Beitrittskandidaten unter anderem zu, beim Kampf gegen den Terror mit der Türkei zusammenzuarbeiten und die anhängigen türkischen Auslieferungsersuchen zügig zu bearbeiten.

Auch aus Washington formiert sich Widerstand

Die schwedische Außenministerin Ann Linde stellte aber inzwischen klar, Auslieferungen werde es nur geben, wenn den Betroffenen tatsächlich terroristische Aktivitäten nachgewiesen werden können. Der Streit um die Auslieferungen ist nicht der einzige Knackpunkt. Schlechte Nachrichten kommen für Erdogan auch aus Washington. Dort formiert sich im Kongress wegen der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und der zunehmend aggressiven Politik Erdogans gegenüber Griechenland starker Widerstand gegen die geplante Lieferung von F-16-Kampfjets an Ankara.