Der melancholische Rapper Felix Kummer Foto: dpa/Fabian Sommer

Felix Kummer von Kraftklub legt mit „Kiox“ sein erstes Soloalbum vor. Darauf schlägt der politisch engagierte Sänger überwältigend ernste Töne an.

Stuttgart - Gleich im Opener seines Soloalbums singt Felix Kummer: „Ich mach’ Rap wieder weich, ich mach’ Rap wieder traurig“ – in zwei Minuten rechnet er in „Nicht die Musik“ mit den Klischees der Deutschrap-Szene ab, mit Körperkult auf Steroiden, großer Klappe, Allmachtsfantasien und Bling-Bling. Ganz schön stark, vor allem aber: unerwartet. Sicher, seine ersten musikalischen Gehversuche fanden im Hip-Hop statt, der 16 Jahre ältere Rapper Trettmann war sogar Babysitter von Klein Felix. Auch bei den Indie-Rockern Kraftklub frönt Kummer eher dem Sprechgesang.

Jetzt aber Rap. Ein ganzes Album lang, mit intelligenten Punchlines und direkter Sprache. „Ich kann halt nicht singen!“, sagt Kummer. „Das ist der einzige Grund, weshalb ich mich für Rap entschieden habe.“ Es steht ihm gut zu Gesicht: Mit dreißig ist er lange genug im Business, vor allem aber lange genug auf der Welt, um mal abzurechnen. Düster ist sein Soloalbum geworden, es gibt viele Schatten zwischen dem spärlichen Licht. Bedrückend, melancholisch, manchmal verzweifelnd, selten humorvoll und manchmal zornig arbeitet Kummer sein Leben auf, seine Vergangenheit in Chemnitz. „Ich habe in den letzten vier Jahren Texte geschrieben, bei denen ich stets das Gefühl hatte, dass sie nicht zu Kraftklub passen.“

Gegen rechte Hetze

Verständlich. Zwar sind Kraftklub längst aus ihrer wilden Party-Phase raus, sie organisierten vergangenes Jahr mit „Wir sind hier“ ein Open Air gegen rechte Hetze, zu dem 65 000 Menschen strömten. Die Themen, die „Kiox“ beherrschen, sind für Kummers Band aber doch eine Spur zu intim. „Da wäre ich mir komisch vorgekommen, in den Proberaum zu marschieren und den anderen mitzuteilen: Hey, Leute, lasst uns mal zehn Songs schreiben, aber die handeln nur von mir und meinem Seelenleben.“

Also ein Soloalbum. Eine Leinwand, auf der all das erscheint, das den Menschen Kummer umtreibt. Freunde als Anker im Leben, Freunde, die auf die schiefe Bahn geraten, abgehängte DDR-Bürger, die immer noch nicht glauben können, was alles passiert ist seit 89; er besingt aber auch den Ist-Zustand jener Stadt, durch die vor einem Jahr die Neonazis tobten, besonders exemplarisch in „9010“, der Song, der nach der alten Postleitzahl von Chemnitz benannt ist. „Born to be Opfer, Zeit zu kapieren, dass da, wo wir leben, Leute wie wir eben einfach kassieren“, heißt es da.

Mit Rechten reden? Damit hat Kummer schlechte Erfahrungen gemacht

Eine Wende nimmt das bittere Stück in der zweiten Strophe, wenn aus dem damaligen rechten Schläger ein zerschlissenes menschliches Wesen wird, das sich erfolgreich selbst abgeschafft hat. Das ist keine plumpe Hetze gegen rechts, das ist ungeschminkte Bestandsaufnahme. Sosehr Kummer auch gegen rechts aktiv ist: „Ich halte nichts von Pauschalaussagen. Ich kann nur sagen: Ich für meinen Teil habe keine guten Erfahrungen gemacht, mit Rechten zu reden.“ Schwierig werde es, sagt er, wenn im privaten Umfeld, in der Familie oder unter Freunden, plötzlich solche Tendenzen auftauchten.

Nicht schön, aber gelebte Wirklichkeit und Widerlichkeit in den Jahren nach der Wende, Alltag für Kummer. Ihn wunderte es nicht, dass die Situation 2018 so eskalierte. Das Problem, sagt er, war immer schon da, wurde aber lange unterschätzt oder weggeredet. Dennoch verbindet er gute Erinnerungen mit seiner Jugend in Chemnitz, der Stadt, die bis 1990 Karl-Marx-Stadt hieß. „Wo wir damals wohnten, war alles heruntergerockt und unsaniert. Für uns war es aber ein riesengroßer Abenteuerspielplatz. Alle Hinterhöfe waren offen, man konnte in alle Häuser rein, weil super viel leer stand.“ Die Schattenseiten – Arbeitslosigkeit, Abwanderung, Radikalismus – blieben ihm damals noch verborgen. Er war erst drei, als die Wohnheime in Rostock-Lichtenhagen brannten.

Chemnitz? Für Künstler super!

Heute sieht er es mit anderen Augen, hält Chemnitz aber immer noch die Treue. „Wenn jeder wegen der AfD abhaut, dann ist das den Leuten gegenüber, die nicht abhauen können, ziemlich gemein. Aber ich weiß natürlich, dass einer wie ich da leicht reden hat. Ich bin oft weg, das ist schon eine Luxusposition.“

Andererseits: Für Künstler sei die Stadt doch super, sagt er versöhnlich. „Platz, billige Proberäume, billige Mieten – billiges Leben eben.“ Auch der Pop-up-Plattenladen, in dem Kummer nur an diesem Wochenende sein neues Album exklusiv verkaufen wird, war in dieser Form nur in Chemnitz möglich. „Direkt am Bahnhof, beste Lage in der Innenstadt, spottbillig. Ich meine, in Hamburg in der Nähe des Hauptbahnhofs mal so eben einen Pop-up-Store zu machen ist doch völlig illusorisch.“ Der Laden heißt wie sein Album: „Kiox“ – so hieß auch das alte Schallplattengeschäft seines Vaters Jan Kummer. „Der Laden war herrlich oldschool: Die Kasse funktionierte nicht, da steckte immer ein Schraubenzieher drin zum Öffnen.“ Von diesem Laden, so sinniert Kummer, komme vielleicht diese Romantik für „Musik zum Anfassen“. Digital veröffentlichen kam für ihn nicht infrage.

Viel Arbeit machte der Laden aber schon. „Ich bin jetzt schon froh, wenn er wieder dichtmacht und ich endlich auf Tour gehen kann. Davon habe ich wenigstens ein bisschen Ahnung.“