Die Zirkus AG des Freihof-Gymnasiums und viele andere Artisten haben den Schlossplatz in eine Straßenkunstmeile verwandelt Foto: Michael Steinert

Der Schlossplatz ist die perfekte Kulisse für das erste Göppinger Straßenkunstfestival. Nicht nur das Publikum genießt die Atmosphäre und hofft auf eine Neuauflage im nächsten Jahr. Auch viele Künstler wollen wieder kommen.

Göppingen - So manches Talent hat sich am Wochenende beim ersten Straßenkunstfestival auf dem Göppinger Schlossplatz selbst entdeckt. Der zwei Jahre alte Lian etwa. Fasziniert greift er nach den bunten Bällen, die der Jongleur Chris Blessing vor sich liegen hat. Als sein Papa schließlich dazwischengeht und ihm die Bälle wieder abknöpft, verlegt der Junge sich aufs Tanzen. Ein Strohhütchen keck auf dem Kopf, kreiselt er wild vor dem Jongleur, der seinerseits mit akrobatischer Finesse zu rhythmischer Musik aufwartet.

„Ich finde das toll, vor allem in Göppingen“, sagt Susann Trevisan, die mit ihrem zehnjährigen Sohn Tom auf einer der Bierbänke vor der Bühne Platz genommen hat, um die Darbietungen zu verfolgen. Zufällig hat sie von der dreitägigen Veranstaltung in der Zeitung gelesen und ist nun restlos begeistert. Der neu gestaltete Schlossplatz mache sich als Veranstaltungsort sehr gut, befindet die Göppingerin. Schön sei auch, dass kein Eintritt verlangt werde.

Akrobatinnen mit Lampenfieber

Überzeugt von den Qualitäten des Platzes ist auch Andreas Förschler. Der Lehrer am Freihof-Gymnasium betrachtet die Sache aber aus einer anderen Perspektive als das Publikum. Er leitet die Zirkus-AG des Freihof-Gymnasiums und gehört damit zu den Akteuren, zumindest indirekt. Obwohl die jungen Akrobatinnen, die nur von einem Jungen unterstützt werden, schon oft aufgetreten sind, fiebern sie dem Moment entgegen, an dem die Bühne für sie freigegeben wird. Endlich ist es so weit. Der Moderator Michael Schellberg kündigt die Truppe über das Mikrofon an.

Die Mädchen tanzen und verbiegen sich, als seien sie aus Gummi. Als sie schließlich hoch zu Giraffe – so nennt man die Hochräder – über den Platz rollen, kommt Förschler nicht nur wegen der Hitze ins Schwitzen. Die Fläche ist zu klein, und die Radakrobatinnen müssen höllisch aufpassen, dass sie die Kurve kriegen und sich nicht ineinander verhaken. Tückisch ist auch die Lichterkette, die sich über den Platz spannt. Die schwarz gekleideten Stelzenläuferinnen, die locker bis zu den Fenstersimsen im zweiten Stock eines benachbarten Hauses heranreichen, müssen schauen, dass sie nicht an dem Kabel hängenbleiben. Doch alles geht gut. Beifall brandet auf, und alle hoffen, dass es im nächsten Jahr eine zweite Auflage des Festivals gibt. „Zirkussport bedeutet, dass man auftritt. Aber ich werde dann dafür sorgen, dass wir mehr Platz bekommen“, kündigt Andreas Förschler an.

Der Traum von einem Jazzfestival

Das Festival ist nicht von langer Hand geplant worden. „Wir haben die Veranstaltung in sechs Wochen aus dem Hut gezaubert. Das war Pionierarbeit“, sagt Markus Bader. Der Musiklehrer aus Göppingen ist Mitglied der Band Orangefuel und einer der Organisatoren. Zusammen mit seinen Mitstreitern vom Kulturverein Rahmen 18 und dem Caffè Bozen startete er einen Aufruf und forderten Straßenkünstler aller Couleur zum Mitmachen auf – mit Erfolg. Musiker, Zauberer, Schauspieler, Jongleure und Akrobaten meldeten sich und erklärten sich bereit, gegen ein kleines Entgelt vom städtischen Kulturamt nach Göppingen zu kommen. „Dieser Zuschuss deckt gerade mal die Unkosten“, sagt Bader. Deshalb appellierten die Veranstalter immer wieder an das Publikum, doch die Hüte der Straßenkünstler zu füllen. Das entspreche dann der Gage.

Obwohl der Vorlauf sehr kurz war, ist Bader schon am Samstagnachmittag sehr zufrieden mit dem Verlauf des Festivals. „Bis jetzt läuft alles wunderbar, obwohl wir viel improvisieren mussten.“ Auch das Wetter spiele mit. „Am Freitagabend waren wir um 22 Uhr fertig. Als wir das letzte Kabel eingepackt hatten, hat es zu schütten begonnen. Das war perfekt.“ Eine Zwangspause verpasste der Regen dem Straßenkunstfestival noch einmal am frühen Samstagabend. Doch weder das Publikum noch die Künstler ließen sich den Spaß verderben. Die Musikband verlegte sich kurzerhand ins Caffè Bozen, um nach dem kräftigen Guss auf dem Platz weiterzuspielen.

Markus Bader findet vor allem die Offenheit des Festivals für jede Art von Kunst schön. Außerdem wolle die Veranstaltung dem künstlerischen Nachwuchs ein Forum bieten, erste Erfahrungen vor Publikum zu sammeln. Dennoch träumt der 43-Jährige davon, einmal ein Jazzfestival auf dem Schlossplatz zu veranstalten – oder aber bekanntere Künstler nach Göppingen zu holen. Doch das sei vorerst Zukunftsmusik. „Um so etwas machen zu können, müssen wir langfristig Sponsoren an Land ziehen und die Finanzierung sicherstellen.“