Kameraden im Schützengraben, Aufnahme aus dem Jahr 1917. Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Nie wurde so viel geschrieben wie im Ersten Weltkrieg. In unzähligen Feldpostbriefen schildern die Absender den Krieg – wie er riecht, klingt und schmeckt. Daraus macht das Haus der Geschichte im April eine Sonderausstellung, die alle Sinne ansprechen will.

Nie wurde so viel geschrieben wie im Ersten Weltkrieg. In unzähligen Feldpostbriefen schildern die Absender den Krieg – wie er riecht, klingt und schmeckt. Daraus macht das Haus der Geschichte im April eine Sonderausstellung, die alle Sinne ansprechen will.

Stuttgart - Gibt es Objekte, die den Schrecken des Ersten Weltkriegs verdeutlichen? Doch obwohl der Kriegsausbruch sich 2014 zum 100. Mal jährt, fehlt es nicht an Exponaten: „Es ist nie so viel geschrieben worden wie damals“, sagt Ausstellungsleiterin Paula Lutum-Lenger.

Sie kann auf eine Flut von Schriftdokumenten zugreifen. Allein aus einem Nachlass stammten 1396 Briefe, die ein Soldat an seine Familie daheim schrieb. „Zwei Mal war er im Lazarett und hatte mehr Zeit zum Schreiben, aber auch aus dem Schützengraben heraus schickte er regelmäßig Post“, so Lutum-Lenger.

Aus all dem hat sie herausgearbeitet, wie der Krieg damals empfunden wurde und dass der Erste Weltkrieg alle Maßstäbe der Sinneswahrnehmung gesprengt hat: „Es war der erste industrialisierte Krieg mit einem infernalischen Lärm von Explosionen und Geschützfeuer.“ So hatte beispielsweise der Stuttgarter Leutnant Adolf Mann im Oktober 1916 nach Hause geschrieben: „Es ist der tollsten Fantasie unmöglich, sich eine solche Höllenmusik und das Schauspiel dazu auszumalen, wie es oft unsre Morgen- und Abendstunden ausfüllte.“

Zum ersten Mal waren die Soldaten einem Kampfgas ausgesetzt, die Gasmaske ist daher zum Charakteristikum des Ersten Weltkriegs geworden. Doch während das Gas kaum zu riechen und zu schmecken war, setzte sich der Geruch der Verwesung, vermischt mit dem der Exkremente in den Schützengräben, in den Riechnerven der Soldaten fest. „Sie baten massenhaft in ihren Feldpostbriefen um die Zusendung von Kölnisch Wasser, um den Geruch der Leichen zu übertünchen“, sagt Paula Lutum-Lenger. Sprechende Zitate, Originaltöne, nie gezeigte Fotos, außergewöhnliche Objekte machen an fünf Sinnesstationen den Krieg hörbar, sichtbar und vermitteln Geschmack und Geruch des Kriegs.

Nah dran an den Schauplätzen der großen Schlachten

Nicht nur Soldaten haben Erfahrungen mit dem Krieg gemacht, sondern auch die Menschen daheim. Deshalb können die Besucher die Raumtemperatur eines Klassenzimmers im Winter 1917 fühlen, erfahren von dem großen Hunger in den Heil- und Pflegeanstalten, die keine Nahrungsmittelrationen mehr bekommen hatten. Insgesamt 70 000 Insassen sind dort Hungers gestorben bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.

Ausgestellt ist außerdem propagandistisches Material, mit dem Durchhalteparolen in der Heimat verbreitet wurden, oder Schauriges aus der Psychiatrie, zum Beispiel einen Transformator aus einer psychiatrischen Klinik, mit dem traumatisierte Soldaten mit Elektroschocks behandelt wurden. „Die Fastnacht der Hölle durchtobt die Welt. Geselle, Geselle, wer zaudert, der fällt“ schrieb Ernst Jünger am 25. September 1916. Daraus hat das Haus der Geschichte den Titel der Ausstellung gemacht: „Fastnacht der Hölle – Der Erste Weltkrieg und die Sinne.“

Von 1914 bis 1918 hat der Große Krieg, wie ihn die Franzosen und Engländer genannt haben, gedauert. „In Deutschland hingegen war er immer überlagert vom Zweiten Weltkrieg, obwohl der Erste Weltkrieg fundamentale weltpolitische Auswirkungen bis heute und eine zentrale Bedeutung für den Südwesten hatte“, sagt Thomas Schnabel, der Leiter des Hauses der Geschichte. Man war nah dran an den Schauplätzen der großen Schlachten, man war aber auch mit großer Begeisterung in den Krieg gezogen. Schnabel: „Die Württemberger waren sehr stolz darauf, dass sie die höchsten Verluste in der Armee hatten. Allein in den ersten Monaten sind 13 000 gefallen.“

Das Haus der Geschichte hat einen Etat von 600 000 Euro zur Verfügung; zu je einem Drittel stammt das Geld vom Land, vom Förderkreis und aus Eigenmitteln. Weil das Land sich eigentlich aus den Großen Landesausstellungen finanziell davonstehlen wollte, ist es den Beteiligten im Museum ein besonderes Anliegen, dass die Schau ein Erfolg wird. Sie zeigt übrigens auch, wie es nach dem Krieg weiterging – mit Hungersnot, Invaliden oder traumatisierten Soldaten, die in den Heil- und Pflegeanstalten zwischen 1939 und 1945 dem Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind.

„Fastnacht der Hölle – Der Erste Weltkrieg und die Sinne“, ist eine Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Konrad-Adenauer-Straße 16. Sie wird am 4. April 2014 eröffnet. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag von 10 bis 21 Uhr.