Mit Video-Umfrage - Erwartete Kundenströme im und um das neue Einkaufszentrum herum bleiben offenbar bislang aus. Citymanagerin Bettina Fuchs warnt davor, deswegen vorzeitig in Panik zu verfallen.

Stuttgart - Das neue Einkaufszentrum Gerber hat erst vor vier Monaten eröffnet, und schon wirft der erste Laden das Handtuch. Das Schuhgeschäft Evita, das im obersten Stockwerk des Centers an der Ecke Paulinen- und Tübingerstraße untergebracht ist, wird das Gerber nach dem letzten Verkaufstag am 24. Januar verlassen. Stephan Keck, Geschäftsführer der Firma Evitalys, die unter dem Name Evita italienische Schuhe verkauft, gibt als Grund für die schnelle Schließung eine geringe Kundenfrequenz an: „Die Stuttgarter Bürger haben das Gerber nicht angenommen.“ Unter der Woche sei das Einkaufszentrum nahezu verwaist. „An manchen Tagen hatten wir – wie viele andere Mieter auch – einen Umsatz von null Euro“, sagt Keck.

Schuld an der ausbleibenden Kundschaft sind seiner Meinung nach die unattraktive Marienstraße und das fehlende Konzept des Gerber. „Der Mietermix bietet keinen wirklichen Mehrwert für Stuttgart und die Zielgruppe ist unklar“, findet Keck. Außerdem fehle dem Gerber ein Kundenmagnet wie beispielsweise die Elektrohandelskette Saturn im Königsbau. Neben dem Gerber ist Evita im Internet und seit 2006 mit einer Filiale in den Königsbau Passagen vertreten. „Im Königsbau lief es für uns von Anfang an viel besser, doch im Gerber bringt nicht einmal unsere Ausverkaufs-Aktion Kunden“, sagt Keck. An das Gerber bindet ihn ein kurzer Mietvertrag mit Probezeit, der ihm nun die schnelle Trennung ermöglicht.

Oliver Grünwald, Centermanager des Gerber, sieht keinen Anlass für Kritik: „Wir sind mit der Kundenfrequenz zufrieden, durchschnittlich haben wir am Tag 20 000 Kunden im Center, an Spitzentagen sogar 40 000.“ Außerdem sei es noch zu früh, um den Erfolg zu beurteilen. „Frühestens ein Jahr nach der Eröffnung ist eine realistische Einschätzung möglich“, sagt Grünwald. Mit werbewirksamen Aktionen will er künftig Kunden in das Center locken und zum Verweilen einladen.

Mieter im Gerber sind besorgt

Ähnlich schätzt Citymanagerin Bettina Fuchs die Lage ein: „Ich warne davor, vorzeitig Panik zu verbreiten.“ Sie geht davon aus, dass das Gerber seine Kundenfrequenz steigern kann, wenn erst die Wohnungen über dem Einkaufszentrum und die Büros im Umfeld bezogen werden. „Ich prognostiziere, dass die Marienstraße in den nächsten Jahren eine Aufwertung erfahren wird“, sagt Bettina Fuchs. Das werde dem Einkaufszentrum helfen. Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, will die Situation des Gerber kurz nach der Eröffnung nicht mit anderen Centern vergleichen: „Die fast zeitgleiche Eröffnung von zwei großen Einkaufszentren in einer Stadt ist keine normale Situation gewesen und ging zulasten des Gerber.“ Sorgen um den Erfolg des Centers müsse man sich aber nicht machen.

Einige Mieter im Center äußern sich dennoch besorgt. Ein Gastronom im Gerber, der namentlich nicht genannt werden möchte, sieht das Hauptproblem ebenfalls im Mietermix. „Hier fehlt ein Ankermieter“, sagt er. Auch das Weihnachtsgeschäft habe nicht gebrummt. An Werbeveranstaltungen mangele es dagegen nicht: „Als der Youtube-Star Sami Slimani zur Signierstunde seines Buches hier war, kamen tausende Teenager“, so der Gastronom. Gekauft hätten die allerdings wenig. Wichtiger als solche Aktionen sei daher ein konstanter Besucherfluss.

Nicht nur im, sondern auch in der Nachbarschaft des Gerber bleiben die erwarteten Kundenströme bislang aus. „Zwar haben wir ein bisschen mehr Kundschaft, aber die lassen ihr Geld auch teilweise in den Gerber-Läden liegen. Unser Umsatz ist leicht rückläufig“, sagt Enes Duman vom Modegeschäft Add Boutique. Für Thomas Schüssele vom Tabakwarenladen Schüta war das Gerber die letzte Hoffnung: „Es läuft hier schon lange nicht mehr gut, aber ich wollte warten, ob sich das mit dem neuen Einkaufszentrum ändert“, sagt er. Seit drei Generationen und 80 Jahren führt seine Familie das Geschäft, an dem jetzt die „Ausverkauf“-Schilder hängen. Die Kündigung hat Schüssele bereits unterzeichnet.